07.10.2019

Die Wirkungen des eigenen Handelns spüren

Gruppendiskussion auf dem Berliner Jugendforum 19 (Foto: Babette Pohle)

Warum brauchen wir Jugendbeteiligung? Wie gestaltet sie sich auf lokaler und europäischer Ebene? Was braucht es für gelungene Jugendbeteiligung? Diese Fragen diskutierten die Teilnehmenden des Berliner jugendFORUMS am 30. September 2019 im JugendKulturZentrum Pumpe. Die Veranstaltung wurde unter anderem gefördert über Erasmus+ JUGEND IN AKTION im Rahmen der Leitaktion 3 – EU-Jugenddialog.

"Jugendliche müssen größere Hürden überwinden, wenn sie sich an politischen Entscheidungen beteiligen wollen", erklärt Marius Schlageter, von 2017 bis 2019 EU-Jugendvertreter beim EU-Jugenddialog (vormals Strukturierter Dialog) und jetzt Diskussionsteilnehmer auf dem Berliner jugendFORUM 19 beim Slot #YouthForEurope. "Wenn sie noch nicht 18 Jahre alt sind, können Jugendliche nicht mit abstimmen. Auch sind sie meist finanziell benachteiligt und damit tendenziell eher von gesellschaftlicher und so auch politischer Teilhabe ausgeschlossen", so Schlageter weiter.

Manchmal sind Jugendliche ratlos und wissen nicht, an welchen Stellen sie sich für welche Themen einsetzen können. Elisabeth besucht die 12. Klasse an einem Gymnasium in Berlin-Charlottenburg und erzählt bei #YouthForEurope, dass sie keine Erfahrung und keine Kenntnis von Jugendbeteiligung auf EU-Ebene habe.

Darum fordert sie: "Jugendliche sollten von früh auf und flächendeckend an die Hand genommen werden, was politische Beteiligung und Mitbestimmung betrifft. So sind sie dann nicht überfordert, wenn sie mal zu etwas befragt werden. Und das nicht nur in Gymnasien und in Leistungskursen". Ab 16 wählen zu dürfen, hält sie unbedingt für sinnvoll.

Miriam, eine weitere Diskussionsteilnehmerin, betont, dass Jugendliche die Garantie bräuchten, dass ihre Stimmen auch etwas wert seien. "Man hat bisher manchmal das Gefühl, dass die Meinung der Jugendlichen abgefragt wird, dass sie am Ende aber keine Rolle mehr spielt. Wir wollen die Ergebnisse unserer Mitbestimmung auch sehen, sonst schwindet unsere Lust, uns zu beteiligen."

Was macht echte und gelungene Jugendbeteiligung aus?

Darum wollen die Diskussionsteilnehmenden von #YouthForEurope klären, wodurch sich echte Beteiligung – auf lokaler wie europäischer Ebene – auszeichnet. Die Staatssekretärin für Jugend Sigrid Klebba (SPD) schlägt vor: "Jugendbeteiligung sollte kein Selbstzweck sein, sondern sie ergibt sich aus den Bedürfnissen der Jugendlichen." Wichtig seien außerdem Follow-Ups und die Klärung der Frage, wie die Themen der Jugendlichen wiederum Eingang in die Schulen und den Unterricht finden.

"Außerdem muss Jugendbeteiligung strukturell verankert werden – sie darf nicht singulär bleiben und muss transparent sein, denn Ergebnisse verschwinden manchmal", ergänzt Marius Schlageter. Dazu gehöre unter anderem eine ausreichende Finanzierung für Instrumente und Initiativen, die Jugendbeteiligung ermöglichen.

Und wie erreicht man eigentlich mit Beteiligungsinstrumenten und Angebot die Jugendlichen? "Nach wie vor besteht die Schwierigkeit darin, an Jugendliche heranzukommen, um sie zu beteiligen", so Rebekka Ostrop, Vorsitzende des Europäischen Jugendparlaments in Deutschland. "Schulen als Anlaufstellen sind wichtig, aber es sollte klar sein, dass außerschulische Initiativen genauso wichtig sind und dafür müssen Mittel frei gemacht werden", so Ostrop weiter. "Unser Ansatz für echte Jugendbeteiligung besteht darin, dass die Jugendlichen einerseits selbst die Vielfalt und Möglichkeiten der EU erleben – zum Beispiel bei Besuchen des EU-Parlaments oder internationalen Begegnungen. Außerdem befähigen wie sie dazu, sich eine Meinung zu bilden und Strukturen zu verstehen. Wir ermutigen sie, sich ehrenamtlich zu engagieren. Sobald die Jugendlichen eine Wirkung ihres eigenen Handelns spüren, wächst auch ihre Lust, sich zu beteiligen."

Jugendbeteiligung europäisch

Neben dem Europäischen Jugendparlament kommen noch zwei weitere Instrumente der Jugendbeteiligung auf europäischer Ebene zur Sprache. "Es gibt ein Jugendbeteiligungsinstrument des Europarates mit Sitzen in Straßburg und Budapest", so Andreas Karsten, Journalist und Wissenschaftler mit den Schwerpunkten Menschenrechte  und Jugendbeteiligung. "Dieses Beteiligungsinstrument wird gemanaged von Jugendlichen und Erwachsenen zu gleichen Teilen – fifty-fifty. Die Erwachsenen dort können keine Entscheidungen ohne die Jugendlichen treffen."

Ein anderes Instrument der EU-Jugendbeteiligung ist der EU-Jugenddialog, ehemals Strukturierter Dialog. In Vorbereitung der aktuellen EU-Jugendstrategie und damit auch des Jugenddialogs haben Jugendliche in ganz Europa elf "Youth Goals" zu Themen entwickelt, die ihnen wichtig sind – u.a. Europapolitik, Bildung und Arbeit, Gesundheit, Klimaschutz, Inklusion oder auch Gleichbehandling der Geschlechter.

Diese Jugendziele werden nun von Regierungen als Inspiration und Grundlage genutzt, um die nationalen Agenden in der Jugendpolitik voranzubringen. Andreas Karsten findet das absolut wegweisend und hält das für ein gelungenes Beispiel von Jugendbeteiligung und den Transfer der Ergebnisse von der lokalen zur europäischen und zurück zur nationalen Ebene.

"Es gibt nicht DIE ideale Jugendbeteiligung"

Auf lokaler, Berliner Ebene wurde im Sommer 2019 das neue Jugendförder- und Beteiligungsgesetz beschlossen, welches 2020 in Kraft tritt. Die Senatorin für Bildung, Jugend und Familie Sabine Scheeres (SPD) erläutert auf dem 19. Berliner jugendFORUM die Wichtigkeit des Schwerpunktes Beteiligung: "Die Bedürfnisse und Themen der Jugendlichen verändern sich ständig. Zu meiner Zeit sind wir für eine friedliche Außenpolitik auf die Straße gegangen, heute ist es das Klima, das die Jugendlichen umtreibt.  Daher müssen die Themen von den Jugendlichen selbst bestimmt werden können, je nach Zeit und Bedürfnis", so Scheeres zu ihren Beweggründen für das Beteiligungsgesetz.

Das Gesetz schreibt die Beteiligung von Jugendlichen in Fragen der Jugendhilfeplanung verbindlich fest und ist damit bisher einzigartig in Deutschland. Wie diese Beteiligung in den einzelnen Bezirken aussieht, ist noch offen. Katrin Seidel von der LINKEN plädiert dafür, dass man sich nicht auf eine immer gleiche Form der Beteiligung festlegen solle: "Es gibt nicht DIE ideale Jugendbeteiligung. Für manche funktioniert der Schülerausschuss, an anderen Schulen gibt es keine Schülervertretung, da sind außerschulische Angebote gefragt. Wir müssen dafür sorgen, dass die einzelnen Ideen und Ansätze umgesetzt werden können, ohne eine bestimmte Form überzustülpen", so Seidel.

(Text: Babette Pohle im Auftrag von JUGEND für Europa / Foto: Babette Pohle)

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Weiterführende Informationen

Das Berliner jugendFORUM 19 wurde organisiert von der Stiftung wannseeFORUM. Es wurde finanziert von der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, dem Jugenddemokratiefonds Berlin, der Berliner Landeszentrale für Politische Bildung sowie Erasmus+ JUGEND IN AKTION.

Link: Hier gelangen Sie zur Veranstaltungsseite des Berliner jugendFORUM
Link: Alle Förderinformationen zur Leitaktion 3 - Projekte des EU-Jugenddialogs finden Sie auf unserer Programmseite zu Erasmus+ JUGEND IN AKTION.
Download: Überblick über die elf EU-Jugendziele (PDF-Dokument, 750 Kb)

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