30.06.2020
Boosting Youth Work: Eine 3. Convention und ein Bonn-Prozess
Seit Jahren ist Youth Work in Europa ein Thema der Europäischen Union und des Europarats. Maßgeblichen Anteil hatten zwei so genannte European Youth Work Conventions. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft will mit einer dritten daran anknüpfen. Im Mittelpunkt steht die Umsetzung der European Youth Work Agenda.
Youth Work war in Europa lange ein marginalisierter Bereich der Jugendpolitik. Jedoch wurde der rasante Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit in Europa im ersten Jahrzehnt der 2000er Jahre zum Anlass genommen, über die Grenzen der formalen Bildungssysteme nachzudenken. Nichtformale und informelle Bildungsmöglichkeiten wurden in den Blick genommen.
Gleichzeitig mit den steigenden Erwartungen, unter anderem an europäische Jugendbegegnungen und Freiwilligendienste, geriet jedoch gerade die Jugendarbeit aufgrund der angespannten Finanzlage in Europa unter finanziellen und infrastrukturellen Druck. Ihr fehlten Anerkennung und Ressourcen.
Conventions
In dieser Situation veranstaltete Belgien im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft im 2. Halbjahr 2010 eine European Youth Work Convention, eine Zusammenkunft Gleichgesinnter aus Jugendorganisationen, Jugendarbeit, Jugendpolitik und Jugend(arbeits)forschung vom 7. bis zum 10. Juli 2010 in Gent.
400 Teilnehmende aus 50 Ländern tauschten sich erstmalig in einem solchen Rahmen über die verschiedenen Formen von Youth Work in Europa aus, ihren Bedingungen, Anforderungen und politischen Perspektiven. Die Abschlusserklärung der Konferenz und die folgende Entschließung des EU-Jugendministerrats zur Jugendarbeit (verabschiedet am 18./19. November 2010) können zu Recht als erste Meilensteine der Anerkennung und Unterstützung von Youth Work in Europa gelten.
Die Teilnehmenden forderten einen stärkeren Informationsaustausch untereinander, eine bessere Zusammenarbeit zwischen Jugendarbeitern und jugendpolitischen Entscheidungsträgern, eine bessere Ausbildung und, wo nötig, gesetzliche Rahmen für die Unterstützung von Jugendarbeit.
Fünf Jahre später wiederholte Belgien den Erfolg. Vom 27. bis zum 30. April 2015 - Belgien hatte den Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates - fand die zweite Convention in Brüssel statt. Ziel war es, ein gemeinsames Verständnis (sogenannten Common Ground) der europäischen Jugendarbeit mit ihren verschiedenen Ausprägungen, Fragestellungen, Angeboten und Herausforderungen zu beschreiben.
Am Ende schlug man eine European Youth Work Agenda vor, einen Aktionsplan mit Eckpunkten für die weitere Entwicklung und Stärkung zentraler Handlungsfelder und institutionalisierter Prozesse bei Europarat und Europäischer Union, um Youth Work in Europa auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene anzuerkennen und weiterzuentwickeln.
Definitionen
Common Ground – was könnte das sein? Youth Work in Europa ist vielfältig und sehr unterschiedlich. In der Entschließung des Rates vom 27. November 2009 über einen erneuerten Rahmen für die jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa (2010-2018) wurde Youth Work erstmalig in einem offiziellen EU-Dokument definiert: "Jugendarbeit ist ein breit gefasster Ausdruck, der ein breites Spektrum an Aktivitäten sozialer, kultureller, bildungs- oder allgemeinpolitischer Art umfasst, die von und mit jungen Menschen und für diese durchgeführt werden. (…) Die Jugendarbeit gehört zum Bereich der außerschulischen Erziehung sowie der zielgruppenorientierten Freizeitbeschäftigungen, die von professionellen oder freiwilligen Jugendbetreuern und Jugendleitern durchgeführt werden, und beruht auf nicht formalen Lernprozessen und auf freiwilliger Teilnahme."
Die beiden Abschlusserklärungen der Conventions fügten dieser Definition weitere Merkmale hinzu, beispielweise gemeinsame Prinzipien wie Partizipation und Empowerment, Menschenrechte und Demokratie, Anti-Diskriminierung und Toleranz. Youth Work wurde mit verschiedenen Erscheinungsformen beschrieben wie nichtformale Bildung, offene Arbeit, Streetwork, Projekt- und themenbezogene Arbeit, selbstorganisierte Aktivitäten in Jugendorganisationen, Jugendinformation, Jugendbegegnungen und mehr.
Die dritte Convention - diesmal in Deutschland
Die Conventions von 2010 und 2015 haben maßgeblich dazu beigetragen, die Vielfalt von Youth Work in Europa sichtbar zu machen, ihren Wert und ihr Profil herauszustellen. Denn bei aller Diversität kommen die bisherigen Abschlusserklärungen auf einen großen gemeinsamen Nenner. Zufrieden kann man aber noch nicht sein. An der eher prekären Situation von Youth Work hat sich in vielen europäischen Ländern nichts geändert.
Abschlusserklärungen bestätigen Engagement und Verantwortungsübernahme; ihnen müssen konkrete Umsetzungsschritte folgen. Fünf Jahre nach der zweiten Convention plant Deutschland im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft und seines Vorsitzes im Ministerkomitee des Europarates deswegen eine dritte Konferenz, die es in sich hat.
Denn auf der dritten Youth Work Convention vom 7. bis zum 10. Dezember 2020 in Bonn soll es nicht nur darum gehen, Schlüsselthemen von Politik und Praxis von Youth Work in Europa zu identifizieren, den Austausch guter Praxis und aktueller Forschung zu ermöglichen und Networking anzuregen. Es sollen vor allem erste Pläne für eine Implementierungsstrategie der European Youth Work Agenda erarbeitet werden, die Youth Work in Europa weiterentwickeln und nachhaltig stärken soll.
Im Fokus sollen Taten stehen, Umsetzungsschritte, wie Youth Work in Europa aussehen kann, welche Ziele und Effekte sie haben kann und was sie dafür braucht. Da das nicht in zwei Tagen ausdiskutiert ist, wird die Convention der Startschuss für einen längeren Prozess – den Bonn-Prozess – sein. Als politische Grundlage kann, neben der EU-Jugendstrategie 2019-2027 sowie der Empfehlung des Europarates zu Jugendarbeit von 2017 und der Strategie für den Jugendsektor 2030 des Europarates, das dann auch vorliegende Ratsdokument dienen: die geplante Ratsentschließung "European Youth Work Agenda".
Youth Work Agenda und Youth Work Convention sollen dazu beitragen, dass weder die Youth Work Community of Practice (Vertreterinnen und Vertreter aus Praxis, Politik und Forschung) noch Youth Work von der politischen Agenda verschwindet. Youth Work in Europa zu boosten, das bedeutet, konkret etwas für sie zu tun.
Grundlagentexte:
Entschließung des Rates vom 27. November 2009 über einen erneuerten Rahmen für die jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa (2010-2018) (2009/C 311/01), https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009G1219(01)&from=EN
Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten zur Jugendarbeit, Brüssel, 18.-19. November 2010, https://pjp-eu.coe.int/documents/42128013/47262202/Resolution+of+the+EU+Council+of+18-19+November+2010+on+youth+work/065f18e1-7392-4d88-b4f1-f0fcf2d33cc0
Declaration of the 1st European Youth Work Convention, Ghent, 7.-10. Juli 2010, https://pjp-eu.coe.int/documents/42128013/47262202/Declaration/2f264232-7324-41e4-8bb6-404c75ee5b62
Erklärung des 1. Europäischen Kongresses über Jugendarbeit, Gent, https://www.jugendpolitikineuropa.de/downloads/4-20-2611/Deklaration_Jugendarbeit.pdf
Declaration of the 2nd European Youth Work Convention. Making a World of Difference, Brüssel, 27.-30. April 2015, https://pjp-eu.coe.int/documents/42128013/47262187/The+2nd+European+Youth+Work+Declaration_FINAL.pdf/cc602b1d-6efc-46d9-80ec-5ca57c35eb85
(JUGEND für Europa)