24.10.2016

“Ein europaweites Grundrecht auf einen Europäischen Freiwilligendienst” - Visionen für die Weiterentwicklung des ehrenamtlichen Engagements für Europa

Zwanzig Jahre Europäischer Freiwilligendienst (EFD) geben 2016 Anlass zurück und nach vorn zu schauen. Auf der EFD-Zukunftskonferenz in Aachen kamen am 20. und 21. Oktober Akteure des EFD aus Deutschland zusammen — die europäische Dimension, das bürgerschaftliche Engagement, Inklusion, Sichtbarkeit und bürokratische Hürden waren ihre Themen.

“Wie sähe der Europäische Freiwilligendienst in zehn Jahren aus, wenn Träger, aktuelle und Ex-Freiwillige sowie Mitarbeiter der Nationalen Agentur und Vertreter der EU-Kommission ihn nach ihren Vorstellungen gestalten könnten?”

Diese Frage war eine derer, mit denen der Moderator der EFD-Zukunftskonferenz das Reflektieren über die vergangenen 20 Jahre EFD und seine Zukunft einleitete. Die Teilnehmenden - eben jene Akteure im EFD - waren aufgefordert, die Errungenschaften der bisherigen Jahre und dessen positive Aspekte zu würdigen, die bestehenden Herausforderungen und Probleme zu identifizieren und auf dieser Grundlage ihre Wunschvorstellung des EFD zu entwickeln.

Inklusion muss weiterhin ganz oben auf der Agenda stehen 

“Eine der wichtigsten Ursprungsideen des EFD aus dem Jahr 1996, den Dienst zur Inklusion aller gesellschaftlichen Gruppen zu nutzen, muss weiterhin ein Schwerpunkt bei der Ausgestaltung des Programms bleiben und noch verstärkt Berücksichtigung finden”, so Silke Dust, Bildungsreferentin an der Jugendakademie Walberberg.

Dafür bedürfe es einer personellen Absicherung dieses Themas in den Nationalen Agenturen, der strukturellen Begleitung der durchführenden Organisationen, einer qualitativen Trägerberatung sowie Lobbyarbeit für das Thema Inklusion in alle Richtungen, so Silke Dust.

Die europäische Dimension ist Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Freiwilligendienste

Die Stärkung der transnationalen, speziell europäischen Dimension dieses Freiwilligendienstes, des Engagements für Europa und des politischen Bewusstseins der Beteiligten ist für Ulrich Beckers - Mitglied der Leitung bei JUGEND für Europa und seit der ersten Stunde mit dem EFD betraut - eine Errungenschaft der letzten 20 Jahre. Sie ist aber noch ausbaufähig.

“Was den EFD gegenüber anderen Freiwilligendiensten auszeichnet, ist - neben dieser Transnationalität - der Versuch, dass alle beteiligten Akteure auf Augenhöhe miteinander kommunizieren. Es geht nicht darum, EFD-Freiwillige als billige Arbeitskräfte einzusetzen. Das aktive Netzwerk - zum Beispiel die EuroPeers - ist ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des EFD. Und natürlich das pädagogische Setting, welches im EFD für die Freiwilligenarbeit etabliert wurde”, erläutert Beckers.

Ansätze und Visionen für die Bewältigung der bestehenden Probleme

Der hohe bürokratische Aufwand von Antragstellung, Durchführung und Abrechnung eines EFD-Projekts, das schlechte Image, welches die EU aktuell auch unter jungen Menschen hat sowie die noch immer recht geringe Sichtbarkeit und gesellschaftliche Anerkennung des EFD im Vergleich zu anderen Freiwilligendiensten: Dies alles sind Faktoren, welche von Praktikern im Europäischen Freiwilligendienst als problematisch benannt wurden.

In lockerer Atmosphäre und “ohne Scheren im Kopf” brainstormten die Teilnehmenden Maßnahmen, wie man den EFD noch besser machen könne: Es sollte beispielsweise keine Antragsdeadlines geben, die Antragsprozedur muss insgesamt kürzer und unkomplizierter gestaltet werden, “der EFD-Antrag per Mausklick” fand bei den Teilnehmenden allgemeine Anerkennung. Fabian Besche, Mitarbeiter beim YES-Forum, hielt ein längerfristiges, strukturelles und flexibles Budget für Trägerorganisationen für sinnvoll, welches diese nach Bedarf und weniger projektgebunden einsetzen könnten. So sei dem hohen bürokratischen Aufwand beizukommen

Mit einem verbesserten Netzwerk von Freiwilligen kann dem schlechten Image der EU begegnet und das freiwillige Engagement von junger Menschen für Europa verstärkt werden. “Ein Bahn-Ticket für EFD-Freiwillige während und nach ihrem Dienst, mit dem sie mobil sein können — das halte ich für eine sinnvolle Idee”, so Felicia Adeyemi, die ihren Dienst in einem Kulturhaus in Dänemark absolviert hat und seit ihrer Rückkehr nach Deutschland den Austausch mit anderen Freiwilligen sucht.

“Außerdem könnten parlamentarische Patenschaften von EU-Abgeordneten für EFD-Freiwillige für eine bessere Anerkennung auf gesellschaftlicher und politischer Ebene sorgen”, so die Teilnehmende weiter. Ein EFD-YouTube-Channel, Jugendbücher und ein European Voluntary Award könnten für die nötige Verbreitung unter möglichst vielen Zielgruppen sorgen, so die sehr unkonventionellen Visionen der Teilnehmenden, ebenso wie ein europäisches Grundrecht auf einen EFD zu jeder Zeit für Jedermann.

Wie setzt man diese Visionen nun um?

Robert France, Referent bei der EU-Kommision und zuständig für den Jugendbereich von Erasmus+, ist bezüglich der Herausforderungen ganz auf der Seite der Teilnehmenden. “Die Profilierung des EFD, der Fokus auf die europäischen Werte und die Inklusion als großes Thema - das ist auch für die EU-Kommission ausschlaggebend. Der EFD sollte an die Bedürfnisse von Organisationen und Freiwilligen angepasst und flexibilisiert werden”, so Robert France. Dennoch: Eine Vereinfachung der Bürokratie dürfe nicht auf Kosten der Qualität erfolgen. “Auch sind den Visionen Grenzen gesetzt, wenn es zur Frage der Finanzierung kommt. Unbegrenzte Geldmittel, zu jeder Zeit für jeden - das ist natürlich nicht möglich.”

Einen ersten Schritt in die Richtung der Realisierung der Visionen ist ein neues Format innerhalb der Förderung von Erasmus+ im Jugendbereich. Das neue Programmhandbuch für 2017 stellt den sogenannten “Strategischen EFD” vor, welcher auf die Flexibilisierung der Umsetzung eines Freiwilligendienstes zielt. Abzuwarten bleibt die Bilanz, die Träger, Freiwillige und andere Beteiligte 2026 mit dem dreißigjährigen Bestehen des EFD ziehen werden. An Engagement für Europa und Freiwilligenarbeit mangelt es ihnen auf jeden Fall nicht.

(Text: Babette Pohle im Auftrag von JUGEND für Europa / Foto: Babette Pohle, Leipzig)

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