19.03.2015
Von null auf hundert: Die Umsetzung des Strukturierten Dialogs in Österreich
In Österreich wurde 2014 eine Koordinierungsstelle für den Strukturierten Dialog bei der Österreichischen Bundesjugendvertretung eingerichtet, dem Pendant zum Deutschen Bundesjugendring. Maria Lettner ist dort Referentin für Jugendpolitik und Mitgliedsorganisationen und hat bereits seit 2006 mit dem Strukturierten Dialog zu tun. Mit JUGEND für Europa sprach sie über einen Start von null auf hundert und die weitere Planung für die Umsetzung des Strukturierten Dialogs in Österreich.
JfE: Du hast nun schon seit etwa neun Jahren mit dem Strukturierten Dialog in Österreich zu tun. Kannst Du im Rückblick erzählen, wie er sich entwickelt hat?
Lettner: Man muss sagen, dass erst seit 2014 wirklich etwas dazu passiert, mit der Einrichtung der Koordinierungsstelle, nachdem das Ministerium 2013 gesagt hat, dass es gut wäre, wenn die Bundesjugendvertretung die Konsultationen koordiniert. Österreich war zwar relativ schnell mit dem Errichten einer Nationalen Arbeitsgruppe, aber die Konsultationen sind immer nur in dieser Nationalen Arbeitsgruppe behandelt worden und das, was an Input von den jungen Menschen aufgenommen worden ist, kam immer nur aus den Online-Konsultationen. Nachdem Georg Feiner und ich für die Koordinierung eingesetzt worden sind, ist zum ersten Mal mit ein paar anderen Formaten experimentiert worden. Zum Beispiel gab es 2013 einen Workshop mit Jugendlichen und einen mit Experten aus dem Bereich Beschäftigung. 2014 haben wir dann auch mit Multiplikatorenworkshops starten können.
Wie genau setzten sich die Workshops zusammen und was wurde dort besprochen?
Zunächst einmal muss man sagen, dass der Workshop mit den Jugendlichen nur bedingt repräsentativ war, da wir ihn eintägig in Wien angeboten haben. So erreichten wir schon mal keine Lehrlinge aus Vorarlberg zum Beispiel. Das Interesse war aber trotzdem sehr groß und das Ergebnis jedenfalls aufschlussreich. An den MultiplikatorInnenworkshops von 2014 haben insgesamt rund 70 Leute teilgenommen und die kamen nicht nur aus den Verbänden, sondern auch aus der offenen Jugendarbeit, Streetworker zum Beispiel. Sowohl mit den Jugendlichen als auch beim Multiplikatorenworkshop waren die Konsultationsfragen die inhaltliche Grundlage.
Welche Auswirkung hatten die Workshops auf die Implementierung des Strukturierten Dialogs in Österreich?
Ein Dialog ist ja kein wirklicher Dialog, wenn man nur einmal im halben Jahr eine Online-Konsultation durchführt. Interessant, speziell an den Multipliaktorenworkshops, war deswegen, dass daraus bereits verschiedene Projekte entstanden sind, die sich auch anderer Methoden bedient haben, die Jugendlichen zu konsultieren – gerade die Streetworker hatten da einen anderen Ansatz. Die Multiplikatorenworkshops haben absolut dazu beigetragen, den Strukturierten Dialog auf Grassroot-Level herunterzubrechen. Auf lokaler Ebene gibt es jetzt verschiedene Projekte zum Strukturierten Dialog, da die Multiplikatoren selbst so Feuer gefangen haben an der Idee und dem Prozess des Strukturierten Dialogs, dass sie bereit sind, sich dort weiter zu engagieren. Die Multiplikatoren sind zum großen Teil auch Leute unter 30, also selbst noch Zielgruppe.
Es gab zum Beispiel in Folge des Multiplikatorenworkshops eine Videogruppe, die in Straßenumfragen mit jungen Leuten über Europa gesprochen und dabei Input für die Konsultation gesammelt hat. Was war das Besondere an dieser Art der Konsultation?
Es gab wirklich einen tollen Output, da die Jugendlichen selber sagen konnten, was sie mit Europa verbinden oder woran sie denken, wenn sie jemand nach der EU fragt. Auf diese Weise erreichte die Videogruppe zum Beispiel auch Asylbewerber, Jugendliche, die sonst nicht gefragt worden wären, die man nicht über klassische Formate erreicht, Jugendliche, die nicht in Strukturen organisiert sind.
Gibt es Bestrebungen, den Strukturierten Dialog auf lokaler Ebene noch ein bisschen mehr von den Konsultationen zu lösen und spezielle Probleme in diesem Bereich anzugehen?
Das ist die Phase, in die wir jetzt kommen und die Anbindung lokaler Dialoge an die europäische Dimension passiert im Reflexionsprozess mit den Multiplikatoren. Das war auch in den Multiplikatorenworkshops bereits angelegt, ein niedrigschwelliger Zugang.
In Österreich gibt es ja bereits verschiedene lokale Beteiligungsprojekte, die bisher unabhängig vom Strukturierten Dialog laufen. Wie könnte man diese in den Strukturierten Dialog einbinden?
Wir haben das Sprichwort: „Über's Reden kommen die Leute zusammen“. Es macht einen großen Unterschied, wenn man Menschen persönlich kennt. Für uns heißt es, dass wir uns aus Wien oder den Landeshauptstädten hinaus bewegen und mit den konkreten Akteuren vor Ort sprechen müssen. Wir wollen ihnen zeigen, dass sie einen Vorteil aus dem Strukturierten Dialog ziehen können und dass das keine zusätzliche Last bedeutet. Gerade in der Verwaltung herrscht da im Moment noch großer Widerstand. Doch sind die Themen, zu denen sich die Jugendlichen Gedanken machen, überall in Europa ähnlich. Wenn wir in Österreich auch nicht das Problem der hohen Arbeitslosigkeit haben, so stellen sich die Jugendlichen dennoch Fragen zu ihren Perspektiven und da wäre es toll, wenn sie und die lokalen Entscheidungsträger von den Ergebnissen des Strukturierten Dialogs auf europäischer Ebene profitieren könnten.
Demnächst sind in Österreich zwei regionale Dialogkonferenzen geplant. Jeweils fünf Bundesländer tun sich zusammen und aus jedem Bundesland werden zehn Jugendliche und fünf Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung eingeladen. Welche Themen sollen dort besprochen werden und welche Erwartungen habt Ihr an diese Konferenzen?
Die große Frage, die bei den Dialogkonferenzen behandelt werden wird, lautet: „Wie kann die Beteiligung von jungen Menschen im jeweiligen Bundesland um einen Schritt weitergebracht werden?“ Ziel ist es, gemeinsam eine Standortbestimmung des jeweiligen Bundeslandes vorzunehmen, sich über Landesgrenzen hinweg darüber auszutauschen und voneinander zu lernen. Damit dieses Vorhaben gelingt, werden wir einen Rahmen schaffen, in dem sich Jugendliche und Erwachsene auf Augenhöhe begegnen und in Austausch treten können. Nur wenn wir eine solche Gesprächshaltung und gemeinsames Handeln üben, wird sich eine politische Beteiligungskultur etablieren können, von der alle profitieren. Durch die Teilnahme unserer beiden Europäischen Jugenddelegierten und die Zusammenschau im Plenum sorgen wir auch für die Anschlussfähigkeit der Konferenzen an den europäischen Prozess.
Welche Tricks habt Ihr, die Entscheidungsträger zur Teilnahme am Strukturierten Dialog zu bewegen?
Es reicht nicht, dass ein Politiker mal für eine Stunde zu einer Veranstaltung kommt. Wichtig ist, ihnen klarzumachen, dass dieser Prozess allen etwas bringt – nicht nur den Jugendlichen sondern auch den Politikern. Diese Erkenntnis versuchen wir ihnen möglichst lebhaft zu schildern, so dass sie das auch weiter in ihre Strukturen tragen können. Entscheidungen werden ja nicht nur in der Spitzenpolitik gefasst, sondern auch in der Verwaltung oder eine Ebene darunter. Wir signalisieren immer einen großen Optimismus, dass solche Veränderungen möglich sind, auch, wenn es ein komplett neuer Prozess ist. Uns ist klar, dass das nicht auf Anhieb klappen wird, doch steter Tropfen höhlt den Stein.
Das Interview führte Babette Pohle für JUGEND für Europa
Bild: Babette Pohle
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