20.03.2018

Die Suche nach dem Kompromiss: Mit dem Bericht des EP beginnt der Trilog zum "Europäischen Solidaritätskorps"

Berichterstatterin Helga Trüpel (MEP) hat das Mandat, für das Europäische Parlament in die Verhandlungen mit dem Rat der EU und der EU-Kommission zur Ausgestaltung des ESK zu gehen. In wichtigen Punkten liegen die Ansichten noch weit auseinander, doch die Zeit drängt. Eines ist jetzt schon klar: Der Begriff "Europäische Solidarität" hat viele Facetten.

Das Europäische Parlament (EP) hat am 12.03.2018 den Bericht seines Ausschusses für Kultur und Bildung  (CULT) in erster Lesung und ohne weitere Aussprache in die sogenannten „interinstitutionellen Verhandlungen“ eingebracht. Diese informellen Verhandlungen sind bereits mit der ersten Lesung möglich, um frühzeitig den Weg für ein schnelles Gesetzgebungsverfahren frei zu machen.

Alle Beteiligten, also die EU-Kommission, die Mitgliedsländer der EU (Rat der EU) sowie das Europäische Parlament, bemühen sich nun einen Kompromiss zur Ausgestaltung des ESK zu finden, damit das neue Programm so schnell wie möglich verabschiedet werden und in Kraft treten kann. Frau Trüpel als Berichterstatterin und Mitglied des CULT-Ausschusses wird in den Verhandlungen die Seite des Europäischen Parlaments vertreten.

In den Gesamtbericht, der über 40 Änderungsanträge umfasst, sind Vorstellungen und Wünsche aus sieben Parlamentsausschüssen (u.a. Beschäftigung, Landwirtschaft, Umwelt, regionale Entwicklung) eingeflossen. Die anstehenden Verhandlungen werden dadurch sicherlich nicht einfacher, es zeigt sich an dieser Stelle vor allem, wie unterschiedlich der Begriff "Solidarität" verstanden wird. Auch sind viele Einzelmeinungen von Angeordneten in den Bericht mit eingeflossen.

In einigen wichtigen Punkten liegen die drei Verhandlungspartner noch weit auseinander:

  • Bezeichnung und Schwerpunktsetzung des Programms

Der Vorschlag der EU-Kommission und die Position der Mitgliedsländer präferieren den Namen „Europäisches Solidaritätskorps“. Insbesondere wegen der militärischen Konnotation des Begriffs „Korps“ schlägt das EP die Bezeichnung „Europäischer Solidaritäts- und Freiwilligendienst“ vor.

  • Politische Einordnung des Europäischen Solidaritätskorps

Der Bericht verschiebt an einigen Stellungen die Einordnung des Programms aus dem jugendpolitischen Kontext (Lernmobilität, interkulturelles Lernen, Entwicklung Persönlichkeit) in den engagementpolitischen (Hilfe, praktische Unterstützung).

  • Fördermöglichkeiten für Praktika und Jobs

Nur 5% des Förderbudgets soll dieser Beschäftigungsstrang im Europäischen Solidaritätskorps im Europäischen Parlament ausmachen, so die Berichterstatterin. Der Vorschlag der EU-Kommission sah hier einen 20%igen Anteil am Gesamtbudget vor, die Mitgliedsländer hatten sich dieser Position angeschlossen. An dieser Stelle gab es unterschiedliche Sichtweisen innerhalb des Parlaments. Andere Ausschüsse hatten eine Budgetaufteilung stärker zugunsten des Beschäftigungsstranges gefordert (zwischen 25% und 30%).

Dem entsprechend soll der Kreis der förderberechtigten Organisationen grundsätzlich auf Non-Profit-Einrichtungen beschränkt werden.

  • Das Programmbudget

Deutlicher als Rat und Kommission fordert das EP eine Finanzierung des ESK aus zusätzlichem Geld. So sollen z.B. die Refinanzierungen aus dem Europäischen Sozialfonds, dem Life Programm oder dem Agrarhaushalt gestrichen und durch „frisches Geld“ ersetzt werden. Offensichtlich jedoch sollen - nach Meinung des EPs - auch sämtliche Mittel, die in Erasmus+ JUGEND IN AKTION ursprünglich für den Europäischen Freiwilligendienst vorgesehen waren, in das ESK übertragen werden. Hier schlägt das Parlament keine Änderungen vor und schließt sich damit der Meinung von Rat und Kommission an. Dies widerspricht bisherigen Beschlüssen des EPs und einigen Textpassagen im Bericht selbst, in denen gefordert wird, dass insbesondere Erasmus+ nicht unter der Einführung des neuen Programms leiden soll.

  • Geografische Reichweite

Auch überraschend ist der sich abzeichnende Diskussionsstoff, den der Bericht hinsichtlich der geografischen Reichweite in sich birgt - ohne dass allerdings die Haltung des EPs an dieser Stelle eindeutig zu sein scheint. Im Gegensatz zur Position des Rates beschränkt sich die Haltung des Parlaments darauf, eine Beteiligung aller bisher am Europäischen Freiwilligendienst beteiligten Länder als Programmländer erst bis Ende 2020 einzufordern, aber ein Agieren in Drittländern von Beginn an möglich sein soll. Auch wird keine Übertragung der Mittel aus Erasmus+ für Freiwilligenaktivitäten in Partnerländern gefordert, so wie dies der Rat tut. Diese Haltung des EPs ist überraschend, würde sie doch zu erheblichen Komplikationen für Antragsteller und erheblichen Nachteilen für die bisher am Europäischen Freiwilligendienst beteiligten EFTA, Beitritts- und Partnerländer führen.

  • Inklusion

Der Trüpel-Bericht legt sehr viel mehr Wert darauf, das ESK als ein Programm für mehr Inklusion und Diversität zu formen als es der Vorschlag der EU-Kommission tut. Eine Forderung dazu lautet, den Zugang zum ESK für junge Menschen nicht ausschließlich über das existierende Online-Portal zu gewährleisten, sondern Alternativen zu ermöglichen, die insbesondere den unterstützenden Organisationen eine wichtige Rolle übertragen. Der Bericht fordert zudem konkrete Maßnahmen und Finanzierungen ein.

  • Youthpass

Wie im bisherigen Europäischen Freiwilligendienst soll Youthpass zur Anerkennung der im Rahmen des Solidaritätsprojekts erworbenen Fähigkeiten und Kompetenzen beitragen. Der Vorschlag der Kommission sprach zwar von einem Zertifikat, ohne jedoch auf den Youthpass einzugehen.

Die informellen Verhandlungen sollen am 12. April 2018 beginnen.

Den Bericht des Europäischen Parlaments finden Sie in englischer Sprache hier.

(JUGEND für Europa)

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