17.07.2018

Diversitätsbewusstsein: Auf die eigene Haltung kommt es an

Lächelndes Gesicht auf Stein gemalt

Was bedeutet Diversitätsbewusstsein? Und wie sieht eigentlich Diversitätsmanagement in der Jugendarbeit aus? Mit diesen und weiteren Fragen haben sich 22 Teilnehmende aus neun Ländern bei einem Training in Bonn beschäftigt, das vom "Salto-Youth Inclusion and Diversity Resource Centre" veranstaltet wurde. Das Training baut auf der "Nationalen Inklusions- und Diversitätsstrategie" auf, die JUGEND für Europa im März veröffentlicht hatte.

Ein Problem, das immer wieder in deutschen Jugendzentren auftaucht: Pädagogen, die nicht hinreichend geschult sind und sich überfordert fühlen mit der Vielfalt der Herkunft und Nationalitäten in den Jugendeinrichtungen. Exemplarisch zeigt sich dies auch im Umgang mit Jugendlichen mit Fluchtgeschichten. "Ich bin ein Geflüchteter", ist dann immer wieder zu hören, "doch die Identität eines Menschen bestehe aus deutlich mehr Facetten", sagt Julia Motta, die das Training zusammen mit ihrer britischen Kollegen Sue Dudill leitet.

Dabei gehe es darum, Diversität sichtbar zu machen und zum Perspektivwechsel anzuregen, erklärt Motta. Und so wird während des Trainings viel über das so genannte Markieren von vermeintlichen Gruppen gesprochen, denn die Arbeit und Realität in den Jugendzentren hat sich deutlich verändert und dies nicht erst  durch den Umgang mit geflüchteten Jugendlichen.

Was bedeuten Begriffe wie Diversität, Integration, Segregation oder Exklusion?

Die Teilnehmenden, die sowohl Fachkräfte aus Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, als auch Trainer, Lehrer oder Mitarbeiter in Jugendzentren sind, sind vor allem dankbar für methodisches Know-How. Und immer wieder wird intensiv diskutiert. Denn über die Landesgrenzen hinweg ist keineswegs immer so klar, was mit Begriffen, wie Diversität, Integration, Segregation oder Exklusion im Detail gemeint ist.

"Die meisten von uns haben Vorurteile zu Nationalitäten. Aus welchem Land kommst du, ist meist immer die erste Frage und nach der Antwort besteht stets die Gefahr, das die ewig-gleiche Assoziationskette in Gang kommt", warnt Motta. Sie ermutigt die Teilnehmenden, sich mehr auf eine Haltung zu konzentrieren, die auf Augenhöhe setzt und immer wieder die Frage zu reflektieren: Wie schaue ich eigentlich auf andere Menschen?

Und Motta ist konsequent. Länderabende bei Veranstaltungen lehnt sie inzwischen ab, sie will einfach nicht mehr so ein "Folklore-Ding". "Wenn ich einen Spanien-Abend mache, gibt es vielleicht einzelne, die sich möglicherweise gar nicht als Spanier im eigentlichen Sinne identifizieren. Das ist dann problematisch."

Machtungleichgewichte ergründen

Fünf Tage haben sich die Teilnehmenden intensiv mit allen Aspekten von Diversität beschäftigt. Die Neugier ist groß, ebenso das Interesse und der Wunsch, das Gelernte in der Praxis anzuwenden oder auf Machbarkeit zu überprüfen.

Theoretischen Input gibt es von Prof. Dr. Birgit Jagusch von der Technischen Hochschule Köln. Sie war im Januar für das Lehrgebiet Soziale Arbeit und Diversität an die Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften berufen worden. Jagusch unterscheidet "Diversity Management" von "Diversity oriented social work" (DISO) und macht deutlich, dass in der non-formalen Bildung und im Non-Profit-Bereich eher mit letzterem gearbeitet wird.

Während das "Diversity Management" nämlich aus der Wirtschaft komme und mit dem Ziel der Gewinnmaximierung und Erschließung neuer Kundenkreise verstanden werden könne, habe DISO seinen Ursprung eher bei Bürgerrechtsbewegungen und Empowerment-Konzepten. Und dort würde es sehr viel, so Jagusch, um Machtbeziehungen, Machtungleichgewichte sowie Unterdrückung und Diskriminierung gehen.

Unterschiede wahrnehmen

Nähert man sich der Frage, was Diversitätsbewusstsein denn nun genau bedeutet, könnte eine (gekürzte) Definition von Anne-Sophie Winkelmann aus "More than Culture" weiterhelfen. Danach ermöglicht diversitätsbewusste Bildungsarbeit "Lernprozesse über die Themen Differenzierung, Macht, Vorurteile und Diskriminierung mit Blick auf unterschiedlichste relevante Kategorien und „Schubladen" (wie zum Beispiel nationale Herkunft, soziale Herkunft, Familie, Gender, Fähigkeiten). Es wird die Vorstellung (und Herstellung) von eindeutigen Differenzen zwischen Gruppen kritisiert.

Es ist, so sagt es Julia Motta, "also mehr als das Bewusstsein für Vielfalt, sondern schließt die Auseinandersetzung mit Machtungleichheiten zwischen Menschen aufgrund ihrer unterschiedlichen Arbeitsbedingungen mit ein."

Formate weiterentwickeln         

Mireille Gras, Programmreferentin bei JUGEND für Europa, hat angekündigt, dass weitere Trainings zur Umsetzung der Inklusions-und Diversitätsstrategie angeboten werden. "Ich könnte mir vorstellen, das Format noch stärker auf junge Menschen mit geringeren Chancen auszurichten, also die Methoden so anzupassen, dass sie leicht für benachteiligte Zielgruppen verwendet werden können", so Gras.

Wie sehr der gegenseitige Austausch bei Veranstaltungen zur Diversität gefragt ist, hat das Training deutlich gezeigt. Neben der Bereitschaft sich immer wieder auf neue Methoden einzulassen, bestand unter den Teilnehmenden ein großes Bedürfnis, mehr über die Umsetzungsmöglichkeiten in den anderen Ländern zu erfahren und Diversität in all seinen Verästelungen zu diskutieren. Auch wenn naturgemäß nicht alle Fragen beantwortet werden konnten.

(Marco Heuer im Auftrag von JUGEND für Europa)

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Weiterführende Informationen

Link: Aktuelle europäische Trainingsangebote zum Thema finden Sie hier...

Download: Inclusion First. Nationale Inklusions- und Diversitätsstrategie (PDF-Dokument, 270 Kb)

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