19.03.2015

Mit einem direkten Draht zur Ministerin: Strukturierter Dialog in der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgien

Die Deutschsprachige Gemeinschaft ist eine von drei Gemeinschaften Belgiens. Sie liegt im Osten des Landes und hat knapp 80.000 Einwohner. Hat das nicht große Vorteile für die Durchführung von Projekten des Strukturierten Dialogs? Yorick Pommée arbeitet für den Fachbereich Kultur und Jugend des Ministeriums der Deutschsprachigen Gemeinschaft und ist Mitglied der Nationalen Arbeitsgruppe zur Umsetzung des Strukturierten Dialogs. Er sprach mit JUGEND für Europa darüber, dass die Durchführung Strukturierter Dialoge in seiner Heimat nicht so einfach ist, wie es auf den ersten Blick scheint.

JfE: Kurze Wege zwischen den Institutionen, persönliche Kontakte zu Entscheidungsträgern und eine deutliche Sichtbarkeit der einzelnen Projekte – ist die Deutschsprachige Gemeinschaft nicht ein idealer Durchführungsort für Strukturierte Dialoge?

Yorick Pommée: Natürlich ist es super, wenn das Ministerium mit in der Runde der Nationalen Arbeitsgruppe zum Strukturierten Dialog sitzt und man sofort den Draht zur Politik hat. Wir sind zwar eine Behörde, aber auch stark in Kontakt zur Jugendministerin, wenn wir also Ideen entwickeln, sind die Wege bei uns relativ kurz. Wir haben regelmäßige Treffen mit der Ministerin und können auch mal den Strukturierten Dialog als Tagesordnungspunkt anberaumen. Ich glaube, in Deutschland ist das vielleicht nicht so einfach.

Dennoch gibt es sicher auch Nachteile, oder?

Ja, die gibt es. Es sind immer die gleichen Jugendlichen, die kommen und an solchen Projekten teilnehmen. Die Herausforderung besteht darin, auch mal andere und noch mehr Jugendliche zu erreichen und zu motivieren. In Flandern und der Wallonie gibt es Jugendräte, die fast Vollzeit jemanden für den Strukturierten Dialog eingesetzt haben, der sich damit beschäftigt, den Prozess im gesamten Gebiet zu organisieren und die haben viel mehr Jugendliche in der Gemeinschaft, die sie ansprechen können.

Welche Rolle hast Du in der Nationalen Arbeitsgruppe?

In der Nationalen Arbeitsgruppe bringe ich als Ministeriumsvertreter den Erfahrungsschatz aus der Verwaltung und Politik ein. Es geht natürlich nicht darum, den Strukturierten Dialog darauf auszurichten, dass es der Politik in den  Kram passt. In einem Dialog, bei dem es darum geht, Jugendliche und politische Entscheidungsträger zusammen zu bringen, ist es aber wichtig, diese politischen Entscheidungsträger in die Diskussion einzubeziehen. Der Strukturierte Dialog ist eine Sache, bei der alle auf Augenhöhe diskutieren. Ich habe da keinen höheren Stellenwert als der Jugendrat oder ein freiwilliger Jugendlicher oder die Nationalagentur.  Wir arbeiten zusammen an einem Projekt, jeder mit seinem Erfahrungsschatz und wir versuchen, Jugendliche dazu zu bringen, mitzureden und im Idealfall etwas zu bewirken.

Welche Projekte gibt es in der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgien zum Strukturierten Dialog?

Im Prinzip führen wir nur Projekte durch, die auch im Zusammenhang mit den EU-weiten Konsultationsrunden stehen. Die Projekte hängen dann ganz stark vom Konsultationsthema ab. Beim Thema „Gelingende Übergänge in Ausbildung und Arbeit“ haben wir zum Beispiel ein Rundtischgespräch organisiert, bei dem wir versucht haben, möglichst viele Jungunternehmer, pensionierte Unternehmer, die die jungen Unternehmer beim Start in die Selbständigkeit unterstützen und lokalpolitische Entscheidungsträger zusammenzubringen,. Da kam es dann zu einem intensiven Austausch über Vorteile und Schwierigkeiten von Unternehmertum. Die Kernpunkte dieser Diskussionen haben wir der EU-Kommission mitgeteilt bzw. auf der anschließenden Jugendkonferenz vorgestellt.

Wie finden die Ergebnisse der Konsultationen wieder Eingang in die reale Politik der Deutschsprachigen Gemeinschaft?

Wir beziehen den Input, den wir von den Jugendlichen bekommen, und auch die Richtlinien der Jugendkonferenzen, in die Jugendpolitik der Deutschsprachigen Gemeinschaft mit ein. Wir haben unser Steuerungsinstrument, den Jugendstrategieplan, und der ist darauf bedacht, wissensbasiert Jugendpolitik auszurichten. Wir schauen die Bedarfe der Jugendlichen an und da zählen natürlich auch die Resultate der Strukturierten Dialoge. Im Rahmen dieses Strategieplans können dann konkrete Maßnahmen in Zusammenarbeit mit dem Jugendsektor stattfinden. Dennoch ist es schwer, den Jugendlichen den Link zu vermitteln, den es da zum Strukturierten Dialog gibt.

Ein solcher Link könnte doch über internationale Projekte hergestellt werden, indem Jugendliche in den Austausch mit Jugendlichen anderer Länder kommen und dort zu bestimmten Diskussionen politische Entscheidungsträger mit einbezogen werden?

Das wäre auf jeden Fall ein Ansatz. Das Problem ist, dass wir keine Träger dafür finden. Die Hauptakteure in diesem Bereich sind zwei, die keine Anträge stellen können – das Ministerium und die Nationalagentur Erasmus+. Das heißt, wir müssten ein Organ schaffen, welches sich damit beschäftigt, das wäre eigentlich der Lösungsansatz.  Das ist aber alles noch im Aufbau. Für mich wäre dann ein Austausch mit Ländern wie Liechtenstein und Luxemburg interessant, mit Ländern, in denen es ähnlich abläuft und bei ihnen zu schauen, wie sie damit umgehen.

Konkreter als die relativ abstrakte EU-Ebene der Konsultationen sind manchmal Dialoge von Jugendlichen mit Politikern zu lokalen Themen. Welche Projekte gibt es da in der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgien?

Die Wirksamkeitsdialoge mit den Jugendorganisationen sind jährliche Treffen zwischen Vertretern der Jugendorganisationen, meist jungen ehrenamtlichen Jugendleitern, bei denen die Umsetzung ihrer Konzepte, das im Vorjahr Geschehene und eventuell notwendige Zuschüsse besprochen werden. Es handelt sich bei diesen Gesprächen keineswegs um eine Kontrolle seitens des Ministeriums oder der Regierung, sondern es wird Wert auf den Dialog gelegt, eine Art strukturierter Dialog zwischen Jugendlichen und Entscheidungsträgern.

Könnte man nicht gemeinschaftsübergreifend, also in einer Kooperation mit der Flämischen und der Französischen Gemeinschaft in Belgien, Jugendliche und Politiker ansprechen und sie zu gemeinsamen Projekten motivieren?

Das ist vor allem ein Problem der Sprache. Wir sind zwar meistens bilingual, das funktioniert bei drei Gemeinschaften aber dennoch nicht, wenn man sich auf eine Sprache einigen will. Zudem haben wir drei mehr oder weniger verschiedene Jugendpolitiken, was auch erklärt, warum wir immer zu dritt auf die Jugendkonferenzen fahren. Jede der Gemeinschaften hat doch ihre Art und Weise, die Jugendpolitik in seiner Gemeinschaft zu gestalten. Sie gehen ganz anders vor als wir, die drei Arbeitsweisen kann man schwer miteinander vergleichen. Aber gut, man sollte ein solches Projekt nicht ausschließen.

Was braucht es, vor dem Hintergrund Deiner Erfahrungen als politischer Vertreter im Strukturierten Dialog, auch diese zweite Dialogseite zur Teilnahme zu motivieren?

Ganz einfach die richtige Einstellung. Ich glaube, es gibt kein besseres Mittel, Politiker zur Teilnahme zu motivieren. Ich sehe im Strukturierten Dialog vielmehr ein Tool für die Politiker, mit Hilfe dessen wir mit den Jugendlichen in Kontakt kommen können. Vielleicht kommt mir das jetzt selbstverständlich vor, einem anderen Politiker aber womöglich nicht und den muss man zur Teilnahme überreden. Wenn es Beteiligungsprozesse gibt, bei denen man merkt, dass sie wirklich etwas bringen, kommt das vielleicht irgendwann auch mal in der Politik an und diese entscheidet sich dann, den Erfahrungsschatz zu nutzen, den ihr die Jugend bieten kann.

Das Interview führte Babette Pohle für JUGEND für Europa
Bild: Babette Pohle

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