09.06.2014

DJHT: Das Ausland als pädagogische Provinz? Interkulturelles Lernen als Ressource für individualpädagogische Betreuung

Individualpädagogische Maßnahmen finden auch im Ausland statt, folgen allerdings einer anderen Logik als die Internationale Jugendarbeit. Das sollte sich ändern, meinen Prof. Willy Klawe vom Hamburger Institut für Interkulturelle Pädagogik und Dr. Thomas Heckner.

Ihrer Expertise „Das Ausland als Lebens- und Lernort – Interkulturelles Lernen als Ressource für individualpädagogische Betreuung“, die sie im Rahmen eines Fachforums vorstellten, waren Studien über den Verlauf und die Wirkungen intensivpädagogischer Maßnahmen vorausgegangen. Dabei handelt es sich um Maßnahmen im Rahmen der Hilfen zur Erziehung, bei denen eine Betreuungsperson mit ein oder zwei Jugendlichen in Krisensituationen arbeitet, nicht selten während eines Auslandsaufenthalts. Dieser wird häufig damit begründet, dass die Jugendlichen zumindest zeitweise aus ihrem Herkunftsmilieu entfernt werden sollen, dadurch weniger Ablenkung haben und demzufolge stärker auf sich selbst und die Betreuungsperson verwiesen sind. Nicht zuletzt wird die Gefahr des „Abhauens“ im Ausland geringer als im Inland angesehen.

Das Ausland als pädagogische Provinz – diese Konzeption wurde von Klawe und Heckner heftig kritisiert. Das Ausland werde als „negatives Lernfeld“ wahrgenommen und damit die Chance verschenkt, Auslandsaufenthalte für persönlichkeitsstärkende Erfahrungen zu nutzen. Dabei ginge es doch auch ganz anders, das zeige die Internationale Jugendarbeit. 40 empirische Untersuchungen sowie Erkenntnisse aus der Humanwissenschaft zogen die beiden Forscher zu Rate, um deren Erfahrungen für die Individualpädagogik zu nutzen – und betraten damit Neuland.

Alle untersuchten Studien zeigen, dass für die gruppenbezogenen (z.B. Jugendbegegnungen, Workcamps), aber auch für die individuellen Maßnahmen (z.B. Auslandspraktika) internationaler Jugendarbeit einschlägige Effekte nachgewiesen werden können. Wichtig und interessant in Bezug auf Jugendliche in Krisensituationen sind dabei die Aktivierung von eigenen Ressourcen, die Kompetenzerweiterung, Partizipations-, aber auch Grenzerfahrungen, die Notwendigkeit der Angstregulation in unbekannten Situationen, die Anregung zur Selbstreflexion und, ganz oben, die Erfahrung von Selbstwirksamkeit.

Dieses Potenzial möchten Klawe und Heckner für die Individualpädagogik nutzen, mit erheblichen Konsequenzen für die pädagogische Gestaltung individualpädagogischer Betreuungen im Ausland. Interkulturelles Lernen sollte „der rote Faden des gesamten Betreuungsprozesses werden“, davon ist Prof. Krause überzeugt und nannte eine ganze Reihe von Bedingungen, die dafür erfüllt sein sollten. Vor allem bedürfe es „Bindungspersonen, die diesen Prozess ermöglichen und begleiten“, die sich nicht selbst als die Brücke in die fremde Kultur verstehen, sondern es den jungen Menschen ermöglichen, „sich die andere Kultur selbst anzueignen“.

Das hohe Lob auf die Konzepte Internationaler Jugendarbeit endete mit dem deutlichen Wunsch nach mehr Zusammenarbeit.

Die Expertise kann hier als pdf-Dokument heruntergeladen werden.

(Helle Becker für JUGEND für Europa)

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