24.01.2020
"Die Idee muss schlüssig sein"
Andrea ElmerWie werden Jugendbegegnungen Schritt für Schritt gestaltet? Tipps und Tricks dazu geben Andrea Elmer und Sophie Hammer von den Nationalen Agenturen für Erasmus+ JUGEND IN AKTION in Liechtenstein und Österreich. Beide haben das Einsteigertraining "Jugendbegegnungen+" der deutschsprachigen Nationalen Agenturen für Erasmus+ JUGEND IN AKTION in Malbun/Liechtenstein mit begleitet.
JfE: Worauf kommt es bei der Planung einer guten Jugendbegegnung an?
Andrea Elmer: Eine Jugendbegegnung sollte an die Bedürfnisse und Wünsche der Zielgruppe angepasst sein. Die Jugendlichen können bereits zu Beginn in die Planung miteinbezogen werden. Wichtig ist, dass die Antragssteller*innen sich Gedanken über die Rahmenbedingungen (Ort, Zeitpunkt, etc.), Thema und Inhalt, Zielgruppe, Zielsetzung und Verbreitung der Ergebnisse machen. Ein zweiter wichtiger Punkt für eine erfolgreiche Umsetzung sind verlässliche Partner*innen.
Sophie Hammer: Auch mir ist wichtig, dass alle Partner* bereits in den Planungsprozess eingebunden sind. Zudem sollten junge Menschen (im besten Fall schon Teilnehmer*innen) in alle Projektphasen inkludiert werden, so auch in den Planungsprozess.
Es kann zum Beispiel Förderung für einen vorbereitenden Planungsbesuch beantragt werden, damit sich die Gruppenleiter*innen kennenlernen, alle den Ort der Jugendbegegnung vorab besuchen und die wichtigsten Dinge besprochen werden können.
Idealerweise kommt aus jeder nationalen Gruppe bereits ein*e Jugendliche*r zum Planungsbesuch mit. Sie sind nämlich meistens am nächsten an der Zielgruppe dran und kennen die Bedürfnisse und Herausforderungen am besten. Darüber hinaus ist es wichtig, ein Kommunikationsmittel zu finden, welches für alle beteiligten Personen gut passt.
Welche Fehler werden denn immer wieder gemacht?
Andrea Elmer: Manchmal versuchen Antragsteller*innen, zu viele Prioritäten abzudecken und zu viele Themen in einen Antrag hineinzupacken. Wir sagen deshalb oft "weniger ist mehr". Es ist wichtiger, sich auf ein Thema / Ziel zu konzentrieren und die Umsetzung detailliert zu beschreiben. Auf Grund der Überschaubarkeit Liechtensteins sind wir in engem Kontakt mit den Projektträgern und bieten persönlich Projektberatungen an. Daher können solche Fehler meist bereits vor der Antragstellung besprochen und Empfehlungen von unserer Seite abgegeben werden. Besonders neuen Antragstellern empfehlen wir, für ein Beratungsgespräch bei uns vorbeizukommen.
Ein formaler Fehler, der leicht passieren kann, ist die Änderung des Budgets, wenn Partner aussteigen oder weniger Teilnehmende gefunden wurden. Da die EU die Kosten einer Jugendbegegnung mit Pauschalen abrechnet, bekommt man das Geld nur für die tatsächliche Dauer und die genaue Anzahl der Personen.
Sophie Hammer: Es passiert immer wieder, dass die Anträge recht oberflächlich und unpräzise ausgefüllt werden. Für die Evaluator*innen ist es dann schwer, eine Vorstellung zu bekommen, was tatsächlich bei dem Projekt umgesetzt werden soll. Am besten beschreibt man seine Vorhaben im Antrag so, als würde man es einer Person erzählen, die das Projekt noch nicht kennt. Man kann den Antrag auf jeden Fall in eigenen Worten formulieren und muss nicht darauf achten, eine besonders hochgestochene Sprache zu verwenden. Am wichtigsten ist es, dass die Idee transportiert wird.
Zudem passiert es bei der Antragstellung immer wieder, dass nicht genau auf die gestellten Fragen eingegangen wird. In solchen Anträgen werden dann oft dieselben Informationen bei unterschiedlichen Fragen genannt. Auch hier gilt: weniger ist mehr. Lieber knappere Antworten auf die Fragen geben und dafür nur auf das Gefragte eingehen. Informationen, die für die Nationale Agentur relevant sind, werden ohnehin an anderen Stellen abgefragt.
Welche Rolle spielen bei der Planung das non-formale Lernen und der partizipative Angang?
Andrea Elmer: Da hole ich mal etwas weiter aus. Der Jugendbereich im Programm Erasmus+ zeichnet sich ja dadurch aus, dass er für jede/n zugänglich ist. Es werden keine abgeschlossenen Ausbildungen oder Kenntnisse benötigt und das Lernen erfolgt immer non-formal. Die Jugendlichen sollen sich ausprobieren, eigene Ideen einbringen und ihre Kompetenzen erweitern. Die Begleitpersonen bieten die Rahmenbedingungen für diesen non-formalen Lernprozess. Ganz wichtig ist auch der informelle Austausch nach den Programmpunkten, denn dort erfolgen oft die größten Lernfortschritte.
Konkret heißt das: Die Partizipation von Jugendlichen spielt in Jugendbegegnungen eine wesentliche Rolle. Die Teilnehmenden sollten in allen Phasen des Projektes (Themenfindung, Vorbereitung, Umsetzung, Nachbereitung und / oder Folgemaßnahmen) beteiligt sein. Wenn Jugendliche bereits zu Beginn in das Projekt involviert sind, können sie sich damit identifizieren und bleiben motiviert. Auch beim Vorbereitungsbesuch, bei denen sich die Gruppenleiter zur Planung treffen, kann pro Gruppe ein/e Jugendliche/r teilnehmen und die Meinung der Altersgruppe einbringen und vertreten.
Und auch ganz wichtig: Bei der Beteiligung von Jugendlichen liegt der Fokus viel mehr auf dem Prozess an sich als auf den Ergebnissen. Es ist wichtig und nicht ganz einfach, dass die Begleitung eine gute Mischung aus klarer Struktur und trotzdem genügend Freiraum findet. Die Begleitpersonen sollten durch die partizipative Beteiligung der Jugendlichen nämlich nicht den Überblick verlieren. Die Herausforderung ist also, den Jugendlichen die richtige Unterstützung im richtigen Moment zu bieten.
Sophie Hammer: Erasmus+ JUGEND IN AKTION ist ja ein EU-Förderprogramm für außerschulische Jugendarbeit. Das Programm dreht sich um non-formales Lernen. Deshalb ist es essentiell, bei Jugendbegegnungen Methoden des non-formalen Lernens anzuwenden. Diese zeichnen sich zum Beispiel dadurch aus, dass sie partizipativ und interaktiv sind und die Lernenden ins Zentrum stellen, also an ihren Bedürfnissen orientiert sind. Außerdem passiert diese Art des Lernens auf freiwilliger Basis.
Bei der Planung des Programms ist es zielführend, die Expertise der Partnerorganisationen zu nutzen. Oft arbeiten Partnerorganisationen mit unterschiedlichen Methoden oder Ansätzen, und so können auch die beteiligten Organisationen voneinander lernen und profitieren. Für jede Jugendbegegnung muss ein unterschiedlicher Methodenmix gefunden werden, welcher auf die Zielgruppe und das Thema zugeschnitten ist.
Wie findet man für eine Jugendbegegnung ein gutes Thema?
Andrea Elmer: Themen für Jugendbegegnungen sind sehr vielfältig. Eigentlich kann zu fast jedem Thema ein Jugendaustausch organisiert werden. Wichtig dabei ist, dass das Thema die Jugendlichen in dem Land beschäftigt und ein Bedürfnis vorhanden ist. Es sollte bereits zu Beginn definiert werden, was das Ergebnis der Jugendbegegnung sein soll und welche Ziele es zu erreichen gilt.
Sophie Hammer: Das Thema einer Jugendbegegnung soll gesellschaftliche Relevanz haben, also auch Personen außerhalb des Teilnehmer*innenkreises betreffen. Die vom Programm Erasmus+ JUGEND IN AKTION geförderten Jugendbegegnungen sollen den interkulturellen- und interreligiösen Dialog fördern, gemeinsame Werte wie Freiheit, Toleranz und Achtung vor Menschenrechten entwickeln und Medienkompetenz, kritisches Denken und den unternehmerischen Sinn junger Menschen fördern. Spezifisch sollte man sich mit einem Thema befassen, welches für die Zielgruppe relevant ist. Es ist also wichtig, im Antrag zu argumentieren und darzulegen, wieso der Bedarf zur Auseinandersetzung mit einem Thema für die bestimmte Zielgruppe besteht.
Das Programm hat ja auch eigene Prioritäten und Ziele, die, wie schon erwähnt, nicht alle gleichzeitig umgesetzt werden können. Man sollte im Projektantrag aber darstellen, an welche dieser Ziele ein Projekt ggf. anknüpft,
Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit bei einer Jugendbegegnung?
Andrea Elmer: Das Thema Nachhaltigkeit wird auch in den EU-Programmen immer wichtiger. In Liechtenstein haben wir in den letzten zehn Jahren eine deutliche Veränderung und ein stärkeres Bewusstsein für diese Thematik gespürt. Sehr viele Teilnehmende essen vegetarisch oder vegan und die meisten entscheiden sich bei der Planung der Reise für eine möglichst nachhaltige Variante. Die Anreise mit Autos wird bei uns zum Beispiel nur in Sonderfällen und in Rücksprache mit der Nationalagentur bewilligt.
Sophie Hammer: Sehr viele eingereichte Projekte, die sich mit ökologischer Nachhaltigkeit befassen, spiegeln derzeit die Aktualität und Relevanz dieses Themas für junge Menschen wider. Nachhaltigkeit kann sich aber nicht nur thematisch, sondern auch in der praktischen Umsetzung einer Jugendbegegnung wiederfinden. Deshalb hat die österreichische Nationalagentur ein Infoblatt zu "Tipps und Tricks für grüne Jugendbegegnungen" erstellt (zu finden auf unserer Website unter http://www.jugendinaktion.at/images/doku/tipps&tricks_fuer_gruene_jugendbegegnungen.pdf).
Welche Tipps gibt es für nachhaltiges Reisen?
Andrea Elmer: Grundsätzlich empfehlen wir, aus ökologischen Gründen den Zug zu benutzen. Dies ist jedoch nicht immer möglich, da die Distanzen manchmal sehr weit sind und nur ein Tag vor und ein Tag nach der Begegnung als Reisetage zählen.
Sophie Hammer: Innerhalb des Programms Erasmus+ JUGEND IN AKTION werden die Reisekosten durch Pauschalen abgedeckt. Manchmal ist eine Zugreise aber teurer als ein Flug und die Pauschalen sind knapp bemessen. Deshalb greifen Antragsteller*innen manchmal auf das Flugzeug zurück, um Kosten zu sparen. Jetzt gibt es aber eine neue Möglichkeit zur Finanzierung von "grünen Reisen". Wenn durch die Reisekostenpauschale nur weniger als 70 Prozent der Zugreise gedeckt wird, kann die Reise im Budget unter "außergewöhnliche Kosten" beantragt und gefördert werden.
Somit wird keine Pauschale für die Reise ausgezahlt, sondern 80 Prozent der tatsächlichen Kosten. Wenn die Zugreise also teurer ist als die Pauschale es erlaubt, kann man mehr Geld beantragen, sofern die allgemeinen Programmregeln eingehalten werden. Im Antrag sollte dies am besten mit Kostenvoranschlägen oder Screenshots von Bahnbetreibern belegt werden.
Gibt es spezielle Tools, die einem bei der Planung einer Jugendbegegnung helfen könnten?
Andrea Elmer: In Liechtenstein ist besonders die Peer-Unterstützung durch erfahrene Antragsteller hilfreich. Sie können aus erster Hand über Erfolge und Herausforderungen berichten und den Newcomern Tipps für eine erfolgreiche Umsetzung geben.
Außerdem gibt es unterschiedliche Einsteigertrainings für die Organisation und Planung einer Jugendbegegnung. Auf unserer Webseite (wie auch auf den Webseiten der anderen Nationalen Agenturen sowie im SALTO Fortbildungskalender) findet man immer die aktuellen Trainingsangebote.
Wir empfehlen neuen Projektträgern, ein Seminar wie "Jugendbegegnungen+" zu besuchen, um mehr über EU-Programme und die Antragsstellung zu erfahren. Dort bekommt man wichtige Tipps und Tricks und lernt gleichzeitig potenzielle Projektpartner*innen kennen.
In Liechtenstein können wir sehr praxisnah arbeiten und haben Kontakt mit den Antragstellern. In großen europäischen Ländern wäre das nicht möglich, dort gibt es aber andere Lösungen wie Online-Hilfe oder Regionalstellen.
Was waren die Hauptergebnisse des Seminars in Liechtenstein?
Andrea Elmer: Das Seminar "Jugendbegegnungen+" in Malbun war für mich persönlich sehr interessant und lehrreich. Ein Hauptergebnis sind sicher die tollen Projektideen und Projektpartnerschaften, die entstanden sind. Die Arbeit einer Nationalen Agentur findet sonst größtenteils im Büro statt. Da ist es immer wieder eine Bereicherung, wenn man umgesetzte Projekte besuchen oder ein Seminar wie "Jugendbegegnungen+" organisieren und begleiten kann.
Was sind die Kriterien, damit eine Jugendbegegnung am Ende erfolgreich ausgewählt wird?
Andrea Elmer: Die Kriterien, nach denen Jugendbegegnungen ausgewählt werden, sind im Programmhandbuch auf den Seiten 87/88 zu finden. Der Projektantrag sollte insgesamt einen roten Faden haben und die Ziele sollten mit den Aktivitäten übereinstimmen und wie beschrieben umgesetzt werden können. Wichtig ist - wie vorher schon erwähnt - die Partizipation von Jugendlichen in allen Phasen des Projektes. Wir achten auch darauf, ob versucht wird, Menschen mit weniger Möglichkeiten einzubeziehen.
Welche Art von Unterstützung könnt ihr in der Nationale Agentur leisten?
Sophie Hammer: In Österreich gibt es in jedem Bundesland einen lokalen Ansprechpartner für Antragsteller*innen, sogenannte Regionalstellen. Die Regionalstellen arbeiten eng mit der Nationalen Agentur zusammen und beraten und unterstützen Organisationen bei Antragstellung und Projektabwicklung.
Andrea Elmer: In Liechtenstein können sich interessierte Personen direkt bei der Nationalen Agentur melden. Wir geben erste Infos zu Erasmus+ JUGEND IN AKTION und beraten und begleiten die Projektträger von der Projektidee über die Antragsstellung bis hin zur Umsetzung.
(Das Interview führte Marco Heuer im Auftrag von JUGEND für Europa)
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Weiterführende Informationen
Andrea Elmer arbeitet bei der Nationalen Agentur Liechtenstein für Erasmus+ JUGEND IN AKTION, die im "aha – Tipps & Infos für junge Leute" eingebettet ist. Das aha ist eine Jugendinformationsstelle und bietet neben dem EU-Programm eine Vielfalt an Angeboten für Jugendliche in Liechtenstein. Dazu gehören Jugendbeteiligung, Jugendprojekte, Workshops, Infostunden, etc. Ihr Schwerpunkt in der Nationalagentur sind Mobilitätsprojekte unter der Leitaktion 1. Dazu gehören auch Jugendbegegnungen.
Link zur Nationalen Agentur Liechtenstein: www.aha.li/
Sophie Hammer arbeitet bei der Österreichischen Nationalen Agentur für Erasmus+ JUGEND IN AKTION und dem Europäischen Solidaritätskorps. Dort ist sie für die in die Leitaktion 1 fallenden Jugendbegegnungen zuständig. Darüber hinaus ist sie in die Planung und Umsetzung mehrerer TCA-Aktivitäten involviert sowie Teil der Arbeitsgruppe "Qualität in der Jugendarbeit".
Link zur österreichischen Nationalen Agentur: www.iz.or.at/de
In Deutschland berät JUGEND für Europa, Nationale Agentur für die EU-Programme Erasmus+ JUGEND IN AKTION und Europäisches Solidaritätskorps rund um die Planung und Durchführung von Jugendbegegnungen.
Link: Alle Informationen finden Sie auf unserer Programmseite zu Erasmus+ JUGEND IN AKTION
Link: JUGEND für Europa hat eine Förderstrategie veröffentlicht, die allen Antragstellerinnen und Antragstellern Hilfestellung bei der Planung Ihrer Projekt gibt. Weitere Informationen finden Sie hier..
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