29.03.2017
Ein soziales und gerechtes Europa für alle jungen Menschen - Field Visits regen Jugendarbeit an
Noch vor dem offiziellen Beginn des 16. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetages treffen sich auf Einladung von JUGEND für Europa internationale Fachkräfte in Düsseldorf. Auf wie vielen Ebenen internationale Jugendarbeit wirkungsvoll tätig ist, zeigt sich hier.
Das Wortspiel zum Trend der Zeit sei erlaubt: Hier in Düsseldorf pulst Europa. Ein vielfältiges Stimmengewirr erfüllt das Kulturzentrum "Zakk". Fachkräfte der Jugendhilfe aus ganz Europa sind am Vortag der Eröffnung des 16. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetages nach einem internationalen Programm zusammengekommen.
Vor dem Buffet haben sich lange Schlangen gebildet. Der ideale Ort, um Ideen und Erfahrungen, Namen und Visitenkarten, Anregungen und Visionen auszutauschen. Wir haben uns ein wenig unter die internationalen Teilnehmer gemischt. So viel sei vorab verraten: Die Stimmung war prächtig.
Field Visits inspirieren
Olga Pokrovskaya beispielsweise, die 31jährige Russin, die für eine isländische NGO an dem Event teilnimmt, ist noch völlig überwältigt von den ersten Eindrücken. Sie war mehrere Jahre in Russland als Sozialarbeiterin tätig, dann absolvierte sie einige freiwillige Einsätze in verschiedenen europäischen Einrichtungen um ihren Horizont zu erweitern.
Jetzt also Island, wo sie in einem Projekt tätig ist, das junge Menschen vom übermäßigen Alkoholkonsum abhalten soll. "Wir wollen die Leute ‚sober’ bekommen, also nüchtern." Aus Olgas Sicht war der Tag grandios. Vor allem, wie die Bürger in die lokalen Projekte einbezogen werden, findet sie klasse. Das hat sie bei ihrem Besuch in einem Projekt in Düsseldorf erfahren und diese Idee will sie mit in ihre zukünftige Arbeit nehmen. Eine Erkenntnis, die wir noch öfter zu hören bekommen.
Das internationale Programm des Kinder- und Jugendhilfetages begann am Nachmittag. Field Visits brachten die Gäste in verschiedene Projekte der Kinder-und Jugendhilfe in Düsseldorf - so wurde deren Arbeit hautnah erlebbar. Cigdem Ozturk, Gymnasiallehrerin aus der türkischen Kleinstadt Giresun, war in einem Kinderclub zu Besuch, wo Graffiti-Künstler gemeinsam mit Kindern Bilder produzieren.
"So einen spielerischen Zugang zur Kunst würde ich unseren Kindern auch wünschen", schwärmt die Englisch-Lehrerin. „Der ganz persönliche Ausdruck von Gefühlen durch Kunst, das ist für Kinder ganz und gar ungewöhnlich. Das befreit. Das ist Freiheit!“ Cigdem schwärmt und freut sich jetzt schon auf die anderen Projektvorstellungen, die während der nächsten Tage auf sie warten.
Kontakte knüpfen
Da sind Antti Mattila und Hannun Korkonen pragmatischer. Die beiden Mitarbeiter des Sport- und Jugendamtes des südostfinnischen Städtchens Mikkeli haben ganz konkrete Ziele. In ihrer Region – wie übrigens in vielen anderen Gegenden – werden viele Jugendliche immer bewegungsfauler. "Es gibt zwar noch etliche Kids, die spielen und treiben Sport, aber insgesamt geht der Trend hin zu Computerspielen und weg von physischen Aktivitäten. Eine Folge ist z.B. Übergewicht."
"Es fehlt der Drang zur Bewegung, zum Sport", erzählt Antti und stellt gleich die zugehörige Frage, die ihn jetzt nach Düsseldorf treibt: "Können wir mit entsprechender Jugendarbeit im wahrsten Sinne des Wortes mehr bewegen?" Die Antwort liegt auf der Hand: "Klar, es geht immer besser." Und deshalb wollen die beiden Männer gezielt nach Partnern in ganz Europa suchen, um mit ihnen eine Partnerschaft im Europäischen Freiwilligendienst aufzubauen.
Das Projekt des Jugendclubs Z4, das die beiden im Rahmen der Field Visits anschauen durften, hat da viele gute Ansätze. Es kombiniert Sport mit Jugendkulturen, einen Freizeittreff mit der Gelegenheit zum Boxen. "Es gibt bei uns ähnliche Projekte", sagt der Lehrer Hanun Korkonen. "Aber diese Kombination aus Freizeitangeboten, Sport, Videospielen und möglichen Kontakten zu Jugendsozialarbeitern, das war schon sehr beeindruckend."
Der nächste Gesprächspartner ist Merunas Jukonis von der litauischen Distriktverwaltung Birzai. Er ist Koordinator für Jugendangelegenheiten. Dabei kommt er vor allem mit sozial benachteiligten jungen Leuten in Kontakt, die gar keine Chance auf eine Arbeit haben. "Das ist teilweise richtig dramatisch", erklärt der 28-Jährige. "Die Jugendarbeitslosigkeit lag eine Zeitlang bei über 25 Prozent. Diese Zahl sinkt langsam, weil wir viele Projekte über die EU-Jugendgarantie angeschoben haben."
"Aber es könnte noch besser laufen, und dafür suche ich hier gute Anregungen." Dabei helfen ihm vielleicht die Erkenntnisse, die er im Rahmen des Field Visits in einem Arbeitsbeschaffungsprojekt für benachteiligte deutsche Jugendliche gesammelt hat.
"Die vielen Workshops, in die die Jugendlichen rein schnuppern können und die sehr individuelle Betreuung der junge Leute, das war schon beeindruckend", sagt er. "Ich will jetzt in den nächsten Tagen viele Kontakte knüpfen, um noch mehr Anregungen mit nach Hause zu nehmen."
Viel Engagement auf allen Ebenen
An diesem Abend im Düsseldorfer Zakk sind außerdem viele Vertreter von Nicht-Regierungs-Organisationen zu finden und Menschen, die deren Arbeit unterstützen. Da sind zum Beispiel Anastasia Protopsalti und ihr Kollege Babis Papaioannaon vom griechischen Jugendministerium. Sie berichten, wie viel Arbeit fürs Gemeinwohl die griechische NGO-Szene leistet.
Die beiden gehören zu dem Gremium, das erst kürzlich in Thessaloniki das zweite deutsch-griechische Jugendforum organisiert hat. Die NGO-Förderung in Griechenland war wegen der Finanzkrise lange auf Eis gelegt, jetzt nimmt die Arbeit wieder Fahrt auf. "Unsere Nichtregierungsorganisationen haben vielleicht nicht solche professionellen Strukturen wie Eure", gat Babis. "Und auch die staatliche Finanzierung ist noch nicht ganz geklärt – aber dafür arbeiten die Organisationen echt gut und sind sehr aktiv!"
Und so geht das weiter hier im Zakk, der rege Austausch verteilt sich über den ganzen Abend. Man unterhält sich und lacht, diskutiert und erzählt – und vielleicht hat der eine oder andere ja bereits den passenden Projektpartner für zukünftige Kooperationen gefunden.
(Text: Jörg Wild für JUGEND für Europa / Foto: Jörg Heupel)
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