26.10.2020
comeback 2020 digital: Eigentlich wäre alles anders – aber virtuell geht es auch!
Seit 2012 ist es die große Stärke des comeback-Rückkehr-Events, junge Menschen, die einen Freiwilligendienst im Europäischen Solidaritätskorps (ESK) geleistet haben, nach ihrer Rückkehr zusammenzuführen. Corona-geschuldet mussten der Austausch und die Diskussionen um die Zukunft Europas in diesem Jahr nun erstmals rein virtuell stattfinden. Wie das funktionierte, lesen Sie im Bericht zur Veranstaltung.
2020 ist das Jahr, in dem alles anders ist – auch in den Freiwilligendiensten. Zwar waren rund 1.200 deutsche ESK-Freiwillige europaweit im Einsatz und lernten neue Kulturen und Sprachen kennen, doch die Ausbreitung der Pandemie beeinflusste auch die Auslandserfahrungen der Jugendlichen. Und: Der Dienst für Europa bekam in Zeiten, in denen Errungenschaften wie die Reisefreiheit plötzlich außer Kraft gesetzt wurden, nochmals eine andere Dimension.
Eigentlich im thüringischen Weimar geplant, fand das comeback 2020 vom 23. bis 25. Oktober erstmals komplett digital und damit in den WG-Zimmern der Teilnehmenden statt. Zwischen mehreren Videokonferenztools, Apps und Gimmicks aus Care-Paketen wechselnd, besuchten die rund 200 Teilnehmenden Workshops, Podiumsdiskussionen (Link: Bericht zum Polit-Battle) und Ländergruppen und feierten sogar virtuell ein Wohnzimmerkonzert.
Corona und das ESK
Die Teilnehmenden kamen aus dem gesamten Bundesgebiet – das zeigte sich im Abstimmungstool, das die ehemaligen Freiwilligen, Emil Breustedt und Lara Mümpfer, die die Veranstaltung moderierten, einsetzten. Hummus, Pierogi, Patatas Bravas, Borscht, Loukoumades – welches neue Gericht hast du entdeckt?“ hieß die nächste Frage, die sodann eine ebenso bunte Mischung an europäischen kulinarischen Erfahrungen der Rückkehrer offenbarte.
Darüber, dass die meisten ESK-Aktivitäten weiterliefen freute sich auch der stellvertretende Leiter von JUGEND für Europa, Manfred von Hebel, der den Veranstaltungsfreitag eröffnete: „Eigentlich wären wir jetzt alle in Weimar, eigentlich würden wir uns live sehen und eigentlich wäre das ein ziemlich großes Event im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft“, sagte von Hebel.
Er sei aber froh, dass wenigstens diese Form der Begegnung möglich sei. „Mobilität und ein globales Virus können niemals Freunde sein, das spüren wir alle jeden Tag – wir haben aber auch gesehen, mit wie viel Engagement, Einsatz und Flexibilität mit der Lage umgegangen wurde“, hebte er hervor und bedankte sich bei den Freiwilligen, dass diese den Spirit des Programms hochgehalten hätten.
Ländergruppen: Reflexion und Auseinandersetzung mit den eigenen Erfahrungen
Dann ging es auch schon in die Reflexion der Auslandserfahrungen. In der Ländergruppe Portugal/Italien saß Alina Meier, die ein halbes Jahr auf der Insel Madeira gelebt und dort Stadtführungen gegeben hatte: „Ich hatte die Erwartung, dass mich der Aufenthalt komplett verändert, aber ich denke, es ist eher so, dass ich mich nur noch schneller entwickelt habe als zuhause – ein anderer Mensch bin ich nicht geworden“, sagt sie.
Die 18-jährige Chiara Schmelcher berichtete von ihrem Leben im Lockdown in Rom: „Dort haben wir in einer Freiwilligen-WG gewohnt und hauptsächlich von zuhause gearbeitet. Weil die Masken alle ausverkauft waren, habe ich sehr viele genäht und allen in der Organisation eine geschenkt“, berichtet sie. Durch das Zusammenleben habe sie gelernt, dass man genau so viel oder noch mehr Verbindendes mit jemanden aus einem anderen Land teilen könne als mit jemanden mit der gleichen Herkunft, sagt sie.
Auf die Frage, was vom Dienst bleibt, antwortete Maria Sophie Jasmin Jungmann aus Berlin, dass sie an ihrem Einsatzort in Coimbra im Sportverein und in ihrer Organisation viele sehr hilfsbereite Menschen kennengelernt habe. „Die Wärme der Kultur ist etwas, das mich sehr glücklich gemacht hat und das ich jetzt sehr vermisse.“
Digitale Aktion: Botschaft an Europa
Der zweite Veranstaltungstag startete mit einer Vernetzung in Gruppen des derzeitigen Wohnorts mit den EuroPeers. Damit die Stimmen der Jugendlichen auch über die Veranstaltung hinaus hörbar sind, hatten diese sich eine digitale Aktion überlegt: Als digitale Botschaft an Europa oder seine Bürger sollten 12-sekündige Video aufgenommen werden, die dann zu einem Video zusammengestellt wurden.
Zur vertieften Auseinandersetzung mit Themen aus den Diensten wie etwa Umwelt, Identität, Klimawandel, Wirtschaftswachstum, aber auch Solidarität, fanden Workshops statt. Im Workshop „Naturverständnis, Umweltethik und nachhaltiges Leben“ stellten die Teilnehmenden Fragen nach dem Mensch-Natur-Verständnis, zur Ethik und nachhaltigen Handel. Das Ziel dabei: Noch mehr Fragen aufwerfen und einen Denkprozess anstoßen.
In der Pandemie habe sich gezeigt, dass viele Menschen versuchten, gewissen Trends entgegenzuwirken, also etwa wieder Gemüse im heimischen Garten anzubauen oder auch einen Wanderurlaub statt einer Flugreise zu unternehmen, sagte Antonia Krüger aus Mannheim. Dass sich viele Menschen von der Natur distanzieren und so verhielten, als ob diese eine Ressource sei und einen Marktwert habe, hielt die 21-jährige Viola Brüninghaus dagegen. Viele Menschen seien zu bequem, um wirklich etwas an ihren Leben zu ändern. Auch selbst wenn man als Individuum viel unternehme, sei man im Handeln insgesamt begrenzt durch Gesellschaft und Politik, etwa was Mülltrennung und Recycling angehe, ergänzte Susanne Brühl aus Hamburg. Es passiere noch nicht genug was die Umsetzung beim Thema Klimaschutz angehe, darin waren sich alle Teilnehmenden einig.
Europa auch zuhause mitgestalten
Dass der Freiwilligendienst zwar vorbei, das Engagement für Europa aber noch lange nicht zu Ende sein muss, lernten die Teilnehmenden auf der Zukunftsbörse am Abschluss-Sonntag: 14 Aussteller, unter anderem aus den Bereichen Tierschutz, soziales Engagement oder Entwicklungszusammenarbeit präsentierten den Jugendlichen ihre Angebote – Fragen waren dabei ausdrücklich erwünscht.
So präsentierte etwa Vera Willmann den Verein „Tafel Jugend“ und damit Solidarität in einem lokalen Kontext: Die Tafel hat über 60.000 Helfer und über 940 Tafeln mit rund 2.000 Ausgabestellen in ganz Deutschland. Neben der Ausgabe von Lebensmitteln gibt es auch Hilfs- und Beratungsangebote; „Tafeln sind eine Brücke zwischen Überfluss und Mangel – in Deutschland landen jährlich 18 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll und die Tafeln retten einen Teil davon und geben sie an Menschen weiter, die auf der anderen Seite des Überflusses stehen“, erklärte Willmann den Rückkehrern.
Bei der Tafel Jugend engagierten sich Menschen unter 30, die besonders jetzt dringend nötig seien, da die meisten Ehrenamtlichen der Tafeln über 60 Jahre alt seien uns oftmals der Risikogruppe angehörten, so Willmann. Es gebe unterschiedliche Möglichkeiten sich zu engagieren, je nach Standort unterscheiden sich die Angebote: „Man kann etwa helfen, Lebensmittel zu retten, bei Projekten mitarbeiten, Digital-Coach werden oder auch ein Praktikum oder einen Bundesfreiwilligendienst machen“, erklärte Willmann.
Auch der Bereich Umwelt wird im Solidaritätskorps immer wichtiger: Aus diesem Bereich präsentierte sich auf der Zukunftsbörse die Stiftung Naturschutz Berlin. „Wir sind sehr breit aufgestellt im Bereich Naturschutz. Ihr könnt mit uns in der Stadt und im Umland herumkommen, aber auch mal etwas ganz Konkretes wie etwa eine Kräuterwanderung machen“, erklärte Arne Mensching vom Träger. Auch gebe es Angebote für ein Freies Ökologisches Jahr oder einen Öko-Bundesfreiwilligendienst. Und auch für alle, die nicht aus Berlin kommen, gebe es ähnliche Angebote in anderen Bundesländern, sagte er.
Eine Organisation, die Austausch lokal lebt und sehr nah am Solidaritätskorps arbeitet, findet sich seit vielen Jahren in der Studentenstadt Jena: Ivan Niztovtsev von der Eurowerkstatt Jena präsentierte den Träger, der Jugendliche aus ganze Europa aufnimmt und auch ins Ausland entsendet. „Wir haben für die Freiwilligen, die kommen eine Art Mentoring-Programm, in dem man sich engagieren kann und so den Start in Deutschland etwas erleichtern kann – wir brauchen also immer junge Menschen, die so eine Aufgabe übernehmen“, warb er bei den Jugendlichen.
Den Abschluss machte auch in diesem Jahr der Yourspace, in dem die Teilnehmenden ihr eigenen Wünsche und Themen besprechen konnten - das ging von weiteren Vernetzungsmöglichkeiten hin zu dem Wunsch, sich auch nochmal real zu treffen.
(Lisa Brüßler im Auftrag von JUGEND für Europa)
---
Weiteres zum comeback 2020
Link: Bericht zum Polit-Battle: www.jugendfuereuropa.de/news/11001-polit-battle-zum-comeback-2020-was-ist-drin-fuer-europas-jugend/
Link: Weitere Informationen zum Europäischen Solidaritätskorps: www.solidaritaetskorps.de