01.04.2016
Europäische Relevanz, stimmige Konzeption, erreichbare Ziele: Die Förderstrategie zu Strategischen Partnerschaften konkretisiert Anforderungen an ein Projekt
Im November 2015 hat JUGEND für Europa eine Förderstrategie zur Leitaktion 2, Strategische Partnerschaften, veröffentlicht. Wie könnte demnach ein idealtypisches Projekt aussehen? Und: Welche Förderchancen hat man als kleine Organisation oder Jugendinitiative in der Leitaktion 2? Mit Ingrid Müller, Programmreferentin bei JUGEND für Europa, haben wir über die Beweggründe für die Entwicklung der Förderstrategie und deren politische Anbindung gesprochen.
JfE: Die Förderstrategie für die Leitaktion 2, Strategische Partnerschaften, die von JUGEND für Europa veröffentlicht wurde, konkretisiert die Anforderungen an ein Projekt, die im Programmleitfaden zu Erasmus+ JUGEND IN AKTION zu finden sind. Was genau beabsichtigt die Nationale Agentur mit dieser Förderstrategie?
Ingrid Müller, JfE: Der Wunsch, eine solche Förderstrategie zu entwerfen, ist bereits zu Anfang des Programms entstanden. Schnell wurde nämlich klar, dass die Beschreibung im Programmhandbuch so breit angelegt ist, dass es vielen schwer fällt, zu verstehen, was damit gemeint ist und welche Möglichkeiten das für den Jugendbereich bietet. Das war im Jugendbereich vielleicht besonders schwierig, weil es bei uns so einen Projekttyp vorher gar nicht gab. Viele der Anträge, die wir bekommen haben, haben nicht dem entsprochen, was damit gemeint war.
Aus dieser Überlegung heraus wollten wir das greifbarer beschreiben. Da spielt der grundlegende politische Hintergrund des Programms, speziell für den Jugendbereich, eine große Rolle. Für das neue Programm ist die politische Anbindung ja sowieso viel wichtiger geworden.
Gibt es von Nationalen Agenturen aus anderen Ländern ähnliche Förderstrategien, gab es vielleicht sogar einen Austausch unter den Nationalen Agenturen dazu?
Es gibt von anderen Nationalen Agenturen noch keine solchen Förderstrategien. Es gibt aber ein großes Interesse daran, das zu diskutieren.
Unter anderem aus diesem Grund haben wir die Strategie ins Englische übersetzen lassen, denn unser Anliegen ist es, uns europäisch zu verständigen. Nur brauchen solche Prozesse immer etwas länger. Darum wollten wir erst einmal eine Grundlage aus unserem Blickwinkel heraus entwickeln, die wir in die europäischen Diskussionsprozesse einspeisen können.
Die Anforderungen an ein Projekt der Strategischen Partnerschaft sind ziemlich hoch – die Projektergebnisse müssen neben den inhaltlichen Qualitäten eine bestimmte Reichweite erzielen und gegebenenfalls übertragbar sein. Wie können sich kleinere Organisationen oder Jugendinitiativen bei der Antragstellung gegen große Organisationen mit mehr Ressourcen durchsetzen?
Die Chancen haben mit der Größe des Projekts nichts zu tun. Bei der Bewertung von Projekten gilt bei uns der Maßstab der Verhältnismäßigkeit. Die Konzeption muss in sich stimmig sein und natürlich erwarten wir von einem kleinen lokalen Träger mit einem lokalen Projekt nicht die gleiche Reichweite wie zum Beispiel bei einem großen europäischen Projekt von einem Bundesverband.
Darum schauen wir immer, wer der Antragsteller ist und welches Potenzial er hat und ob für das, was er voraussichtlich machen will, eine Qualitätsentwicklung nachvollziehbar ist. Je kleiner das Projekt, desto geringer sind dann natürlich die Anforderungen an die Reichweite. Bei einem kleinen Projekt ist es entscheidend, dass auf der Ebene der Organisation und in deren näherem Umfeld Wirkungen erzielt werden.
Wenn ich als Organisation ein Thema ermittelt habe, welches ich in einer Strategischen Partnerschaft gern bearbeiten möchte, und dazu noch geeignete Partner suche, bekomme ich von der Nationalen Agentur oder vom SALTO-Netzwerk Unterstützung, zum Beispiel bei der Einschätzung von möglichen Partnerorganisationen?
Ich glaube nicht, dass man eine Strategische Partnerschaft so entwickeln sollte, dass man sich ein Thema überlegt und sich dann für die Strategische Partnerschaft komplett neue Partner sucht. Das kann nur in seltenen Fällen funktionieren.
Unsere Vorstellung ist, dass Strategische Partnerschaften aus einer bereits existierenden Partnerschaft heraus entstehen sollten, wo sich rauskristallisiert hat, bestimmte Themen noch einmal deutlich vorantreiben zu wollen. Wenn sich neue Partner finden, dann raten wir immer, erst einmal mit einer Fachkräftemaßnahme in Leitaktion 1 zu beginnen, um sich intensiv auszutauschen.
Nun ergibt sich aus der Förderstrategie die Forderung, sowohl europäische als auch nationale Belange inhaltlich in den Projekten zu berücksichtigen. Wie kann dieser Spagat gelingen, zumal die Jugendhilfesysteme in den einzelnen Ländern unterschiedlich organisiert und somit die nationalen Belange vielleicht sehr individuell sind?
Auf diese Frage gibt es natürlich keine einfache, allgemeine Antwort. Von den Themensetzungen her ist es noch relativ unproblematisch, da die benannten Themen grundsätzlich ja eine europäische Relevanz und eine Relevanz in Deutschland und den anderen Ländern haben sollten. Die müssen aber natürlich zugespitzt werden, da sie ja sehr allgemein gehalten sind.
Und genau da fängt es an, schwierig, aber auch interessant zu werden. Man muss schauen, was das für die einzelnen Länder und Kontexte bedeutet und was der jeweilige Bedarf und was die jeweiligen Möglichkeiten sind, die die einzelnen Partner in bestimmten Themenbereichen sehen. Welche Herangehensweisen machen unter welchen Bedingungen Sinn? Sind unsere Ausgangslagen und Strukturen in einer gewissen Weise vergleichbar, dass wir voneinander lernen und miteinander Dinge entwickeln können? Dennoch benötigt man ebenso einen gewissen Grad an Differenz, damit das Voneinanderlernen einen Sinn hat.
Wie könnte denn ein Projekt aussehen, das quasi idealtypisch der Förderstrategie entspricht?
Bei den konkreten Themen der Strategischen Partnerschaften ist es wichtig, dass sie ein europäisches Thema aufgreifen, welches echtes Entwicklungsbedarf bei allen beteiligten Partnern und Ländern hat. Und daneben sollte das Thema natürlich die Programmprioritäten treffen.
Beides wäre zum Beispiel bei den aktuell brennendsten Themen in Europa gegeben: bei der Frage des Umgangs mit den Flüchtlingen sowie bei der Prävention von Radikalisierung – ob islamistischer oder nationalistisch-fremdenfeindlicher.
Wenn man nur einmal auf das Thema Flüchtlinge schaut, wird schnell deutlich, dass hier – für viele Länder übrigens ganz neue – Herausforderungen für die Jugendhilfe entstehen. Dabei kann es um die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge oder um Fragen gehen, wie junge Erwachsene, die zu einem guten Teil funktionale Analphabeten sind, den Sprung in die Berufsbildungssysteme und den Arbeitsmarkt schaffen sollen, in denen ja hohe Bildungsvoraussetzungen gestellt werden.
Da gibt es jede Menge Bedarf, neue Konzepte zu entwickeln und auszuprobieren. Und sicher viele, die ein Interesse an den Ergebnissen hätten, auch wenn sie selbst nicht am Projekt beteiligt sind.
Wer müsste an einem solchen Projekt beteiligt sein, worum könnte es gehen und was dabei herauskommen?
Damit das Ganze funktioniert, müssen die beteiligten Partner die Richtigen sein. Nur so kann das Projekt die gewünschte "systemische Wirkung" erzielen, das heißt, kann es zu einer nachhaltigen Veränderung von Strukturen, Angeboten usw. führen.
Dabei ist für die Wirksamkeit eine hohe fachliche Kompetenz ebenso wichtig wie eine gute Vernetzung im Arbeitsumfeld: Es macht beispielsweise wenig Sinn, wenn ein Ruderverein ein Projekt beantragt, bei dem für viel Geld Konzepte zur Radikalisierungsprävention entwickelt werden sollen. Hier fehlen sowohl die Zugänge zur Zielgruppe als auch die fachlichen Kompetenzen und nicht zuletzt die Kontakte zu wichtigen Stakeholdern.
Vor allem bei größeren Projekten sind städtische und Landesjugendämter bzw. Landes- und Bundesverbände freier Träger der Jugendhilfe ideale Projektträger. In der Regel bringen diese sowohl die fachlichen Voraussetzungen mit als auch die erforderlichen Zugänge zu den Zielgruppen und zu der Praxis wie der Politik. Im Fall von Behörden kommt oft ganz schlicht noch eine formale Zuständigkeit hinzu.
Diesen Trägern fällt es sicher leichter, andere wichtige Beteiligte mit ins Boot zu holen, um daraus bereichsübergreifende Bündnisse zu schmieden. Nicht zuletzt bieten solche Träger bessere Voraussetzungen dafür, Ergebnisse längerfristig umzusetzen und für einen Transfer an andere potentielle Nutzer zu sorgen.
Neue Arbeitsansätze oder Tools gezielt auf der Jahrestagung eines Dachverbands oder eines Landesjugendamts vorzustellen und anschließend mit Interessierten dazu zu arbeiten oder sie mit Politikern und Entscheidungsträgern zu diskutieren, führt vermutlich wesentlich weiter als jede Webseite, deren Inhalte erst gefunden und dann individuell erarbeitet werden müssen.
Gibt es schon Best-Practice-Beispiele?
Im Wortsinne Best Practice-Beispiele, die allen wesentlichen Aspekten der Förderstrategie entsprechen, gibt es noch nicht, aber Projekte, die einzelne Elemente gut aufgreifen und umsetzen. Einige stellen wir in unserer Berichterstattung vor. Vielleicht wird es nie "perfekte" Projekte im Sinne der Strategie geben, aber mehr als bisher ist sicher noch möglich.
(Das Interview führte Babette Pohle im Auftrag von JUGEND für Europa.)
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Dokumente
Weiterführende Informationen
Weitere Informationen zu Strategischen Partnerschaften, darunter den Programmleitfaden sowie zusätzliche Informationen zu bestimmten Aspekten wie der Budgetierung finden Sie auf unserer Programmseite zu Erasmus+ JUGEND IN AKTION.
Kontakt bei JUGEND für Europa
Wir beraten Interessierte und begleiten die Projektträger bei der Umsetzung ihrer Projekte. Hierfür sowie für Nachfragen und weitere Informationen können Sie sich an die zuständigen Programmreferentinnen von JUGEND für Europa wenden. Zum Direktkontakt...
Projektskizzenberatung
Wenn Sie bereits einen Projektentwurf für eine Strategische Partnerschaft erstellt und Fragen zur inhaltlich-qualitativen Ausgestaltung haben, können Sie dafür unsere Projektskizzenberatung nutzen. Sie reichen Ihre Projektskizze auf unseren Formularen ein und erhalten zeitnah einen telefonischen Beratungstermin, bei dem wir Ihnen ein Feedback zu Ihrer Projektidee und Anregungen für deren weitere Entwicklung geben. Zu den Formularen...
Projekte Guter Praxis
Wie haben andere Träger ihre Strategischen Partnerschaften umgesetzt? Ausgewählte Beispiele Guter Praxis finden Sie hier...
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