25.05.2021

Jugendbegegnung: "Kampf ums Wasser – Politik für Jugendliche vor Ort begreifbar machen"

Teilnehmende der Jugendbegegnung / Foto: Europaarbeit Stadt Detmold

Wie gelangt das Wasser vom Grundwasser in den Wasserhahn? Können wir überall in Europa unbesorgt Wasser aus der Leitung trinken? Und wie gehen wir mit den Wasserressourcen um? Diese und weitere Fragen waren Inhalt der internationalen Jugendbegegnung "Water: European Right and Responsibility" der Stadt Detmold. Die Folge: Einige Jugendliche könnten bereits ihren Traumjob gefunden haben. Ein Interview mit Martina Gurcke. Sie arbeitet seit zehn Jahren im Team Europa, Internationale Zusammenarbeit der Stadt Detmold und unterstützt Jugendliche, Praktikant*innen, Schulen und Sportvereine beim Austausch mit fünf Partnerstädten und mit anderen Regionen der Welt.

JfE: Frau Gurcke, wie ist die Idee für die Jugendbegegnung entstanden?

Martina Gurcke: Der langjährige EU-Korrespondent Ralph Sina berichtete, dass er die Frage der Wasserrechte und des Wassers für eine der elementaren Zukunftsherausforderungen der EU – und auch der ganzen Welt - ansieht. Wir gingen dieser Frage nach und müssen ihm absolut zustimmen. Als wir unseren Detmolder Jugendlichen als Thema der nächsten Jugendbegegnung "Water: European Right and Responsibility" vorschlugen, beeindruckte uns ihr Interesse und Engagement. Das Thema sprach sie voll an – und als wenig später die Fridays for Future-Bewegung einsetzte, wurden wir vollends durch die Aktualität bestätigt.

Worum geht es im Kern?

Wasser kennt keine Grenzen. Wasserrechte werden über den Frieden der Welt entscheiden. Klimaschutz hat viel mit Wasserqualität und -verbrauch zu tun. Wie können wir hier selber zum Klimaschutz beitragen? Was ist ein ökologischer Fußabdruck, wie können wir besser nachhaltig leben? Letztlich kam auch die Frage auf, was mit den verrottenden Kriegshinterlassenschaften in der Ostsee passiert und wer sich um das Problem kümmert.

Wie lief denn die Jugendbegegnung ab?

Bei Jugendbegegnungen der Stadt Detmold kommen Jugendliche der Städte- und Kreispartner Detmolds und Lippes zusammen. Sie wohnen in der hiesigen Jugendherberge und lernen sich durch interaktive Spiele und internationalgemischte Zimmer gut kennen. Jede Delegation bringt fundierte Informationen zum Thema aus ihren Heimatländern mit, auch machen sie sich gegenseitig durch Filme, PowerPoint-Präsentationen, Theaterstücke, Sketche, Rätsel, Quizspiele  und kulinarische Spezialitäten mit den verschiedenen Ländern vertraut.

Die Wasserexperten des Kreises Lippe erläuterten und diskutierten mit den Jugendlichen die generelle Wassersituation sowie das Grundwasser. Mit den Stadtwerken begleiteten wir das Wasser von der Quelle bis (fast) zum Wasserhahn. Dadurch wird das Thema begreifbar. Bei dem kommunalen Integrationsprojekt "Wasser im Fluss“ erarbeiteten die Jugendlichen sich selbst, wie oberirdische Gewässer samt angrenzender Ufer- und Auenbereiche im Kreis Lippe in einen ökologisch guten Zustand versetzt werden. Im Schwimmbadbesuch wurde das Element besonders genossen. Aber auch die Zugangsfrage zu Wasser wurde thematisiert, da eine der Delegationen sich in Nordafrika um genau diese Zugangsrechte vor Ort informiert hatte: Wasser, das vorher frei verfügbar war, wurde nun in Flaschen abgefüllt und kostenpflichtig abgegeben.

Die Gegend um Detmold wurde touristisch erkundet mit einer international gemischten Stadtrallye, Fotoaktionen, es gab Sportwettkämpfe, Lagerfeuer mit Gitarre und Gesang und unglaublich viel Spaß.

Die Jugendlichen stellten sich selbst, aber auch den Politikern unglaublich viele Fragen wie zum Beispiel der Europaabgeordneten Birgit Sippel, "Mr. Europa" Elmar Brok und dem damaligen Bürgermeister Detmolds, Rainer Heller, sowie Wasserexperten von Detmold und Lippe. Frau Sippel wird die Fragen mit in die EU nehmen und Antworten geben.

Was waren die Herausforderungen bei der Jugendbegegnung?

Wichtig ist, eine gute gemeinsame Basis und Nähe zu schaffen, Vorurteile abzubauen, falls sie vorhanden sind. Im Laufe einer Jugendbegegnung folgt die Stimmung einer gewissen Kurve, die gut aufgefangen werden muss. Die Schwierigkeit besteht sicherlich darin, alle motiviert zu halten. Das kann man aber gut mit einem abwechslungsreichen, interessanten Programm steuern. Ausschlaggebend ist die Kompetenz der Teamleiter*innen, die sich absolut bewährt. Vertrauensvoller Umgang miteinander, gemeinsames Ziehen an einem Strang und eine genaue Absprache von Regeln, dem Umgang miteinander sind Voraussetzung, und die gemeinsame Entwicklung interner Regelungen ist der beste Garant für das Einhalten von gewissen Grenzen.

Was lief gut, wo bestand Verbesserungsbedarf?

Besonders gut an unserer Konstellation ist das Vertrauen  der Partner*innen zueinander. In der Jugendbegegnung finden täglich Teamleitenden-Besprechungen und auch Plenumsgespräche statt. Dies bietet allen ein Sprachrohr – positiv wie auch negativ. Vieles kann aufgefangen werden. Wichtig ist, dass gemeinsame Lösungen und Verbesserungen erarbeitet werden. Jeder Mensch muss sich ernst genommen und angenommen fühlen, Unstimmigkeiten erkannt und aufgegriffen werden. Ein "Briefkasten" bietet ein gutes Medium für Menschen, die sich nicht gern mündlich mitteilen. Hier können Nachrichten für Einzelne oder die Gruppe eingereicht werden, die im Plenum besprochen oder vertraulich persönlich ausgehändigt werden. So entzerren sich viele Dinge.

Einige Jugendliche hatten so viel Spaß miteinander, dass ihnen das Heimkehren zu abgesprochenen Uhrzeiten schwerfiel. Dies ist ein Punkt, den wir beim nächsten Mal ein wenig genauer besprechen werden (sie lacht).

Was hat Sie besonders beeindruckt?

Bei dieser Jugendbegegnung ist es besonders gut gelungen, die einzelnen Nationalitäten aufzubrechen. Innerhalb kürzester Zeit war es gar nicht mehr relevant, wer aus welchem Land kam. Es fanden sich internationale Gruppen zusammen, die sehr gut harmonierten. Über eine Whats-App-Gruppe sind wir nach wie vor in engem Austausch. Hier werden auch Wahlen in den Heimatländern mit unerwartetem Ausgang diskutiert, Erinnerungen, Anekdoten und Ereignisse ausgetauscht, Verabredungen getroffen.

Wie bewerten Sie die Ergebnisse?

Wir freuen uns sehr über die positiven Resonanzen. Die Jugendlichen kehrten in ihre Länder zurück und wirken dort als Multiplikatoren. Hier ist wirklich ein Stück Europa von unten zusammengewachsen. Lernen wird in dieser Form von ganz anderer Seite durchleuchtet und eine aktive Erfahrung. Durch die Erstellung eines Youthpass wird dieses Lernen ganz bewusst gemacht. So wird aus einer Begegnung eine Erfahrung, die alle bereichert hat.

Das Bewusstsein der Einzelnen hat sich stark geändert, ihr Fokus ist auf das Thema gerückt. Alle haben uns bestätigt, jetzt mit Wasser anders umzugehen. Sie setzen sich stärker mit ihrer Umwelt auseinander. Mehrere haben vor, sich politisch einzusetzen. Speziell zum Thema Wasser wird beispielsweise in unserer griechischen Partnerstadt geplant, einen Fluss aufzustauen und einen See entstehen zu lassen. Dies ist in der Nähe von Detmold vor einiger Zeit auch gemacht worden, und es sind neue Erkenntnisse entstanden, die beim Bau hätten berücksichtigt werden müssen. Hier wird ein Wissenstransfer und Austausch erfolgen, um künftige Probleme möglichst zu vermeiden.

Was hat sich nach dem Ende der Begegnung noch alles ergeben?

Die Jugendlichen entwickelten so viele Eigeninitiativen und Ideen, die sie auch im Anschluss an die Jugendbegegnung weiter verfolgten. So entstanden schon zahlreiche interne Nachtreffen. Einige Jugendliche entschieden sich sogar für Studiengänge zum Thema Wasser bzw. Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Es entwickelten sich  auch weitergehende persönliche Freundschaften und zwei Pärchen.

Führen Sie die Partnerschaft auch in Corona-Zeiten weiter?

Bei unseren Partner*innen haben wir den großen Vorteil, über Städtepartnerschaften in zahlreichen Projekten verbunden zu sein, die auch anderweitige Begegnungen ermöglichen. Die Bande zwischen den Städten und Ländern werden so zu einem weitverzweigten Netz, das Beziehungen immer tragfähiger macht und auch in die nächsten Generationen hineinspielt.

Derzeit funktioniert der Kontakt schriftlich und digital, aber die nächsten realen Projekte werden schon geplant – teilweise verschoben – aber nicht aufgehoben. Schulaustausche auf digitalem Wege laufen schnell und einfach ab, da die Jugendlichen durch Homeschooling schon damit Erfahrungen haben. Wir berichten in der Presse über Corona-Maßnahmen und die Situation in den einzelnen Ländern und haben Fotoaktionen in unserem Schaukasten am Rathaus.

Was liegt Ihnen denn persönlich am Herzen?

Ich möchte bewirken, dass junge Menschen neugierig und ohne Vorurteile aufeinander zugehen können, Beziehungen knüpfen, Sprache und Vielfalt erleben, die Welt kennen lernen und ein Freundschaftsnetz über Europa ausbreiten. Das erweitert den Horizont und macht sie startklar für eine weltoffene, aufgeklärte und partnerschaftliche Zukunft.

(Das Interview führte Marco Heuer im Auftrag von JUGEND für Europa. / Foto: Europaarbeit Stadt Detmold)

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Weiterführende Informationen

Link: Mehr über die Europa-Arbeit der Stadt Detmold erfahren Sie unter: www.detmold.de/startseite/leben-in-detmold/gemeinschaft-und-soziales/europa-internationale-zusammenarbeit/

Link: Jugendbegegnungen werden über die Leitaktion 1 des EU-Programms Erasmus+ Jugend gefördert. Mehr zu den Förderbedingungen erfahren Sie auf unserer Programmseite: www.erasmusplus-jugend.de/foerderung/leitaktion-1/jugendbegegnungen/

Link: "Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaziele" ist ein Schwerpunkt in der neuen Programmgeneration von Erasmus+. Informationen hierzu finden Sie unter: www.erasmusplus-jugend.de/ueber-das-programm/nachhaltigkeit/.