21.11.2017

Ein Teil von Europa werden: Jugendarbeit mit Geflüchteten stärken

In „Becoming a part of Europe“ arbeiten neun Nationale Agenturen für Erasmus+ zusammen. Die Programmreferentin Ingrid Müller und der Leiter Strategien und Projekte bei JUGEND für Europa, Manfred von Hebel, skizzieren das Projekt im Gespräch.

Was war der Anlass für das Projekt „Becoming a part of Europe“?

Manfred von Hebel: Anlass des Projektes war die Flüchtlingssituation in den Jahren 2015/2016. Die Kommission war der Überzeugung, dass Erasmus+ JUGEND IN AKTION einen deutlichen Beitrag leisten könnte, um die Jugendarbeit in der Arbeit mit jugendlichen Geflüchteten, Asylbewerberinnen und Asylbewerber und neu angekommenen Migrantinnen zu stärken.

Ingrid Müller: Wir hatten bei JUGEND für Europa schon vorher viele Projekte in der normalen Förderung, die sich thematisch mit der Situation von jungen Geflüchteten auseinandersetzten oder diese in die Projekte einbezogen. Als die Kommission einen Aufruf an das Netzwerk der Nationalen Agenturen im Jugendbereich richtete, der die Einbeziehung Geflüchteter zum Schwerpunkt machte, haben wir reagiert. Die Kommission war der Ansicht, dass es auf der Ebene des Netzwerks eine Expertise gibt, sich mit den Themen Inklusion, Diversität auseinanderzusetzen – benachteiligte Zielgruppen und Migrantinnen und Migranten spielen im Programm schon immer eine große Rolle.

von Hebel: Ein weiterer Hintergrund war die Pariser Erklärung, die schon 2015 dazu beigetragen hat, dass man die Zielgruppe Benachteiligte stärker in den Blick nahm und gleichzeitig das Thema Radikalisierung, Bekämpfung von Extremismus, Förderung von kritischem Denken in den Mittelpunkt stellte.

Was hat das Netzwerk geplant?

Müller: Insgesamt sind dreizehn Agenturen in drei Konsortien aktiv. Die drei Konsortien bearbeiten jeweils unterschiedliche Themen, alle mit dem Schwerpunkt auf die genannte Zielgruppe. Eins von zwei Projekten, die wir als Nationale Agentur in Deutschland mittragen, ist „Becoming a Part of Europe“. Dieses auf drei Jahre angelegte Projekt untersucht die Rolle, die die Kinder- und Jugendhilfe und speziell die Jugendarbeit spielen kann, um junge Geflüchtete zu integrieren. Es geht zunächst um den Austausch und die Analyse guter Praxis. Aus dieser Analyse sollen dann Projektkonzepte, Methoden und Trainings innerhalb des Programms entwickelt werden, die das Thema Migration und Flucht weiterentwickeln. Koordiniert wird das Projekt von der italienischen Agentur.

Welche Nationalagenturen sind an „Becoming a Part of Europe“ beteiligt?

von Hebel: An unserem Projekt sind die Agenturen aus Belgien-Flandern beteiligt, aus den Niederlanden, Schweden, Slowenien, Malta, Italien, Portugal und Frankreich.

Sind in das Projekt auch Fachkräfte aus der Praxis einbezogen?

von Hebel: Ja, natürlich, um die Thematik aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten, werden Expertinnen und Experten, Fachkräfte und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beteiligt sein. In jedem Land gibt es eine nationale Expertengruppe, deren Schwerpunkt jeweils etwas anders liegt. Unser Fokus lag auf der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit, da haben wir in Deutschland ja ein großes Spektrum von Aktiven und Akteuren, die sich im Bereich Migration und Flucht betätigen. Wir haben zum Beispiel eine studentische Initiative aus dem Bonner Raum dabei, aber auch die Jugendmigrationsdienste, die bereits über das Projekt „Jugendmigration plus“ ein Modell entwickelt haben, wie Flüchtlinge besser informiert und beraten werden können.

Welche Rolle spielen die Expertinnen und Experten?

Müller: Gemeinsam mit den Expertinnen und Experten haben wir in diesem Jahr eine Art nationale Bestandsaufnahme guter Praxis vorgenommen und zehn gute Praxisbeispiele aus dem breiten Spektrum von Möglichkeiten ausgewählt. Dabei war das Knowhow der Expertengruppe beeindruckend und hat uns viel geholfen.

Was ist bisher im Projekt geschehen?

Müller: Die Ergebnisse auch der anderen nationalen Agenturen und Expertengruppen wurden zusammengefasst zu einer europäischen Übersicht. Das hat die portugiesische Agentur unternommen. Zusätzlich hat sie vertiefende Experteninterviews geführt. Auf dieser Grundlage haben sie einen Fragebogen entwickelt, der sich an breitere Kreise richtet, um einen weiteren Überblick zu bekommen, was in den beteiligten Ländern im Bereich der Jugendarbeit mit Flüchtlingen passiert. Man kann sich noch bis zum 8. Dezember auf https://pt.surveymonkey.com/r/BpE-Nov2017 an dieser Umfrage beteiligen.

von Hebel: Die bisherigen Ergebnisse und die zusammengetragenen Beispiele guter Praxis wurden in einem nächsten Schritt auf der europäischen Ebene in einer ersten Peer-Learning-Konferenz, die im Oktober in Amsterdam stattfand, diskutiert. Daran nahmen unter anderem die nationalen Expertengruppen teil, Vertreter europäischer Dachverbände der Flüchtlingshilfen, der europäischen Kommission, des europäischen Jugendforums und anderer wichtiger Stakeholder. Dort wurden mehrere Themenbereiche im Rahmen der Integrationsarbeit durch Jugendarbeit oder Jugendhilfe identifiziert, von denen vier in der Folge besonders bearbeitet werden sollen.

Wird es eine Präsentation der Zwischenergebnisse geben?

von Hebel: Die Ergebnisse der Arbeit der nationalen Expertengruppe und der europäischen Runde werden am 23. Januar 2018 im CJD Bad Godesberg in Bonn präsentiert. Zu dieser Konferenz sind alle eingeladen, die das Thema interessiert und die möglicherweise Anregungen aus der europäischen Debatte in ihrer Arbeit umsetzen können. Wir denken da besonders an die Wohlfahrtsverbände, die Jugendsozialarbeit, die Jugendmigrationsdienste und die Jugendarbeit.

Wie geht es dann weiter?

Müller: 2018 wird dann mit mehreren international zusammengesetzten Expertengruppen an den vier Schwerpunktthemen weitergearbeitet. Dazu wird es eine Reihe von virtuellen und realen Treffen der Gruppen geben; wie das ganz genau aussehen soll, steht aber noch nicht fest.

Welche Themenbereiche könnten das sein?

Müller: Es könnte beispielweise um die Partizipation von Geflüchteten gehen, um eine adäquate Gestaltung der Angebote. Das ist aber nur ein Beispiel. In jedem Fall wird es darum gehen, die gewählten Themenbereiche zu vertiefen, sich die dazugehörigen Beispiele anzuschauen, zu analysieren, wo es Entwicklungsbedarfe gibt und daraus Vorschläge für jugendpolitische und fachliche Empfehlungen abzuleiten.

Werden diese das Ergebnis des Projektes „Becoming a part of Europe“ sein?

von Hebel: Nein, denn es wird zunächst eine zweite europäische Peer-Learning-Konferenz im nächsten Jahr geben. Hier wollen wir in einem größeren Setting entwickeln, wie ein europäischer Mehrwert auf der Grundlage dieser Erfahrung aussehen kann: Was fehlt bisher an Unterstützung? Wie kann das Programm dazu beitragen, wie kann eine europäische Zusammenarbeit in Projekten und Einrichtungen dazu beitragen, Träger und Projekte zu unterstützen und zu qualifizieren? Im dritten Jahr, 2019, sollen die konzeptionellen Ideen und Vorschläge dann weiter ausgearbeitet und in einem oder mehreren Modellprojekten umgesetzt werden. Da wir zuständig sind, wird das voraussichtlich in Deutschland stattfinden. Außerdem müssen wir überlegen, was wir für einen nationalen Transfer der gesamten Ergebnisse tun können, denn das Ganze soll ja kein „closed shop“ sein.Auch hier wird man sehen, wie sich das entwickelt. Die Schritte bauen aufeinander auf und viele Dinge präzisieren sich erst im Laufe dieser drei Jahre.

Für wen sind die Ergebnisse wichtig?

Müller: Das Projekt ist ein europäisches Projekt, und es soll das Potential zeigen, dass ein europäisches Peer Learning für die Weiterentwicklung der Jugendarbeit und der Kinder- und Jugendhilfe in Europa hat. Wir machen im Grunde das, was strategische Partnerschaften im Programm machen.

von Hebel: JUGEND für Europa wird die Ergebnisse wahrscheinlich durch eine Veranstaltung verbreiten. Und wir hoffen natürlich auch auf eine Verbreitung durch die beteiligten Verbände. Außerdem nutzen wir die Erkenntnisse für unsere Beratung – so können wir das gesammelte Knowhow weitergeben.

(Das Interview führte Dr. Helle Becker im Auftrag von JUGEND für Europa)

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