13.12.2016
"Lösungen über Grenzen hinweg finden – Vielleicht ist die Jugendarbeit der Politik ein Stück voraus"
Felix Heins (23) hat zuletzt das "Youthful-Europe"-Training in Pristina im Kosovo besucht. Warum solche Trainings notwendig sind, um für ein "besseres Europa" kämpfen zu können, und welche aha-Effekte sie auslösen – darüber sprach er mit JUGEND für Europa.
JfE: Felix, Du bist gerade in den letzten Zügen Deines Bachelor-Studiums für Mechatronik an der TU Braunschweig, nebenbei bist Du als EuroPeer aktiv. Was war Deine Motivation, an dem Training teilzunehmen?
Ganz einfach: Ich wollte lernen. Über die Region und über die Ziele, die sich die Menschen hier setzen. Ich selbst bin in Europa geboren, sogar in der EU. Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht. Vieles, was für mich so selbstverständlich ist, ist es offensichtlich für viele andere Europäer nicht: Brexit, Reaktionen auf Flüchtlinge, der Rechtsruck in der Politik, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Ich bin überzeugt, dass diese Art von Training eine solide Grundlage bildet, um aktiv und strukturiert für ein "besseres Europa" zu kämpfen: in unseren lokalen Umfeldern und Netzwerken.
Wer hat alles teilgenommen?
Die Teilnehmenden waren zwischen 23 und 33 Jahre alt und kamen aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Griechenland, Ungarn, den Niederlanden, dem Kosovo, Polen, Rumänien, Serbien und eben Deutschland. Die meisten engagieren sich freiwillig als Jugendarbeiter. Es war aber auch eine ganze Reihe von Leuten dabei, die hauptberuflich in der Jugendarbeit tätig sind oder ihre eigene Organisation gegründet haben.
Wie ist das Training aufgebaut?
Das Training ist in drei Phasen unterteilt. Alle Teilnehmenden sind über die Online-Plattform Moodle vernetzt und haben für einen Monat wöchentlich Aufgaben bearbeitet und in der Gruppe diskutiert. In einer zweiten Phase waren wir dann gemeinsam in Pristina im Kosovo und haben uns dort intensiv für vier Tage mit dem Thema auseinander gesetzt. Im Anschluss findet eine weitere zweiwöchige Onlinephase statt.
Worum geht es inhaltlich?
Wie der Titel "Youthful Europe" schon andeutet, geht es bei dem Training um die europäische Jugend und die Partizipation in ihren lokalen Umfeldern. Die Teilnehmer arbeiten alle im Bereich Jugendarbeit; als Europäer und Jugendarbeiter teilen sie viele Probleme. Manche haben vielleicht schon Lösungen erarbeitet oder gefunden.
Um dem Ganzen eine Struktur zu geben, haben wir uns mit den Themen Identifikation, Partizipation und Europa näher auseinandergesetzt. Beschrieben und diskutiert wurde die Realität der Jugendlichen in den einzelnen Ländern. Die Bandbreite der Meinungen war genauso groß wie die Anzahl der Teilnehmer.
Gerade zum Ende des Trainings ging es immer mehr darum, aus dem Gelernten neue Methoden für die Arbeit des Einzelnen abzuleiten. Da wurden auch gemeinsame neue Pläne geschmiedet.
Kannst Du Beispiele nennen?
Erst mal war es spannend, sich mit den Kernthemen Identität, Werte und Partizipation in Europa näher auseinanderzusetzen. Da ging es um die eigenen persönlichen Realitäten.
Dann haben wir neue Ansätze erarbeitet, wie Jugendlichen Europa als Chance vermittelt werden kann. Das ist natürlich eine große Herausforderung, weil die Teilnehmer aus so vielen verschiedenen Ländern stammen und das Training so entsprechend komplex wird.
Die persönliche Realität ist immer eine wichtige Referenz und Grundlage für alle Überlegungen.
Was hast Du für Dich persönlich mitgenommen?
Ich persönlich habe unglaublich viel über den Balkan gelernt und durfte über meinen eigenen EU-Tellerrand hinausschauen. Bisher wusste ich ja nur wenig über Jugendarbeit auf dem Balkan. Natürlich habe ich auch vorher schon viele Eindrücke und Erfahrungen gesammelt. Hier aber hatte ich Gelegenheit, alles zu strukturieren und von den anderen Teilnehmenden zu lernen.
Jeder konnte Wissen aus seinem eigenen Land, aus seinem persönlichen Umfeld beisteuern. So sind die Albaner nach den Konflikten in den 90ern regelrechte Experten im Umgang mit Flüchtlingen, der Rumäne weiß, was für Herausforderungen zu lösen sind, wenn man der EU neu beitritt und der Deutsche kann eben auf Dekaden in der EU zurückblicken. Ich habe also viel mehr gelernt, als ich es vorher erwartet hätte.
Gab es aha-Effekte?
Mein ganz persönlicher aha-Effekt war die Erkenntnis, dass alle Teilnehmer von den gleichen angestrebten Werten berichtet und wir trotz unterschiedlicher Umgebungen sehr ähnliche konkrete Probleme zu lösen haben.
In der Politik scheint es einen Trend zu geben, die Vorteile Europas wieder nach Hause in den Nationalstaat zu bringen. Das scheint aber gar nicht notwendig zu sein, wenn letztlich alle Beteiligten die gleichen Ziele haben. Vielleicht ist die Jugendarbeit der Politik dort schon etwas voraus. Wir haben jedenfalls bei unserem Training Lösungen über Grenzen hinweg gefunden. Deshalb fände ich es wichtig, dass solche Fortbildungen noch viel mehr gefördert würden. Eine Identifikation mit Europa ist jedenfalls eine Riesenchance. Mich hat das Training in dieser Ansicht sehr bestärkt.
Wie war die Stimmung?
Die Stimmung war sehr familiär. Alle Teilnehmer waren sehr offen und neugierig. Gerade durch die Onlinephase kannten wir uns schon ein wenig und der Einstieg ging wie von allein. Ein guter Indikator sind immer die Kaffeepausen und die Freizeit. Auch hier waren wir immer in recht großen Gruppen unterwegs, haben die Umgebung erkundet und dann meistens doch wieder über die Themen aus dem Training diskutiert oder gestritten. Das macht natürlich Spaß mit Leuten, die für ihre Sache brennen.
Am letzten Tag haben wir zusammen in einem kosovarischen Restaurant gegessen und bei dem Versuch, zur traditionellen Musik zu tanzen, wurden die Diskussionen dann kurz eingestellt.
Wie geht es für Dich jetzt beruflich weiter?
Ich werde meinen Bachelor abschließen und plane dann wieder nach Griechenland zu gehen, wo ich im Frühjahr bereits vier Monate in der Flüchtlingshilfe aktiv war. Ich bin sicher: Die Ideen für spannende Projekte werden mir nicht ausgehen.
(Marco Heuer für JUGEND für Europa / Foto: Felix Heins)
---
Weiterführende Informationen
Mehr Informationen zur Trainingsreihe "Youthful Europe" finden Sie auf www.youthful-europe.eu.
Das Training in Pristina wurde von SALTO South East Europe organisiert und von der deutschen Nationalagentur JUGEND für Europa ko-finanziert.
Kommentare
Bislang gibt es zu diesem Beitrag noch keine Kommentare.
Kommentar hinzufügen
Wenn Sie sich einloggen, können Sie einen Kommentar verfassen.