03.02.2017

Im Trend: Der Jugendbereich war 2015 in Erasmus+ unübersehbar

EU-Kommission und JUGEND für Europa legen ihre Auswertungen des Jahres 2015 vor – mit Zahlen, dass einem schwindlig werden könnte.

Nach einem holprigen Beginn im Jahr 2014, in dem vor allem die digitale Verwaltung Schwierigkeiten machte, lief es 2015 rund: Erasmus+ hat sich eingegroovt. Die Jahresevaluation der Kommission und die der Nationalen Agentur JUGEND für Europa sprechen eine deutliche Sprache, auch wenn einen die vielen "Facts & Figures" ganz schwindlig machen können. Erasmus+ hat sich im Jugendbereich zu einer nennenswerten Größe entwickelt.

Das liebe Geld

Fangen wir an mit den Finanzmitteln. Für Erasmus+ sind von 2014 bis 2020 14,8 Milliarden Euro vorgesehen. Die Mittel erfahren eine jährliche Steigerung, angefangen mit knapp zwei Milliarden in den Jahren 2014 und 2015 und endend mit geplanten über drei Milliarden Euro im Jahr 2020. Die zwei Milliarden Euro für das Jahr 2015 wurden zu 100% ausgegeben.

Für den Jugendbereich des Programms – JUGEND IN AKTION – gab es 10% der Mittel, also 200 Millionen Euro. 18% davon oder 17.198.091,- Euro wurden von der deutschen Nationalagentur JUGEND für Europa als Fördermittel weitergegeben. 75% des Gesamtvolumens des Programms werden mittlerweile dezentral, also über Nationalagenturen, umgesetzt.

Aber die Programmlogik ist ja etwas anders. Es wird vor allem nach den Leitaktionen unterschieden. Schaut man sich hier die Verteilung an, ging der überwiegende Teil der Gesamtmittel, 57%, an Projekte in der Leitaktion 1. Zu der zählen Jugendbegegnungen, der Europäische Freiwilligendienst sowie Mobilitätsmaßnahmen für Fachkräfte der Jugendarbeit. Für Deutschland hieß das in Zahlen: 13.161.524,- Euro.

19% der Gesamtmittel flossen in die Leitaktion 2, über die die Strategischen Partnerschaften und transnationale Jugendinitiativen gefördert werden. Für Deutschland gab es hier 3.338.942,- Euro, 151.734,- Euro durchschnittlich pro mehrjährigem Partnerschaftsprojekt.

Vier Prozent des Gesamtbudgets erhielt die Leitaktion 3. In die fallen der Strukturierte Dialog sowie Ausschreibungen, die zentral von der Kommission bzw. der EACEA verwaltet werden und die die zivilgesellschaftliche Kooperation im Jugendbereich betreffen.

Die Antragslage

Der Jugendbereich befindet sich im Erasmus+-Programm in einer Schieflage. Man kann auch sagen: Es gibt einen Überhang an Interesse und Aktivitäten im Vergleich zur Höhe und Verteilung der Fördermittel.

So kamen in der Leitaktion 1 im Jahr 2015 15.700 Anträge aus dem Jugendbereich, das waren wesentlich mehr (nämlich 35%) als noch 2014 und 43% aller Anträge im gesamten Programm. Das zeigt, so die EU-Kommission in ihrem Bericht, "das hohe Interesse an nicht formalen Lernaktivitäten im Jugendbereich".

Bewilligt wurden allerdings nur 5.500 Anträge, was einer Förderquote von 35% in der Leitaktion 1 bedeutet. Hier ist es einfach etwas überfüllt. In den anderen Bereichen von Erasmus+ ist das Verhältnis von Bewilligungen zu jeweils eingereichten Anträgen besser, es liegt im Durchschnitt bei 44%.

Ein Trost: In Deutschland sieht es mit den Chancen etwas besser aus. JUGEND für Europa erhielt in der Leitaktion 1 insgesamt 934 Anträge und konnte 587 bewilligen. Das entspricht einer Erfolgsquote von 63%.

Ähnlich sah es in der Leitaktion 2 aus. Der Jugendbereich stellt mit 2.100 von 10.600 Anträgen 20% aller Anträge in diesem Bereich. Leider aber mussten auch hier die Projekte mit Abstand mit der geringsten Förderquote auskommen. Die ist ohnehin nicht hoch. Nur 18% der eingereichten Anträge wurden insgesamt bewilligt, im Jugendbereich lag die Quote nur bei 11%. Für die Umsetzung in Deutschland sah es nicht viel besser aus. Von 101 Anträgen konnten nur 19 gefördert werden.

Zumindest in der Leitaktion 3 (Strukturierter Dialog, Unterstützung politischer Reformen) war das Bewilligungsverhältnis besser. Von 46 in Deutschland eingereichten Anträgen wurden 19 bezuschusst (41%).

Die Nutznießer

Der eigentliche Erfolgsindikator des Programms ist natürlich die Anzahl der beteiligten Akteure. In der Leitaktion 1 beispielweise kamen 56% aller am Programm teilnehmenden Organisationen aus dem Jugendbereich, davon waren 3.137 an Projekten mit deutschen Partnern beteiligt. "Hauptsächlich Graswurzel-Projekte" würden hier gefördert, vermeldet die Kommission. Über die Hälfte (55%) der Antragsteller waren "Newcomer", was die Kommission naturgemäß freut. 15% der Antragsteller sind öffentliche Träger und 6% informelle Jugendgruppen.

Und auch die Teilnehmerzahlen können sich sehen lassen. Nach dem Hochschulprogramm kommen aus dem Jugendbereich die meisten Teilnehmenden, nämlich 150.000 oder 22% aller Teilnehmenden (Gesamt: 678.000) in der Leitaktion 1. Beinahe 10.000 Teilnehmende fallen dabei auf den Europäischen Freiwilligendienst.

"Projekte im Jugendbereich haben ein hohes Potenzial, aktuellen Herausforderungen zu begegnen, wenn es um die Inklusion und Integration von Migranten und Flüchtlingen geht", schreibt die Kommission. 5% der Projekte bezogen in der dritten Antragsrunde im Jahr 2015 geflüchtete Jugendliche ein. Die inklusive Wirkung von Jugendarbeit lässt sich auch an anderen Zahlen ablesen. Insgesamt 36% aller Teilnehmenden an Jugendprojekten in der Leitaktion 1 waren benachteiligt.

In der Leitaktion 2 blieb es eher bescheiden. Der Jugendbereich stellte 2% der Teilnehmenden und 10% der beteiligten Organisationen. In der kleinsten der Leitaktionen, die Aktion 3, wurden insgesamt 269 Projekte des Strukturierten Dialogs mit 62.000 Teilnehmenden gefördert. Hier war die Quote der benachteiligten Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit 31% ebenfalls hoch.

Eine Zahl hat sich 2015 konsolidiert: Ca. 90% aller benachteiligten Teilnehmenden im Programm Erasmus+ insgesamt werden aus dem Jugendbereich gefördert. Hier zu einer größeren Ausgewogenheit zu kommen, bedeutet vor allem für die Bildungs- und Ausbildungsbereiche im Programm eine große Herausforderung.

Die Themen

Und worum ging es in den Projekten? In der Leitaktion 1 waren es die einschlägigen Themen, mit denen sich Begegnungen und Freiwilligendienste beschäftigen:

  • Jugend-Partizipation, Jugendarbeit und Jugendpolitik (17%),
  • Kreativität und Kultur (12%),
  • EU-Bürgerschaft, EU-Bewusstsein und Demokratie (10%),
  • interkulturelle/intergenerative Bildung und Lebenslanges Lernen (7%)
  • sowie Inklusion (7%).

In der Leitaktion 2 interessierten besonders die Förderung von Partizipation und aktiver Bürgerschaft (31%) und die Qualitätsentwicklung von Jugendarbeit (17%).

(Noch) einen Sonderfall stellen die bereichsübergreifenden Projekte dar. Diese müssen mindestens eine horizontale Themen-Priorität ausweisen und mindestens zwei spezifische Prioritäten in zwei unterschiedlichen Feldern. Was sich so kompliziert anhört, ist es wohl auch, die Kommission sieht "Luft nach oben" vor allem in der Definition dessen, was denn ein bereichsübergreifendes Projekt ist.

Die Themen solcher Projekte sind dagegen ziemlich klar favorisiert:

  • 69% beschäftigen sich mit der Qualität von Lehre und Fortbildung/Training,
  • 46% mit dem Thema Inklusion,
  • 37% mit Beschäftigungsfähigkeit und
  • 32% mit neuen Technologien und digitalen Kompetenzen.

Und sonst?

Auch sonst halten die Berichte die ein oder andere interessante Information bereit. So lernt man, dass die "Top-Destinationen" für Lernmobilitäten (Leitaktion 1) Spanien (12%), Deutschland (11%) und Großbritannien (11%) waren.

Die Projektträger aus dem Jugendbereich zieht es in der Leitaktion 1 aber auch deutlich über die EU-Grenzen hinaus. Circa 30% der Mittel gehen in Partnerländer-Aktivitäten. Die deutsche Statistik weist eine überdurchschnittliche Beteiligung von Trägern aus Berlin am Programm nach und eine unterdurchschnittliche solcher aus Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.

Der Youthpass verzeichnete 110.000 ausgegebene Zertifikate im Jahr 2015 und kam damit auf die Rekordhöhe von einer halben Million seit seiner Einführung.

Und dann ist da noch die Sache mit den Wirkungen. Vor allem die Leitaktion 1 trägt zur Entwicklung von Jugendlichen bei, wie der Kommissionsbericht ausweist:

  • 94% der Teilnehmenden haben ihre Schlüsselkompetenzen und Fertigkeiten verbessert,
  • 85% stehen einer europäischen Multikulturalität offen gegenüber,
  • 69% möchten sich mehr in sozialen und politischen Aktivitäten engagieren,
  • 85% wollen in ihrem Umfeld etwas verbessern,
  • 87% fühlen sich verpflichtet, etwas gegen Diskriminierung, Intoleranz, Xenophobie und Rassismus tun,
  • 92% fühlen sich toleranter gegenüber den Werten und dem Verhalten anderer.

(Dr. Helle Becker im Auftrag von JUGEND für Europa)

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Quellen:

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