23.01.2015
Kleine Schritte bringen die Balance. Über die Arbeit mit Europäischen Freiwilligen
Eine gute Vorbereitung, klare Aufgabenbeschreibungen sowie eine transparente regelmäßige Kommunikation tragen maßgeblich zur erfolgreichen Arbeit mit Europäischen Freiwilligen bei. Zu diesem Ergebnis kamen die 17 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des internationalen Projekttutorentrainings "EFD gewinnt" in Walberberg. Das nächste Training wird vom 14. bis 17. April in Frankfurt am Main stattfinden.
Die Teilnehmer stehen zusammen auf einer großen Mehrpersonen-Wippe. Sie versuchen, gemeinsam das Gleichgewicht zu halten. Immer wieder geraten sie ins Schwanken. Um die Balance zu halten, tasten sich ihre Füße schrittweise vor und zurück. Jeder muss die Bewegungen der anderen ausgleichen und dabei selbst vorankommen. Das alles, ohne ein Wort mit den anderen zu sprechen.
"Das hat ja schon ganz gut geklappt", kommentiert Silke Dust das Geschehen. Sie ist Fachbereichsleiterin für den EFD in der Jugendakademie Walberberg, in deren Räumlichkeiten das Training stattfindet. "In der nächsten Runde geht es darum, dass ihr von der Wippe absteigt, ohne, dass diese dabei mit den Seitenkanten den Boden berührt." Und natürlich wieder: ohne Worte. Nach ein paar Versuchen meistert die Gruppe auch diese Aufgabe.
Auf dem Training vertreten sind deutsche, österreichische und luxemburgische Organisationen, die als Entsende-, Aufnahme- und koordinierende Organisationen mit Europäischen Freiwilligen arbeiten oder arbeiten werden. Und so geht es bei "EFD gewinnt" (neben diesem erlebnispädagogischen Programmpunkt) vor allem um den Erfahrungsaustausch, die Reflexion der eigenen Rolle als Tutoren und Projektverantwortliche sowie um konkrete Planungen zur Einbindung der Freiwilligen in die eigene Organisation.
Darüber hinaus gibt es Einheiten zu diversitätsbewusstem Lernen und Konfliktmanagement sowie zum Konzept und zur Philosophie des Programms Erasmus+ JUGEND IN AKTION. Außerdem bekommen die Teilnehmer die Möglichkeit, sich für die Zusammenarbeit bei kommenden Projekten zu vernetzen.
Vielfältige Erwartungen
Die Bedürfnisse und Wünsche der Teilnehmer sind vielfältig. So arbeitet Isabell Facchin an einer Schule für Kinder mit Behinderungen in Strassen, Luxemburg, welche bereits seit 1999 Europäische Freiwillige aufnimmt. Trotz ihrer langjährigen Erfahrung wünscht sie sich noch einmal eine genaue Aufgabenbeschreibung für Tutoren.
Sybille Oker ist ehrenamtlich für die Jugendkulturinitiative Schwäbisch Gmünd tätig. Hier werden erst seit 2013 Freiwillige aufgenommen und so sucht sie Unterstützung für das online-Antragsverfahren und die Erstellung des Youthpass. Außerdem will sie Kontakte zu anderen Organisationen knüpfen.
Dies möchte auch Cliff Hever vom Roten Kreuz Luxemburg. Und ihn interessiert, wie man unter den Kollegen in der Organisation ein Verständnis für die Freiwilligen herstellen und die Erwartungen der Freiwilligen ins Projekt einbinden kann.
Grenzüberschreitende Vernetzung öffnet neue Perspektiven
Das Training in Walberberg wird von zwei Nationalagenturen organisiert und durchgeführt – der deutschen und der österreichischen. Neben der Möglichkeit des grenzüberschreitenden Erfahrungsaustausches sieht Silke Dust einen weiteren Vorteil bei der internationalen Ausrichtung der Veranstaltung: die Vernetzung von Organisationen aus den deutschsprachigen Ländern.
"Der österreichische Kollege [Trainer Torben Grocholl] sagte mir, dass viele der Freiwilligen in Österreich aus Deutschland kommen. Da in dem Fall keine Sprachbarriere existiert, bietet sich eine Vernetzung der Organisationen hier vor allem auch in der Arbeit mit sozial benachteiligten Jugendliche an. Es geht bei diesem internationalen Format ja nicht nur darum, den EFD weiterzuentwickeln, sondern auch darum, Partnerschaften aufzubauen, wenn man in ähnlichen Feldern arbeitet. So lassen sich zum Beispiel bi- oder multilaterale Jugendbegegnungen initiieren, um insbesondere sozial benachteiligten Jugendlichen, mit denen wir hauptsächlich in unserer internationalen Arbeit in der Jugendakademie arbeiten, für einen EFD zu motivieren."
Zu diesem Zweck tauschen sich die Teilnehmer über die speziellen Konzepte für den EFD in ihren Organisationen aus. Dabei wird deutlich, dass teilweise mit unterschiedlichen Begrifflichkeiten gearbeitet wird. Das betrifft zum Beispiel die Definition der Aufgabenbereiche von Tutoren und Mentoren. Auch wird in manchen Organisationen mehr darauf geachtet, dass der Mentor außerhalb der Organisation steht, als in anderen.
Es sind solche Kleinigkeiten über die man sich bei einer Zusammenarbeit erst einmal bewusst werden muss, damit man schließlich weiß, wovon die Partnerorganisation spricht. Das Projekttutorentraining bietet auch hierfür Raum.
Was heißt es, mit Freiwilligen zu arbeiten?
Die meisten Teilnehmer in Walberberg haben in ihrer Organisation die Funktion der Tutoren inne. Sie übernehmen organisatorische Aufgaben und kümmern sich um Unterkunft, Verpflegung, Sprachkurs und Mobilität der Freiwilligen im Gastland. Sie begleiten und unterstützen die Freiwilligen in deren persönlichen Entwicklung und der Lernentwicklung. Darüber hinaus sind sie häufig Ansprechpartner bei persönlichen Problemen. Eines macht "EFD gewinnt" besonders deutlich: Tutoren und Projektverantwortliche müssen sich bei ihrer Arbeit mit Freiwilligen bewusst werden, dass sie sich in einer komplett anderen Lebenssituation befinden als Letztere.
Des Weiteren bringen die Freiwilligen Kompetenzen und Potenziale in die Organisation, welche sich diese zu Nutze machen kann. Um dies zu erreichen, müssen die Organisationen dafür sorgen, dass sich die Potenziale entfalten können. Diversitätsbewusstes Lernen und Konfliktmanagement sind darum zentrale Anliegen, die in den dreieinhalb Trainingstagen behandelt werden.
So stellen die Teilnehmer ihre Organisationen anhand von Organigrammen vor und zeigen auf, in welchen Abteilungen die Freiwilligen mit welchen Aufgaben eingesetzt werden. Bei den meisten Organisationen setzt man auf offene Kommunikation und Transparenz. Einige Teilnehmer bemängeln jedoch, dass in ihren Organisationen Konflikte mit den Freiwilligen vorprogrammiert seien: Es herrschten intransparente Entscheidungsprozesse und unklare Zuständigkeiten. Das Projekttutorentraining bietet die Möglichkeit, Lösungsansätze für diese Probleme zu finden.
Voraussetzungen für ein gelungenes EFD-Projekt
Für die Teilnehmer kristallisieren sich mehr und mehr einige elementare Punkte für eine gelungene und zufriedenstellende Zusammenarbeit mit Europäischen Freiwilligen heraus: Eine gute Vorbereitung des Projekts hilft, sich auf die Freiwilligen einzustellen und deren Aufgaben klar zu definieren. Die Freiwilligen sollten direkt nach ihrer Ankunft mit ihren Aufgaben vertraut gemacht werden, aber auch die Möglichkeit haben, Wünsche, Fragen und eigene Anregungen zu äußern.
Die Organisation sollte flexibel sein, um diese Wünsche und Anregungen bei der Gestaltung der Aufgaben auch zu berücksichtigen. Regelmäßige Treffen von Tutoren und Freiwilligen während des Projekts tragen dazu bei, dass beide Seiten stets auf dem neuesten Stand der Erwartungen und Wünsche der jeweils anderen Seite sind. Der Youthpass als Instrument der Dokumentation der Lernerfahrungen aber auch als Kommunikationsgrundlage hilft, dass sich beide Seiten Klarheit über die gegenseitigen Erwartungen verschaffen.
Die Herausforderung, als Tutor bei der Begleitung und Anleitung der Freiwilligen die Balance zu halten zwischen Empathie und Grenzziehung, wird auch durch die Übung auf der Wippe noch einmal deutlich. "Wie kann man diese Situation auf die Arbeit mit Europäischen Freiwilligen übertragen?" fragt Silke Dust. Die Antworten der Teilnehmer lassen nicht lange auf sich warten: Gemeinsame Handeln, die Nähe, die Sprachbarrieren und die Balance, welche durch kleinste Schritte zerstört, aber auch wiederhergestellt werden kann.
(Babette Pohle für JUGEND für Europa)
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Für das nächste "EFD gewinnt" (14. bis 17. April 2015 in Frankfurt am Main) können Sie sich bis zum 02.02.2015 online anmelden...
Die Kosten für die Teilnahme am Training, sowie Unterkunft und Verpflegung während des Trainings werden von den Veranstaltern übernommen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Deutschland tragen die Reisekosten selbst.
"EFD gewinnt" wird organisiert von den Nationalagenturen für Erasmus+ JUGEND IN AKTION aus Deutschland und Österreich.
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