25.09.2020

Erasmus+ JUGEND IN AKTION ab 2021: "Evolution statt Revolution"

Eine Gruppe unterhält sich vor einem Banner mit der Aufschrift Enjoy Europe

Was zeichnet sich an Entwicklungen im EU-Programm Erasmus+ JUGEND IN AKTION ab? Die Vorbereitungen für den Start der neuen Programmgeneration laufen auf Hochtouren. Wir werfen einen Blick auf den derzeitigen Stand der Überlegungen.

Die EU-Kommission will es wissen: Trotz aller Widrigkeiten werden gerade die Weichen dafür gestellt, dass die beiden EU-Programme Erasmus+ und Europäisches Solidaritätskorps 2021 ohne große Verzögerung fortgesetzt werden können.

So hat die EU-Kommission am 10.07.2020 bereits in Vorbereitung auf das neue Programm den ersten Aufruf veröffentlicht, sich um eine Akkreditierung für die Mobilitätsprojekte in der Leitaktion 1 zu bewerben. Außerdem wurde den Nationalen Agenturen ein erster Entwurf des Programmleitfadens für Erasmus+ zur Kommentierung vorgelegt. Wir fassen daraus die wesentlichen Punkte zusammen.

Die Ziele

Der Vorschlag für Erasmus+ 2021 – 2027 setzt auf Evolution statt Revolution.

Das betrifft auch die Zielsetzungen, die nicht komplett neu sind, aber in vielen Bereichen Akzentverschiebungen aufweisen und einige neue Elemente umfassen. Im Jugendbereich wird der Bezug zur EU-Jugendstrategie deutlich gestärkt, ihre Themen Beteiligen – Begegnen – Befähigen ziehen sich durch den Vorschlag.

Mehr Partizipation

Die Befähigung junger Menschen zur Partizipation in demokratischen Gesellschaften wird zu einem zentralen Ziel der neuen Programmgeneration. Insbesondere der Jugendbereich kann und soll dazu beitragen, junge Menschen mit den nötigen Kompetenzen für politische und gesellschaftliche Beteiligung und aktive Bürgerschaft auszustatten. Auch Europa soll dabei in den Blick genommen werden, europäisches Bewusstsein entwickelt und die Beteiligung junger Menschen auf europäischer Ebene gestärkt werden.  

Praktisch schlägt sich das vor allem in der Einführung des neuen Formats "Jugendpartizipationsprojekte" nieder, das als Teil von Leitaktion 1 mehr im Mittelpunkt des Programms steht und mit deutlich mehr Mitteln ausgestattet ist als aktuell der EU-Jugenddialog.

Mehr Inklusion und Diversität

Gleiche Teilhabechancen für alle und größtmögliche Diversität bei den Teilnehmenden rücken noch mehr in den Fokus als bisher. Junge Menschen unterschiedlichster kultureller, sozialer und ökonomischer Hintergründe sowie junge Menschen mit Behinderungen sollen gezielt für eine Teilnahme am Programm geworben werden. Dafür legt die europäische Kommission erstmals eine Inklusions- und Diversitätsstrategie für das gesamte Programm vor.

Auch wenn der Jugendbereich an vielen Stellen schon weiter ist als die formale Bildung, gibt es auch hier einige kleinere Neuerungen. So ist zukünftig jedes Projekt explizit aufgefordert, sich Gedanken zur Umsetzung von Inklusion und Diversität zu machen. Außerdem soll es Anpassungen in der Förderstruktur geben, die durch die Einführung einer Inklusionspauschale den Zugang zu nötigen zusätzlichen Mitteln erleichtern.

Mehr Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit und Klimaziele sind mit Verve zurück im Programm. In Übereinstimmung mit den politischen und gesellschaftlichen Prioritätensetzungen soll Erasmus+ zum einen zu Bewusst­seinsbildung und Kompetenzentwicklung in den genannten Feldern beitragen und zum anderen selbst so nachhaltig und ökologisch wie möglich umgesetzt werden, ohne dass dabei der Charakter als Mobilitätsprogramm verloren geht. Organisationen und Teilnehmende sind daher künftig bei jedem Projekt aufgefordert, sich Gedanken zu machen, wie sie ihr Projekt möglichst umwelt- und klimafreundlich gestalten; das Programm unterstützt die Nutzung umweltfreundlicherer Transportmittel mit zusätzlicher Förderung.

Mehr Digitalität

Auch wenn das Programm in Kern ein Mobilitätsprogramm bleibt und auf Lernen durch persönliche Begegnung setzt, sollen digitale Elemente stärker unterstützt werden als bisher. Die digitale Transformation und die Entwicklung digitaler Kompetenzen sind weiterhin wichtige Themen und Zielsetzungen des Programms, wobei die Bedeutung durch die Erfahrungen der Coronakrise noch deutlicher geworden ist. Daneben sollen digitale Medien zukünftig auch in der Umsetzung von Projekten eine stärkere Rolle spielen, z.B. in der Vorbereitung von Aktivitäten oder der Verbreitung von Ergebnissen.

Die Förderbereiche

Das Programm gliedert sich weiter in drei Leitaktionen.

Die drei Leitaktionen legen den Fokus auf unterschiedliche Ebenen: Leitaktion 1 vorrangig auf das Lernen von Individuen, Leitaktion 2 auf die Entwicklung von Organisationen und Leitaktion 3 auf die politische Ebene. Nur in den Leitaktionen 1 und 2 können dezentral Anträge gestellt werden.

Leitaktion 1 umfasst die bekannten Formate "Jugendbegegnungen" und "Fachkräftemobilität", neu kommen außerdem die "Jugendpartizipationsprojekte" hinzu. Ob und inwieweit auch "DiscoverEU" Teil des Förderbereichs werden wird, ist in den politischen Verhandlungen noch umstritten.

Jugendbegegnungen und Fachkräftemaßnahmen bleiben voraussichtlich weitgehend unverändert, wobei es sinnvolle Anpassungen im Detail geben soll. So soll es zukünftig auch bei Fachkräftemaßnahmen die Möglichkeit eines Vorbereitungsbesuchs geben. Außerdem sind Veränderungen bei den Pauschalen in der Diskussion, darunter eine Aufteilung der bisherigen Organisationskosten in eigentliche organisatorische Kosten und Kosten für Unterbringung und Verpflegung.

Neu eingeführt werden die Jugendpartizipationsprojekte, die die Beteiligung junger Menschen am demokratischen Leben von der lokalen bis zur europäischen Ebene stärken sollen. Sie richten sich an Initiativgruppen junger Menschen oder Jugendorganisationen, die politisches und zivilgesellschaftliches Engagement leben, europäisches Bewusstsein entwickeln und zur Weiterentwicklung Europas beitragen, digitale und Medienkompetenzen ausweiten oder in einen Dialogprozess mit politischen Entscheidungsträgern eintreten wollen. Hier ist auch die Fortsetzung des EU-Jugenddialogs aufgehoben.

Vorgesehen ist, dass Jugendpartizipationsprojekte transnational oder national sein können. Sie müssen aber immer eine europäische Dimension aufweisen, also z.B. an den Europäischen Jugendzielen arbeiten oder zum EU-Jugenddialog beitragen. Als mögliche Aktivitäten werden u.a. Workshops, Seminare oder Debatten auf unterschiedlichen Ebenen, Konsultationen junger Menschen, Kampagnen zu relevanten Themen oder Simulationen demokratischer Institutionen genannt. Das Format sieht eine Dauer von drei bis 24 Monaten und voraussichtlich eine Finanzierung im Baukastenprinzip vor, so dass sowohl kleinere als auch ambitioniertere Projekte möglich sein werden.

In Leitaktion 2 lösen die sogenannten Kooperationspartnerschaften die bisherigen Strategischen Partnerschaften ab. Ihr Ziel ist weiterhin hauptsächlich, die Qualität von Angeboten und Aktivitäten der beteiligten Partner zu entwickeln und zum Kapazitätsaufbau von Organisationen, darunter auch zu ihrer internationalen Vernetzung beizutragen. Statt des Schwerpunkts auf Innovationsentwicklung steht die Veränderung und Entwicklung von Organisationen im Mittelpunkt.

Neu kommen "Small Scale Partnerships" hinzu. Diese sollen mit verringerten Anforderungen und kürzerer Dauer auch unerfahrenen, lokalen und Graswurzelorganisationen einen Zugang zum Programm bieten. Ansonsten sind ihre Zielsetzungen ähnlich wie die der Kooperationspartnerschaften, doch sind die Erwartungen an den Umfang entsprechend geringer.

Beispielsweise könnte es hier statt um den Ausbau eines multilateralen Netzwerks eher um den Aufbau einer ersten transnationalen Partnerschaft gehen. Auch die Förderung soll sich mit einer Gesamtpauschale pro Projekt sehr einfach gestalten, um die Hürden in der Mittelverwaltung und Abrechnung so gering wie möglich zu halten.

Die Antragstellung

Große Veränderungen zeichnen sich bei der Antragstellung ab.

In Leitaktion 1, in der die weitaus meisten Projekte des Programms stattfinden, wird es einen Paradigmenwechsel in der Antragstellung geben. Der Großteil der Projekte soll zukünftig über das neu eingeführte Akkreditierungsverfahren abgewickelt werden, womit eine wesentliche Vereinfachung in der Beantragung und Abwicklung verbunden sein wird.

Ähnlich wie beim Quality Label im Europäischen Solidaritätskorps wird einmalig eine Anerkennung beantragt, die dann bis zum Ende der Programmlaufzeit gültig ist und grundsätzlich für alle Aktivitätstypen in Leitaktion 1 gilt. Nach erfolgreicher Akkreditierung können dann einmal jährlich Fördermittel beantragt werden, zum ersten Mal voraussichtlich im Frühjahr 2021; im ersten Jahr können allerdings zunächst nur Jugendbegegnungen und Fachkräftemobilitäten beantragt werden, die Jugendpartizipationsprojekte kommen erst später dazu.

Das Akkreditierungsverfahren bietet allen, die regelmäßig Projekte durchführen wollen, einen unkomplizierteren Zugang zu den Fördermöglichkeiten sowie mehr Planungssicherheit und Flexibilität in der Nutzung der Mittel und in der Umsetzung ihrer Maßnahmen.

Neben der Akkreditierung bleibt das Einzelantragsverfahren bestehen. Es richtet sich vor allem an diejenigen, die noch keine oder nur wenig Erfahrungen im Programm gemacht haben oder die nur ab und an ein Projekt durchführen.

Beide Verfahren schließen sich gegenseitig aus, d.h. akkreditierte Träger können in Leitaktion 1 keine Einzelanträge mehr stellen.

In Leitaktion 2 bleibt es beim Einzelantragsverfahren. Für Kooperationspartnerschaften sind keine wesentlichen Veränderungen vorgesehen. Der Antrag für die "Small Scale Partnerships" wird den ersten Entwürfen nach aber deutlich einfacher und kürzer sein und damit hoffentlich tatsächlich Zugänge erleichtern.

Was noch getan werden muss

Noch sind die politischen Diskussionen sowohl zum Mehrjährigen Finanzrahmen als auch zum Programmbeschluss in vollem Gange.

Damit sind grundlegende Fragen wie die Mittelausstattung und der Programmstart weiter offen, auch wenn die Europäische Kommission alles für einen pünktlichen Programmstart zum Januar 2021 vorbereitet.

Vom Ergebnis der Verhandlungen abhängig ist, ob DiscoverEU in das Programm eingegliedert wird, und wenn ja, mit welchem Budget, unter welchen Bedingungen und mit welchen Zuständigkeiten.

Auch einige Fragen der konkreten Rahmenbedingungen für Projekte und Anträge sind noch in der Diskussion. Das betrifft beispielsweise die praktische Umsetzung der intendierten Vereinfachung in der Fördersystematik. Noch fehlen genauere Festlegungen dazu, wie die Budgetverteilung im zweiten Schritt des Akkreditierungsverfahrens funktionieren wird. Auch die Höhe der Fördersätze in Leitaktion 1 ist noch unter Diskussion, ebenso wie die Frage, ob das Finanzierungsmodell für Kooperationspartnerschaften beibehalten wird oder es zu einer weitergehenden Pauschalierung der Förderung kommt.

Bisher unklar sind nicht zuletzt auch die Zahl und Lage der Antragstermine für die jeweiligen Aktionen und Aktivitätstypen in der zukünftigen Programmgeneration.

Wir werden Sie fortlaufend über die Entwicklungen informieren. Abonnieren Sie unseren Newsletter...

(JUGEND für Europa)

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Weiterführende Informationen

Auf unserer Programmseite zu Erasmus+ JUGEND IN AKTION stellen wir Ihnen alle Informationen zum neuen Akkreditierungssystem sowie zur neuen Programmgeneration zusammen.
Link: https://www.jugend-in-aktion.de/2021-27/