12.10.2015
Sven Hilgers (Junge Liberale): "Die Vereinigten Staaten von Europa sind der einzig gangbare Weg"
Sven Hilgers, Jahrgang 1989, ist stellvertretender Bundesvorsitzender für Programmatik der Jungen Liberalen. Bei den JuLis ist er zuständig für inhaltliche Positionen und Beschlusslage, Schwerpunktthemen und Leitanträge. Beim Polit-Battle auf dem diesjährigen EFD-Heimkehrer-Event comeback 2015 warb er für eine vorsichtige Vorbereitung der „Vereinigten Staaten von Europa“.
JfE: Sie sagen von sich selbst, dass Europa „eine Herzensangelegenheit“ für Sie ist. Wie kam es denn dazu, und wieso hat sich das Gefühl so gut gehalten?
Sven Hilgers: Die Begeisterung für die europäische Idee hat in der Schule begonnen. Je mehr ich mich mit der Europäischen Integration beschäftigt habe, desto mehr ist mein Interesse gewachsen. Die Europäische Union ist weltweit einzigartig. Wo sonst haben Staaten und Menschen sich entschieden, nationalistische Konflikte hinter sich zu lassen, gemeinsame Lösungen zu entwickeln und Souveränität abzugeben, um handlungsfähiger zu sein.
Wenn Sie mit jungen Menschen über Europa sprechen: Wie bringen sie ihnen nahe, dass nur in einem gemeinsamen Kontinent die Zukunft liegen kann?
Die Erfolge der EU in der Vergangenheit sind ein guter Anfang, um zu zeigen, was die Europäische Union erreichen kann. Es hilft deutlich zu machen, wo wir heute schon von der EU profitieren – etwa bei offenen Grenzen, Studienmöglichkeiten in ganz Europa oder einer gemeinsamen Währung. Doch der Blick in die Vergangenheit reicht nicht. Viele der großen Herausforderungen unserer Zeit, wie Klimawandel oder stabile Finanzmärkte, lassen sich besser gemeinsam – also europäisch – lösen, als allein in den Nationalstaaten.
Was können und was müssen neue Generationen von Europäern anders machen, um das „gemeinsame Haus“ voran zu bringen?
Eine der drängendsten Fragen ist, welche Aufgaben wir besser auf europäischer Ebene angehen und welche besser auf nationaler oder sogar regionaler Ebene bewältigt werden können. Viel zu häufig hat sich die EU in der Vergangenheit auf kleinteilige Probleme konzentriert, anstatt sich den großen Herausforderungen zu stellen. Nehmen wir das Beispiel Energiepolitik. Statt den gemeinsamen Energiemarkt zu verwirklichen, verbietet die EU Glühbirnen und reguliert Staubsauger. Das ist häufig die Schuld der Mitgliedsstaaten, die nicht bereit sind Kompetenzen abzugeben. Wir brauchen eine Europäische Union, die föderal organisiert ist. Das ist die Aufgabe unserer Generation.
Daniel Cohn-Bendit hat „Europäischen Freiwilligendienst für alle Europäer“ gefordert, damit wir mehr voneinander lernen und uns endlich mal besser verstehen. Was halten Sie von der Idee?
Das ist ein sehr guter Vorschlag. Wir reden viel über lebenslanges Lernen. Der Europäische Freiwilligendienst würde Europäern die Möglichkeit einer europäischen Erfahrung bieten, unabhängig vom Alter. Je breiter das Angebot ist, desto mehr Menschen erreicht die Idee. Die Europäische Integration ist eine generationenübergreifende Aufgabe. Klar muss aber sein, dass ein solcher Freiwilligendienst stets freiwillig bleibt.
Europa steht immer öfter vor angeblich existenziellen Problemen – Griechenland, Flüchtlingsströme, Ukraine-Krise … leben wir in dramatischen Zeiten, oder muss man dramatisieren, um Europa „alternativlos“ darzustellen?
Die Europäische Integration ist nicht alternativlos - aber alle Alternativen sind schlechter. In den vergangenen Jahren hat die EU doch gezeigt, dass sie in der Lage ist mit existentiellen Krisen umzugehen. Die EU als ganzes hat teilweise auch schmerzhafte Reformen in Angriff gekommen, um sich selbst zu verbessern. Gleichzeitig sind jedoch strukturelle Probleme deutlich geworden. Deswegen brauchen wir eine offene Debatte und am Ende auch Reformen, um die EU langfristig zu stärken. Unsere Vision für das Europa der Zukunft bleibt der Europäische Bundesstaat.
Natürlich wissen wir, dass Sie einer sehr wirtschafts-orientierten Partei angehören, aber dennoch die Frage: Dreht sich in Europa nicht zu viel um Geld und Ökonomie?
Moment, genauso wie Europa mehr ist als Geld und Ökonomie stehen auch wir Liberalen für mehr. Offene Grenzen, der konsequente Einsatz für Menschenrechte, die Abschaffung der Todesstrafe, Umwelt- und Klimaschutz und vieles mehr sind Anliegen, die Europa und uns Liberale bewegt. Gerade die Flüchtlingskrise oder auch der Konflikt in der Ukraine zeigen doch, wie wichtig es ist, dass Europa – auch über Fragen der Wirtschaft hinaus – gemeinsame Lösungen entwickelt.
Der Europäische Freiwilligendienst und viele andere EU-Programme zeigen, dass vor allem bildungsstarke Schichten daran teilnehmen. Wie können wir die Vorzüge von Europa auch anderen Bevölkerungsschichten nahe bringen?
Tatsächlich wächst die positive Einstellung gegenüber Europa mit zunehmender Bildung, obwohl schon jetzt alle Schichten von Europa profitieren. Um das mehr Menschen deutlich zu machen, brauchen wir mehr Aufklärung über und mehr Herzblut für Europa. Zweifellos muss das mit besserer Bildung einhergehen. Deshalb setzen wir Liberalen uns – ganz unabhängig von den Vorzügen der Europäischen Union – für die Verbesserung von Bildungschancen ein. Beispielsweise fordern wir schon lange, dass es künftig einen einheitlichen Bildungsrahmen auf Bundesebene gibt. Wie wollen wir junge Menschen sonst von einem vereinten Europa überzeugen, wenn ein Schulwechsel schon zwischen Bayern und Berlin scheitert?
Die Nationalstaaten bleiben wichtig auch im Europa der Zukunft. Aber wie können wir wenigstens ein europäisches Bewusstsein schaffen, das mehr Identifikation mit den gemeinsamen Idealen zu festigen.
Schon jetzt ist die Identifikation mit europäischen Idealen, wie beispielweise der Einhaltung von Menschenrechten, offenen Grenzen oder einem gemeinsamen Markt groß. Das sind Erfolge der Europäischen Integration und sollten auch als solche verstanden werden. Hier sind die Politiker der Mitgliedsstaaten verstärkt gefragt. Häufig werden europäische Erfolge, als Nationale verkauft und unbequeme Politiken als Fehler der EU. Das ist unredlich und kurzsichtig. In Krisenzeiten macht es das nämlich schwierig für europäische Lösungen und Ideale zu werben.
Jörg Wild für JUGEND für Europa
Bild: Jörg Wild, Bonn
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