19.07.2006
Ihr seid neugierig auf Europa - warum nicht mal Belfast oder Virrat?
Manche Lokaljournalisten nennen sie die Europa-Botschafterin von Marburg, manche Lehrer kündigen sie gerne schon einmal als die junge Dame von der EU an. Inken Heldt hat das, was Trainer in Seminaren zur Persönlichkeitsentwicklung sicher als beharrliche Ich-will-was-bewegen-Mentalität bezeichnen würden. Nicht immer läuft aber alles so unkompliziert, wie es sich die 24-jährige Politik- und Germanistikstudentin vorstellt.
"Manche Klassen sind schwer zu knacken, da muss man erstmal die querulanten Alpha-Tiere in den Griff bekommen", erzählt Inken und lacht: Nach mehr als zehn EuroPeer-Veranstaltungen an Gymnasien, Haupt-, Real- und Berufsschulen sowie Außeneinsätzen in Gießen und Frankfurt fühlt sie sich psychologisch inzwischen voll auf der Höhe. Als Europa-Dozentin sieht sie sich dennoch nicht: "Alles, was ich erzähle, muss locker daherkommen. Nur so trauen sich die Schüler auch Fragen zu stellen."
Ihre ursprüngliche Befürchtung hat sich mittlerweile ins Gegenteil verkehrt. Viele Schüler bombardieren sie geradezu mit E-Mails. Die Fragen liegen dabei auch schon mal abseits von Europäischem Freiwilligendienst, Jugendaustausch-Programmen oder Workcamps: "Manche schicken mir gleich eine Bewerbung und sagen: Schau die doch mal durch. Die Nacharbeit ist dadurch enorm."
Doch Inken weiß auch, dass sich solche Arbeit auszahlt. Nach ihrem sechsmonatigen Freiwilligen-Aufenthalt im nordirischen Belfast im Jahre 2002 kam das Europa-Schiff quasi von allein auf Kurs. Damals arbeitete sie in einem kulturellen Friedens- und Konfliktzentrum und trug ihren Teil zum friedliche(re)n Miteinander von Protestanten und Katholiken bei. Ihre Teilnahme an Nachfolgeprojekten brachte ihr den "Millenium Volunteer Award" ein. Von da war es zum EuroPeer nur noch ein kleiner Schritt. "Ich habe in Nordirland mein Herz für die Politik entdeckt. Es ist großartig, die eigenen Erfahrungen jetzt an andere weitergeben zu können."
Um neue Kontakte muss sich Inken inzwischen nicht mehr aktiv bemühen, die anderen kontaktieren sie. Drei Schulen haben bereits für Seminare und EU-Veranstaltungen nach den Sommerferien angefragt. Ihre eigene Schule, die Realschule im niedersächsischen Sulingen, war noch nicht darunter, und wird es wohl auch in Zukunft nicht sein. Lehrer hatten ihr damals von einem Freiwilligendienst im Ausland abgeraten und ihr eine solide Ausbildung an die Hand gelegt. Nach dem Motto: Nach Mallorca kannst Du auch später noch in den Urlaub fliegen.
Europa-Werbung während der WM
Verstärkten Aufklärungsbedarf an Haupt- und Realschulen sieht auch Brigitte Schreier. Die 21-jährige Studentin aus Eichstätt mit Schwerpunkt Europastudien hat ihre erste EuroPeer-Veranstaltung in einem Musik-Club durchgeführt, gemeinsam mit Andreas Riedl, einem weiteren EuroPeer. "Ich wollte keine elitäre Sache daraus machen. Ich wollte diejenigen erreichen, die von Austausch- und Reisemöglichkeiten in Europa noch nicht so viel gehört hatten. Da bot sich das 'Kerosin' in Augsburg an - mit einem Europa-Informations-Tresen."
Es folgten zahlreiche Veranstaltungen. Immer wieder schilderte Brigitte ihre Erlebnisse im finnischen Virrat, rund 300 Kilometer nördlich von Helsinki, berichtete von der Arbeit im Jugendzentrum Marttinen und den Möglichkeiten, die sich ergeben, wenn man die Heimat erst einmal nur weit genug hinter sich gelassen hat. Als zu kühn erwies sich jedoch ihr Unterfangen, das allgemeine WM-Fieber bei public viewing-Veranstaltungen für den guten Europa-Gedanken nutzen zu wollen. "Ich muss ehrlich zugeben: Wenn die Menschen auf eine Großleinwand starren und erst einmal anfangen zu feiern, wollen sie sich nicht mehr so recht mit anderen Dingen auseinandersetzen. Die vier Tage Informationsstand in der Nähe des Augsburger Rathausplatzes haben sich nicht gelohnt."
Und dennoch: Brigitte hält die Europa-Fahne weiter hoch, und das, obwohl sie einen Teil der Kosten für ihre Veranstaltungen in nicht unerheblichem Maße aus dem eigenen Geldbeutel beglichen hat. Demnächst wandert die von ihr mit zwei anderen EuroPeers konzipierte Fotoausstellung von Berlin über Leipzig nach Augsburg. Zu sehen sind ehemalige Freiwillige an ihren europäischen Wirkungsstätten. (Marco Heuer)
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