28.03.2017
"Kritisch, aber konstruktiv": Der DBJR positioniert sich für eine EU-Jugendstrategie nach 2018 und für ein Nachfolgeprogramm zu Erasmus+
Aufbauend auf den Erfahrungen und Erkenntnissen seit 2010 sieht der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) Optimierungsbedarf, unter anderem in der Beziehung zwischen freien Trägern und Nationalen Agenturen.
Mit seinen „Eckpunkten für eine EU-Jugendstrategie nach 2018 und für ein Nachfolgeprogramm von Erasmus+ für junge Menschen nach 2020“ positioniert sich der Deutsche Bundesjugendring klar für eine Ausgestaltung künftiger Jugendpolitik – nicht nur auf europäischer Ebene.
EU-Jugendstrategie
Zunächst lobt das Papier die Einführung einer EU-Jugendstrategie im November 2009. Jugendpolitik sei seitdem, so der DBJR, in den EU-Mitgliedstaaten und in den europäischen Institutionen deutlich sichtbarer geworden. Unterschiedliche jugendpolitische Initiativen und Instrumente seien zu einer Strategie zusammengeführt worden und hätten damit ein deutliches Zeichen für eine intensivere jugendpolitische Zusammenarbeit gesetzt. Der europäische Jugendbericht habe wichtige Erkenntnisse zur Situation der Jugend geliefert. Dennoch fällt die Bilanz nach sechs Jahren „eher verhalten“ aus. Es sei „nicht gelungen, aus einer EU-Jugendstrategie heraus eine strukturelle, ressortübergreifende Stärkung der Jugendpolitik zu erreichen“, lautet das harte Urteil. Entsprechend umfassend listet der DBJR die künftig notwendigen Grundprinzipien auf:
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eine sektortübergreifende Jugendpolitik mit einem ganzheitlichen Ansatz, der Jugendliche nicht nur als gesellschaftliche Risikogruppe und Humankapital für den Arbeitsmarkt betrachtet, sondern ihre Stärken und Interessen vor allem durch die Förderung informeller und non-formaler Lernprozesse unterstützt,
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eine „Jugendpolitik mit Bodenhaftung“, die flexibel genug ist, um sich auf veränderte Lebenswirklichkeiten einstellen zu können,
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eine stärkere Fokussierung und mehr Wirksamkeit, also weniger Themenfelder und eine Konzentration auf Schwerpunkte,
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mehr Beteiligung junger Menschen nicht nur bei der Entwicklung von politischen Prozessen, sondern auch bei deren Umsetzung und Begleitung,
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regionale Anschlussfähigkeit, d.h. eine Verknüpfung der EU-Jugendstrategie mit den jugendpolitischen Zielen der regionalen und lokalen Ebene.
Im Fokus einer künftigen EU-Jugendstrategie müsse der Zugang zur formalen und non-formalen Bildung stehen, dieser sei Grundvoraussetzung für soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit. „Bildung ist auch eine Voraussetzung, dass sich Jugendliche mit ihren Kenntnissen und Fähigkeiten als aktive Bürger_innen engagieren können und die Gefahr von Diskriminierung und Ausgrenzung verringert wird“, heißt es. Dazu zähle auch der Ausbau von Programmen zur politischen Bildung.
Großen Nachbesserungsbedarf sieht der DBJR beim Strukturierten Dialog, dessen nationale Koordinierungsstelle Teil der Werkstatt MitWirkung beim DBJR ist. Er sollte als Instrument zur Beteiligung junger Menschen an der Umsetzung der EU-Jugendstrategie weiterentwickelt werden. Aber „da das Instrument des Strukturierten Dialogs in Bezug auf Jugendbeteiligung Grenzen hat, sollte zudem geprüft werden, für welche Felder der EU-Jugendstrategie verstärkt Co-Management-Mechanismen durch die Einbeziehung von Jugendvertreter_innen zum Einsatz kommen können.“ Das Instrument des Co-Managements wird beim Europarat angewendet, um junge Menschen stärker in Entscheidungsprozesse einzubeziehen.
Nachfolgeprogramm Erasmus+
Auch die Zwischenbilanz von Erasmus+ lässt für den DBJR viele Wünsche offen. Versprechungen wie Entbürokratisierung, Vereinfachung der Antragsverfahren und Aufstockung der Fördersummen hätten sich bisher nicht erfüllt, heißt es. Der Jugendprogrammteil habe deutlich an Sichtbarkeit eingebüßt. Als einen bedeutenden Nachteil des zusammengelegten Programms habe sich der Wegfall eines programmbegleitenden Ausschusses auf europäischer Ebene erwiesen, der jugendspezifische Themen- und Fragenstellungen und Weiterentwicklungsbedarfe bearbeiten kann. Ein solcher Fachausschuss sollte als Unterausschuss in der neuen Förderperiode unbedingt wiedereingerichtet werden. Für ein Nachfolgeprogramm sollten neben einem eigenen Ausschuss bewährte Elemente wie die eigene Bezeichnung und die Budgetlinie für JUGEND IN AKTION, jugendspezifische Programmformate und eine eigene Nationale Agentur in Deutschland erhalten bleiben.
Apropos Nationale Agenturen: Hier gibt es jedoch deutliche Kritik. Diese agierten, so das DBJR-Papier, insbesondere im Jugendbereich zunehmend als politische Akteure und träten damit zu den freien Trägern in Konkurrenz. Er fordert daher europaweit verpflichtende Partizipationsmöglichkeiten für die freien Träger, demokratische Strukturen in den Nationaen Aagenturen, eine Steuerungsfunktion für das Europäische Jugendforum (EYF) auf europäischer Ebene und die Beschränkung der Rolle der staatlichen Nationalagenturen auf eine Mittelverteil-, Beratungs- und Servicefunktion. Als staatliche Akteure sei es nicht ihre Aufgabe, Jugendarbeiter auszubilden und zu vernetzen.
In dem Zusammenhang thematisiert das Papier auch die Rolle der freien und öffentlichen Träger. Diese hätten im laufenden Programm durch private-gewerbliche Anbieter Konkurrenz bekommen, nicht zuletzt dadurch seien die klassischen Träger der Kinder- und Jugendhilfe in einen Wettbewerb und eine „Anbieter-Rolle vordefinierter Leistungen“ gedrängt worden. Prinzipien des SGB VIII würden so relativiert und zunehmend durch Markt- bzw. Wettbewerbsprinzipien ersetzt. Unter der Überschrift „Zurück zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit in der Kinder- und Jugendhilfe“ plädiert der DBJR dafür, die Innovationskraft und Kreativität der freien Trägerstrukturen bei der Weiterentwicklung des sozialen Bereichs anzuerkennen und ihre wichtige Funktion zur Kontrolle staatlicher Einrichtungen zu nutzen.
Das 12-seitige Papier, das unter anderem auch die Themen Validierung und Zertifizierung (hier werden neben Bedenken auch Potentiale genannt und eine eigene Position angekündigt) sowie die Wechselwirkungen zu anderen EU-Programmen (kaum Chancen von Jugendhilfeträgern bei ESF-Programmen) behandelt, bietet eine Menge an kontroversen Themen, die der DBJR kontinuierlich begleiten will.
(Dr. Helle Becker im Auftrag von JUGEND für Europa)
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