10.03.2015
Fachforum Europa: Europaschule – und wie!
Das Berufskolleg Am Wasserturm in Bocholt lebt das Thema Europa kräftig aus. JUGEND für Europa sprach auf dem Fachforum Europa mit Nicole Kroll über 14 Jahre Erfahrungen.
Wo beginnen, und wo aufhören? Das Berufskolleg Am Wasserturm in Bocholt ist mit seinen 1.200 Schülern und 65 Lehrkräften ein ziemlicher Brocken in NRW. Dieses Gewicht wirft die Schule in die Waagschale, um als Europaschule ihrer Rolle als tragende Bildungseinrichtung in der Grenzregion zu den Niederlande gerecht zu werden. Es wimmelt nur so von Europa-affinenen Projekten. Deshalb zunächst die Frage: Wo beginnen?
„Als vor knapp zehn Jahren das Berufskolleg am Wasserturm mit dem Modell einer ‚Euro-Business-Class’ anfing und nach und nach ihr europäisches Profil schärfte, hatte damals niemand eine Ahnung davon, wohin das alles führen könnte.“ So beschreibt sich das Kolleg auf seiner Website selbst. Inzwischen ist die Richtung klar, das Ministerium für Schule und Weiterbildung in NRW hat dem Bocholter Berufskolleg den Titel „Europaschule in Nordrhein-Westfalen“ verliehen.
Dass der Titel für Schüler „ein Entscheidungsmerkmal“ ist, wie das Infomaterial weiter ausführt, findet auch Lehrerin Nicole Kroll. Sie leitet Europa-Projekte jetzt schon seit 14 Jahren und schätzt sich selbst als Profi in dem Metier ein. So sehr ist sie mit der Aufgabe ge- und verwachsen, dass sie auch über das europäsche Schulnetzwerk NEOS (Network of Europe Oriented Schools) Kurse für interessierte Kolleginnen und Kollegen gibt. Vor allem in den nahe gelegenen Niederlanden aber auch in Kooperation mit anderen Ländern wie Polen finden viele Veranstaltungen statt.
Das Besondere an diesen Aktionen: Sie finden reihum in den beteiligten Partnerschulen statt. Schon zwei Mal war das Berufskolleg Am Wasserturm Gastgeber und nutzt die Gelegenheit, „Learning in Work“ vorzustellen. Praxisnah sollte es sein und so haben auch die Schüler mitgewirkt, die den Gästen aus Europa dann beispielsweise eine „ideale“ Schulstunde vorstellen konnten. Beeindruckend sei das, meint Nicole Kroll und überlegt gleichzeitig, was sie noch alles aus der Schule mit dem Europa-Siegel erzählen kann.
Alle Projekte sagt die Pädagogin, stehen und fallen mit dem persönlichen Engagement der beteiligten Lehrkräfte. Über NEOS hat sie einige Kolleginnen und Kollegen kennen gelernt, mit denen sie inzwischen auch private Kontakte pflegt. „Das wirkt sich dann natürlich auch auf den beruflichen Austausch aus.“ Klar ist auch: Die ganze Arbeit, die in einem Europa-Antrag steckt, bekommt sie von der Schule nicht vergütet. Da steckt Herzblut und viel Europa-Leidenschaft drin. Das gilt ihrer Auskunft nach übrigens für viele andere Länder noch viel mehr als für Deutschland mit seiner berüchtigten Bürokratie. „Gerade den Polen müsste man diese Arbeit noch viel höher anrechnen. Und auch mit Frankreich ist die Arbeit sehr schwierig, weil da die Schulleiter nur Verwalter sind, die sich kaum mit der Bildungseinrichtung identifizieren.“
Den Schülern machen die Projekte auf jeden Fall Spaß – und um die sollte es ja eigentlich gehen. In manchen Fachrichtungen funktioniert ein Austausch mit den Niederlanden völlig reibungslos. Die Azubis der Medizinischen Fachangestellten absolvieren Praktika im grenznahen holländischen Seniorenheim und lernen, mit den unterschiedlichen Mentalitäten umzugehen. Auch die mit der Schule kooperierenden Industriebetriebe haben inzwischen das Engagement der Schule schätzen gelernt und stellen ihre Lehrlinge für dreiwöchige Praktika im Ausland frei. „Ein Betrieb, der das ein Mal gemacht hat, macht es immer wieder“, sagt Nicole Kroll.
Auch die "große Politik" findet ihren Weg in den Alltag der Schüler: In einer Industrieklasse berichteten die Auszubildenden über die Lage in ihrem Betrieb, der Geschäftskonktakte in die Ukraine hat und von der Entwicklung vor Ort betroffen ist. So konfliktbeladen der Hintergrund sein mag, die Jugendlichen merken, dass Europa sie direkt betrifft.
Ähnlich geht es den Schülern, die anfangs meist skeptisch sind und Respekt vor einem längeren eigenständigen Aufenthalt im Ausland haben. Wenn sie zurückkommen und den Klassenkameraden von ihren Erfahrungen erzählen, ist ganz oft der Knoten geplatzt, und ein Ansturm auf freie Plätze geht los.
So ist das, wenn Europa lockt. Es braucht die richtigen Leute mit dem nötigen Durchsetzungswillen, dann klappt’s auch mit dem grenzüberschreitenden Bildungsaustausch. Das gilt übrigens auch, wenn die Grenze weiter als fünf Kilometer entfernt liegt.
Jörg Wild für JUGEND für Europa
Bild: Jörg Wild
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