20.02.2020
"Nachhaltigkeit bei Jugendbegegnungen – das Erlebte schafft immer Lust auf mehr"
Barbara Sieberth (Salzburg/Österreich) kennt sich bestens damit aus, wie Jugendbegegnungen erfolgreich gestaltet werden können. In Malbun in Liechtenstein hat sie zusammen mit ihrem Kollegen Michael Kimmig (Poznan/Polen) das Einsteigertraining "Jugendbegegnungen+" geleitet.
JfE: Barbara, was waren für dich die Hauptergebnisse des Seminars in Liechtenstein?
Barbara Sieberth: Dass Menschen, die eine Jugendbegegnung planen wollen, sich mit dem Programm etwas mehr auskennen und es nutzen können. Dass die Planung und Antragstellung greifbarer wird, dass klar wird, mit welcher Förderung ich in etwa rechnen kann und deutlich wird, wie ich den nächsten Schritt gehen kann. Oft kommt einem der Berg zu groß vor, aber wenn wir es geschafft haben, bei dem Seminar die verschiedenen kleineren Etappen bis zum Gipfel sichtbar und überschaubar zu machen, dann bin ich zufrieden.
Worauf kommt es bei der Planung einer guten Jugendbegegnung denn an?
Jugendbegegnungen können sehr vielfältig gestaltet sein. Daher gibt es nicht wirklich ein Patentrezept, aber wenn diese Elemente klappen, dann sind die Chancen groß, dass es eine feine Begegnung wird.
Gute Partnerschaften: Wenn Projektpartner gemeinsam planen, sie vorab kennen lernen können vorab, wenn sie einen offenen, transparenten Umgang pflegen, dann ist das sehr viel wert.
Beteiligung: Bei einer Jugendbegegnung geht es darum, Themen aufzugreifen, die junge Menschen selbst bewegen. Begegnungen zu ermöglichen, die von Jugendlichen selbst auch (mit)gestaltet werden. Dazu müssen entweder die jungen Menschen selbst am Ruder sein oder in einem guten Kontakt mit den (erwachsenen) Menschen stehen, die in der Koordination tätig sind.
Grundsätzlich gilt: Weniger ist mehr, Erlebnis- und Reflexionsräume sollten eingeplant werden. Wir erleben es immer wieder, dass sehr gut gemeint ein sehr dichtes Programm entsteht. Bei einer Jugendbegegnung geht es aber eben genau darum, sich ausprobieren zu können, Dinge neu auszuverhandeln, in der Reflexion über sich und andere zu lernen, und das braucht Zeit. Auch Beteiligung braucht Zeit. Gespräche brauchen Zeit. Kennenlernen braucht Zeit.
Ebenfalls wichtig: Irritationen und Konflikte gleich ansprechen, nachfragen, neugierig sein. Irritationen in der Planung sind normal und sind meist ein Zeichen für "es gibt Gesprächsbedarf". Und es ist völlig ok, wohlwollend nachzufragen: "Wie war das gemeint? Macht ihr das immer so? Wir nicht. Finden wir einen gemeinsamen Weg?" – so in der Art jedenfalls.
Welche Fehler werden immer wieder gemacht?
Partnerschaften werden kurzfristig geschlossen, und danach nicht gefestigt. In der Oberflächlichkeit des schnellen Miteinanders können schnell Konflikte entstehen, die dann nicht so leicht lösbar sind, weil sich die handelnden Personen nicht wirklich kennen.
Tolle Programme werden ohne Beteiligung der jungen Menschen selbst entworfen – und dann will niemand mit, weil es eigentlich eher um die Bedürfnisse der Planenden ging und nicht um die der teilnehmenden jungen Menschen.
Zu dichte Programme, die dann in einem "Nebeneinander" abgespult werden, aber eigentlich wenig Raum lassen für Begegnung im eigentlichen Sinn.
Schlechtes oder gar fehlendes Konfliktmanagement. Konflikte sind im Grunde was ganz Normales und werden in jeder Jugendbegegnung auftreten. Wichtig ist ein guter und vertrauensvoller Umgang damit.
Manchmal tappen Jugendbegegnungen in die "Stereotype-Falle". Erasmus+ möchte interkulturelle Begegnungen ermöglichen, und da geht es nicht darum, sich in seinen Stereotypen zu bestätigen, sondern eher neugierig genauer hinzusehen: Was macht Dich zu dem Menschen, der Du bist? Wo haben wir Gemeinsamkeiten? Wo kann ich von Dir lernen, und Du von mir? Welche Werte verbinden uns? Bei welchen Werten haben wir ganz andere Zugänge?
Ich wünsche wirklich jeder Jugendbegegnung, diese Chance zu nutzen, anstatt in Stereotype abzugleiten. Das wäre schade.
Wie findet man für eine Jugendbegegnung ein gutes Thema?
Am besten fragt man die jungen Menschen selbst: Was beschäftigt euch gerade? Welche Fragen hättet ihr an junge Menschen aus anderen Ecken Europas? Worauf habt ihr Lust in so einer Woche?
Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit bei einer Jugendbegegnung?
Bei Nachhaltigkeit in Bezug auf das gemeinsame Lernen bietet gerade das Nicht-Formale große Chancen, indem es im Idealfall selbst gesteuert ist. Und wenn es Reflexionsräume dazu gibt, wird es auch viel bewusster aufgenommen. Das Erlebte bleibt und macht Lust auf mehr danach.
Bei der Nachhaltigkeit in Bezug auf Ökologie kann viel getan werden: von der gemeinsamen Anreise über die Unterkunft bis hin zur Materialauswahl, dem Gestalten von Mahlzeiten und den Aktivitäten selbst.
Gibt es Tipps für nachhaltiges Reisen?
Ja sicher. So CO2-neutral wie möglich wäre ein Ansatz. Jetzt kommt es natürlich darauf an, aus welchen Ecken Europas angereist wird. Wer Fliegen vermeiden kann, soll das tun, man darf dafür auch extra Zeit einplanen (und bekommt zusätzliche Förderpauschalen, bitte von der Nationalen Agentur beraten lassen). Zugfahren ist meistens ein guter Tipp, jedenfalls dort, wo es ein Angebot gibt. Oder eben andere öffentliche Verkehrsmittel wählen.
Gibt es spezielle Tools, die einem bei der Planung einer Jugendbegegnung helfen könnten?
Es gibt viel "good practice"-Material im Internet, da kann man sich inspirieren lassen. Allerdings kann man das in den seltensten Fällen wirklich eins-zu-eins kopieren (das wäre auch keine gute Idee), man kann aber schon die eine oder andere Idee übernehmen.
Es gibt zudem zahlreiche Fortbildungen innerhalb des Programms, bei denen man sehr konkret das Planen auch lernt, oder die Partner*innen suchen kann, etc. Guter Ausgangspunkt für diese Recherchen ist die Seite: www.salto-youth.net. Dort sind viele gute Tools verlinkt: Methodensammlung, Fortbildungs-Angebote, verschiedene weitere Plattformen, etc. Auch die Websites der jeweiligen Nationalen Agentur sind in der Regel sehr informativ und aufschlussreich. Dort findet man auch das konkrete Beratungsangebot des jeweiligen Landes, das man unbedingt nutzen sollte.
(Das Interview führte Marco Heuer im Auftrag von JUGEND für Europa.)
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Weiterführende Informationen
Zur Person
Barbara Sieberth wohnt in Salzburg und arbeitet als freiberufliche Trainerin und Moderatorin. Schwerpunkte sind Geschlechtergerechtigkeit, Diversität, aber auch generell Projektmanagement und Arbeiten in Teams. Seit zwei Jahren ist die ausgebildete Juristin zudem in der Antidiskriminierungsarbeit aktiv.
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