10.08.2017
"Erasmus+ entfaltet somit eine enorme Wirkung im Jugendbereich“
Wie soll es weitergehen mit Erasmus+ JUGEND IN AKTION? JUGEND für Europa fragte Katrin Albsteiger, Mitglied der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Mitglied des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union.
JfE: Frau Albsteiger, wie bewerten Sie die Umsetzung von Erasmus+ JUGEND IN AKTION? Wohin sollte sich Ihrer Meinung nach das Programm entwickeln?
Albsteiger: Innerhalb von Erasmus+ ist JUGEND IN AKTION der Programmteil für alle jungen Menschen im Bereich der nicht formalen und informellen Bildung. Die Wirkungen, die das Programm erzielt, werden ausführlich dokumentiert. Dies geschieht unter anderem durch die Annual Reports der EU-Kommission oder durch die regelmäßig in 15 Ländern durchgeführten Analysen des „RAY“-Netzwerkes. Man kann daher eine Aussage darüber treffen, wie Erasmus+ JUGEND IN AKTION wirkt. Ein Ergebnis der Analyse ist beispielsweise, dass fast alle Teilnehmer ihre Schlüsselkompetenzen und Fertigkeiten verbessern konnten. Dieses Ergebnis unterstreicht sehr stark die Bedeutung von Erasmus+ JUGEND IN AKTION. Es ist ferner eine wichtige Hilfe, um Kompetenzen wie Teamfähigkeit und interkulturelle Kompetenzen zu erwerben. Es ist auch ein Leuchtturmprojekt, weil gemeinsame Werte wie Solidarität, Freiheit und gegenseitiger Respekt in seinem Rahmen gelebt werden. Erasmus+ entfaltet somit eine enorme Wirkung im Jugendbereich, weil das Programm für die aktive Teilnahme junger Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen sorgt. Insgesamt lässt sich sagen, dass das Programm ein Erfolg ist.
Selbstverständlich gibt es aber noch einige Herausforderungen, die uns in den kommenden Jahren beschäftigen werden. So sollten wir die Antragstellung und die notwendigen Verwendungsnachweise vereinfachen. Diese sind bisher – auch nach Ansicht von Experten – zu kompliziert. Des Weiteren sollten wir die nationalen Agenturen stärken, damit sie die steigenden Anforderungen und Belastungen bewältigen können. Eine engere Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Kommission, den Mitgliedsstaaten und den nationalen Agenturen wäre sehr wünschenswert.
JfE: Wie bewerten Sie das neu geplante Europäische Solidaritätskorps?
Albsteiger: Das geplante europäische Solidaritätskorps ist zu begrüßen. Ich unterstütze es ausdrücklich und hoffe, dass wir damit den notwendigen Beitrag leisten können, damit die Europäer ein Gefühl der Zusammengehörigkeit entwickeln. Hieran zeigt sich auch die Bedeutung des Themas „Jugend“ auf europäischer Ebene. Man nimmt sich dieser Thematik nun deutlich intensiver an. Dies ist ein enormer Fortschritt. Ich hoffe und wünsche mir, dass dieser Freiwilligendienst die ihm zustehende mediale Aufmerksamkeit erhält. Anhand dieses Beispiels lässt sich sehr gut zeigen: Die jungen Europäer sind untereinander solidarisch und nicht nur auf ihr eigenes Wohl bedacht.
Allerdings gilt auch eindeutig, dass Parallelstrukturen bei Programmen zu vermeiden sind. Solche Strukturen dienen am Ende niemandem. Deswegen bedarf es einer klaren Abgrenzung. 75% der Gelder für das Solidaritätskorps sollen aus bereits vorhandenen Projekten abgezogen werden. Es wäre schlecht, wenn wir die Qualität des Solidaritätskorps hochfahren und gleichzeitig der Qualität anderer Programme schaden. Das muss unbedingt verhindert werden. Ich möchte für alle Programme eine sehr hohe Qualität.
JfE: Wie kann die Europäische Bürgerschaft junger Menschen am besten gefördert werden?
Albsteiger: Die Europäische Union durchläuft eine durchaus schwierige Phase. Grund dafür sind mehrere aufeinanderfolgende Krisen. So erlebten wir die Staatsschuldenkrise und die Flüchtlingskrise in verhältnismäßig kurzer Zeit. Seit letztem Jahr muss die Europäische Union auch noch den bevorstehenden Austritt des Vereinigten Königreiches als Herausforderung annehmen. Hieraus resultieren eine massive Verunsicherung und auch viele Zweifel am europäischen Projekt. Dies ist keineswegs dienlich für den europäischen Zusammenhalt. Dies strahlte leider auch auf die Ansichten vieler Bürger gegenüber der EU ab. Es muss uns angesichts der vorliegenden Verunsicherung von vielen Menschen gelingen, das Friedens- und Wohlstandsprojekt Europa wieder greifbarer zu machen. Dann können wir eine Schubumkehr einleiten. Nur wenn die Bürger der Mitgliedsstaaten den hohen Wert dieses großen Projektes erkennen, werden sie sich diesem auch wieder stärker zuwenden. In der heutigen Zeit ist dies wichtiger als jemals zuvor. Dazu müssen wir das Rad nicht vollkommen neu erfinden. Vielmehr bedarf es eines klaren Bekenntnisses der nationalen Politiker für die Vorteile, welche die EU uns bringt. Ferner werden wir Erfolge wie Erasmus+ und Horizont 2020 – das größte Forschungsprogramm weltweit mit einem Etat von 80 Milliarden Euro – stärker in den Vordergrund stellen müssen um zu zeigen: Die Europäische Union bringt enorme Vorteile und Chancen mit sich.
JfE: Was werden Sie politisch tun, um mehr benachteiligten Jugendlichen eine Teilnahme an internationalen Maßnahmen zu ermöglichen?
Albsteiger: Bei der Teilnahme von benachteiligten Jugendlichen denke ich zunächst an den Schulbereich. In vielen Gesprächen mit Schulleitern und Lehrern erfahre ich nämlich, dass die Auslandsmobilität im Schulbereich teilweise noch immer problematisch ist. Zusammenfassend aus den vielen Diskussionen, Briefen und Mails lässt sich sagen, dass die Antragsstellung für Förderungen aus dem Bereich von Erasmus+ oftmals einen viel zu großen Aufwand erfordert. Dieser kann dann von kleineren Schulen wegen der geringen Personalressourcen nicht abgedeckt werden. Hilfreich wäre es, wenn Antrags-, Abrechnungs- und Berichtspflichten für schulische Projekte deutlich vereinfacht würden.
Ferner sollten wir die Möglichkeit eröffnen, dass junge Menschen Europa per Interrail-Ticket erkunden können. Dazu würde jedem 18-Jährigen Europäer ein solches Ticket kostenlos von der EU finanziert. Damit können junge Leute für mehrere Wochen mit der Bahn durch Europa reisen. Dies wäre eine großartige Möglichkeit – auch für benachteiligte Jugendliche – den Kontinent zu bereisen.
Das Interview führte Dr.Helle Becker im Auftrag von JUGEND für Europa
Foto: www.kathrin-albsteiger.de/kontakt/
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