09.12.2021

Gemeinsam den Schwierigkeiten trotzen: So lief der Treffpunkt.2021

Programm des TreffpunktsDer Start von neuen EU-Programmen ist bereits in "normalen" Zeiten eine Herausforderung. Neue Regeln, neue Tools (und manchmal auch ein neuer Name) wollen beachtet und verstanden werden. Doch es sind Pandemiezeiten – und nichts ist normal. Besonders nicht für Mobilitätsprogramme wie Erasmus+ und das Europäische Solidaritätskorps. Darüber musste geredet werden – auf dem Treffpunkt.2021 von JUGEND für Europa.

Natürlich findet der Austausch online statt. Der Treffpunkt von JUGEND für Europa ist das jährliche Treffen aller Trägerorganisationen aus Erasmus+ Jugend und dem Europäischen Solidaritätskorps in Deutschland. Wie im vergangenen Jahr erhält der Treffpunkt erneut einen digitalen Rahmen – inklusive der allseits bekannten Kacheln.

Auch wenn im zweiten Pandemie-Winter eine gewisse Online-Müdigkeit vorherrscht, der digitale Austausch wird dankend angenommen. Es gibt eben einen hohen Bedarf an Kommunikation und eine Menge an Fragen. Wie gut konnten die beiden EU-Jugendprogramme umgesetzt werden? Und wie geht es weiter mit Erasmus+ Jugend und dem Europäischen Solidaritätskorps?

Über 150 Projektverantwortliche nehmen am Treffpunkt teil – und das obwohl das Arbeitspensum am Jahresende hoch ist. Aufploppende E-Mails im Home Office gilt es in den zwei Veranstaltungstagen zu ignorieren. Es ist vielleicht eine der etwas leichteren Übungen in diesem Winter.

Viel Potential trifft auf schwierige Startbedingungen

Manfred von Hebel, stellvertretender Leiter von JUGEND für Europa, und Axel Stammberger vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend blicken zu Beginn der Veranstaltung zurück auf den Start der neuen Programmgeneration von Erasmus+ und dem Europäischen Solidaritätskorps.

„Das erste Fazit fällt leider nicht ganz so gut aus“, sagt von Hebel dann auch direkt. Denn natürlich habe der Start der neuen Programmgenerationen unter der Pandemie gelitten. So hätten die beiden Programme erst verspätet starten können. Doch seien dies nicht die einzigen Schwierigkeiten gewesen. Vor allem die neuen technischen Tools der EU-Kommission hätten Probleme bereitet (und tun dies leider weiterhin).

„Viele Dinge wie die neue zentrale Datenbank sind noch nicht zu Ende entwickelt. Das ist sehr dramatisch, denn das bedeutet für eine Nationale Agentur in der Größe von JUGEND für Europa einen sehr hohen zusätzlichen Arbeitsaufwand“, erläutert von Hebel die Situation. Das bedeute aber auch, dass Projektträger erst spät ihre Zu- oder Absagen erhalten können. „Wir können nicht zusagen, dass nächstes Jahr alles glatt läuft“, sagt von Hebel, auch wenn die technischen Probleme laufend mit der EU-Kommission erörtert werden, wie Axel Stammberger betont.

Ein großes Lob zollt von Hebel der Trägerlandschaft. Die Szene stehe ungeachtet der schwierigen Lage zu den Mobilitätsprogrammen. Dies belegen die Antragszahlen 2021.

Und dann kommen weitere gute Botschaften: Beide Programme bieten in ihrem neuen Design noch einmal verbesserte Möglichkeiten für junge Menschen und Organisationen. Die Bandbreite der Formate ist groß von DiscoverEU, über Jugendbeteiligungsprojekte sowie Fachkräftemaßnahmen, über Kooperationspartnerschaften für die Organisationsentwicklung bis hin zu individuellen Freiwilligentätigkeiten.

Auch die neuen programmübergreifenden Prioritäten passen, betont von Hebel.  Die Themen „Inklusion und Vielfalt“, „Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaziele“, „Digitaler Wandel“ sowie „Partizipation junger Menschen“ werden sehr gut angenommen.

Insgesamt stecke enorm viel Potential in den Programmen. Dieses Potential auszuschöpfen sei jetzt die Aufgabe für die kommenden Jahre und hier werde JUGEND für Europa seine Serviceangebote weiter ausbauen, verspricht von Hebel. Genug Förderbudget ist jedenfalls da. In Erasmus+ Jugend werden 2022 für Deutschland geplant rund 32 Millionen Euro und für das Europäische Solidaritätskorps rund 14 Millionen Euro zur Verfügung stehen.

2022 – Das Europäische Jahr der Jugend nutzen

Dass 2022 wieder Normalität in die Programmumsetzung einkehren wird, kann Axel Stammberger leider nicht versprechen. Unter anderem werde man sich auf Programmebene überlegen müssen, welche Regelungen für ungeimpfte Teilnehmende bei geförderten Projekten und Veranstaltungen gelten werden. All dies werde Anfang 2022 besprochen.

Und dann verweist Axel Stammberger noch auf das Europäische Jahr der Jugend im kommenden Jahr. Auch wenn es überraschend gekommen sei, es werde den Programmen durchaus neuen Schwung geben, gibt er sich optimistisch. Auf jeden Fall werde es die Belange des Jugendbereichs verstärkt ins Blickfeld rücken.

Anschließend haben die Teilnehmenden die Chance in Workshops Rückmeldungen zu geben. Mehr Austausch und mehr Schulungen werden mehrfach gewünscht. Gerade bei digitalen Maßnahmen habe es zwar technisch große Fortschritte gegeben, pädagogisch bestehe aber Nachholbedarf.

Die Antragsformulare stehen (weiterhin) in der Kritik, da sie immer noch zu aufwändig sind. Und auch die Tools sind nicht wirklich einfach zu handhaben – was dem inklusiven Anspruch der beiden Programme nicht gerecht wird.

Es gibt konkrete Rückfragen zu Förderpauschalen und insbesondere viele Empfehlungen, wie die Förderung von ökologisch nachhaltigen Projekten verbessert werden kann. Insbesondere bei den Bedingungen zum „Green-Travel“ (der Förderung von nachhaltigen Reisekosten) sehen viele noch Nachbesserungsbedarf. Gelobt wird ausdrücklich die Beratung und Unterstützung durch JUGEND für Europa.

Der zweite Tag

Auch am zweiten Tag öffnen sich wieder etwa 150 Kacheln. Input, Austausch und Fragen stehen ganz im Zeichen von europäischer Jugendarbeit in Zeiten der Pandemie. Die Teilnehmenden beschäftigen sich mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Jugendarbeit in Europa. Eine zentrale Frage begleitet sie durch den Tag, nämlich: Wie können wir mit den Mitteln der Programme Europa wieder auf die Beine helfen?

Diese Frage hat Andreas Karsten den Anwesenden mit auf den Weg gegeben. Karsten forscht mit dem RAY-Netzwerk zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Jugendarbeit in Europa und wie Jugendarbeit mit diesen Auswirkungen umgeht. RAY steht für „Research-based analysis of European youth programmes“; im RAY-Netzwerk vertreten sind 32 Nationale Agenturen der EU-Jugendprogramme und ihre Forschungspartner*innen.

Forschungsergebnisse beleuchten Situation der Jugendarbeit

Karsten berichtet über die Ergebnisse aus der laufenden Forschung. Aus Sicht der Jugendarbeit überrasche es, so die Forschung, dass trotz des kritischen Einflusses der Pandemie auf die geistige Gesundheit junger Menschen so gut wie keine politischen Ansätze zum Thema entwickelt werden. Offensichtlich sei, dass die Pandemie Jugendarbeit bis ins Mark erschüttert habe und die finanziellen Auswirkungen der Krise hart seien. Dringend müsse mehr und bessere Unterstützung für Jugendarbeit gewährleistet werden.

Aus Sicht der Jugend berichtet die Forschung Erfreuliches, und zwar, dass Jugendarbeit und junge Menschen sich gegenseitig durch die Krise helfen. Dem gegenüber erschüttere jedoch, dass benachteiligte Jugendliche oft unerreichbar werden. Ernüchternd sei auch, dass Jugendliche sich in Medien und Politik zu oft nicht wiederfänden. Ermutigend sei jedoch, so Karsten, dass diejenigen jungen Menschen, die weiterhin Zugang zu Jugendarbeit haben, sich stärker in und für Jugendarbeit engagieren.

Aus Sicht der Jugendpolitik gebe es frustrierende Einsichten zu berichten, fährt Karsten fort. So komme Jugend(arbeit) in den nationalen Wiederaufbau- und Resilienzplänen nicht genug vor. Und darum rüttele die Forschung auf, weil die Potenziale dieser Reaktionspläne für Jugend(arbeit) ohne massive Lobbyarbeit „vom Winde verweht“ werden.

Die Teilnehmenden des Treffpunkts können die Forschungsergebnisse gut aus ihrer eigenen Praxis nachvollziehen. Mit den Erfahrungen aus den letzten anderthalb Jahren wünschen sie sich beispielsweise Angebote, welche die Resilienz von Trainer*innen fördern. Auch von Unterstützung der Nationalen Agentur bei der Lobbyarbeit für Jugendarbeit ist die Rede. Ebenso sollten die Programme laufend auf ihre Förderinstrumentarien und Fördersätze hin überprüft werden.

Denn generell müsse sich in der Anerkennung dessen, was Jugendarbeit leistet, einiges verbessern, so die einhellige Meinung. Nur so könne Jugendarbeit angemessen auf die Auswirkungen der Pandemie reagieren.

Wiederaufbau der europäischen Jugendarbeit steht an

„Wir werden alle Ihre Rückmeldungen aus den beiden Tagen sichten, auswerten, in die entsprechenden Gremien ein- und an den relevanten Stellen weiterbringen“, versichert Manfred von Hebel den Projektträgern in der Abschlussrunde und verweist in dem Zusammenhang auch noch auf die „Youth Work Recovery Conference“, die für Juni 2022 geplant ist.

Axel Stammberger kündigt an, dass sich das Ministerium stärker an solchen Veranstaltungen wie dem Treffpunkt.2021 beteiligen und in die Ergebnisverarbeitung einbringen werde. „Wir möchten uns aus erster Hand ein Bild der Stimmung in der Trägerlandschaft machen, Konkretes unmittelbar anstoßen und in Angriff nehmen können.“

Alle sind sich einig, dass der Treffpunkt.2021 inhaltlich intensiv, aber gerade darum sehr bereichernd und motivierend gewesen ist. Das Programm und die Möglichkeit, sich zu vernetzen und auszutauschen, haben für eine durchweg positive Atmosphäre gesorgt. Gelobt werden auch Organisation und Moderation sowie die Offenheit der Nationalen Agentur für konstruktive Kritik. Auf den Treffpunkt 2022 freuen sich viele schon jetzt (dann hoffentlich wieder in Präsenz) und schließen nach zwei erfolgreichen Tagen mit gedrückten Daumen ihre Kacheln.

(JUGEND für Europa)

---

Weiterführende Informationen

Download: Präsentation zum Stand der Umsetzung der EU-Programme Erasmus+ Jugend und Europäisches Solidaritätskorps in Deutschland von Manfred von Hebel

Link: Mehr zu den Forschungsergebnissen zur Situation der europäishen Jugendarbeit erfahren Sie auf der Seite des RAY-Netzwerkes: www.researchyouth.net/.