20.07.2022
Erasmus+ 2014-2020: Partizipation und aktive Bürgerschaft im Fokus
Das europäische RAY-Netzwerk untersucht systematisch die Effekte, Wirkungen und Entwicklungen der EU-Jugendprogramme bei Teilnehmenden, Teamer*innen und Projektverantwortlichen. Im nachfolgenden Artikel werden die Ergebnisse fokussiert auf die Förderung von Partizipation und aktiver Bürgerschaft im Rahmen der europäischen Jugendarbeit vorgestellt.
Eva Feldmann-Wojtachnia
Dr. Barbara Tham
Welche Erfahrungen machen die Teilnehmenden an EU-Jugendprogrammen? Und was bewirken die Projekte in der europäischen Jugendarbeit? Diesen Fragen geht das europäische Netzwerk "Research-based analysis of European youth programmes" (RAY) systematisch nach und untersucht die Effekte, Wirkungen und Entwicklungen der EU-Jugendprogramme bei Teilnehmenden, Teamer*innen und Projektverantwortlichen.
Für die Programmlaufzeit 2014-2020 wurden die Ergebnisse in einem Datenreport zusammengestellt und hinsichtlich der Umsetzung der Programme und der verfolgten Ziele dargelegt. Der nachfolgende Artikel stellt die Ergebnisse fokussiert auf die Förderung von Partizipation und aktiver Bürgerschaft im Rahmen der europäischen Jugendarbeit vor und bezieht sich im Folgenden auf die Erhebung 2019/20.
Jugendpartizipation: Interesse trifft auf Angebote
Ein grundlegendes Ziel der aktuellen EU-Jugendstrategie (2019–2027) richtet sich auf die Förderung der Beteiligung junger Menschen am gesellschaftlichen und demokratischen Leben. Die EU-Jugendprogramme sollen Partizipation und aktive Bürgerschaft ermöglichen und neue Räume und Angebote für Engagement und Mitwirkung schaffen. Die bewusste Auseinandersetzung mit demokratischen Werten, gesellschaftlichen Entwicklungen und Anliegen junger Menschen in Europa stehen demgemäß im Zentrum der Projekte.
Die RAY-Untersuchungen zeigen, dass Projekte mit solchen Angeboten das Interesse der Teilnehmenden treffen. Durchschnittlich 39 % und in besonderem Maße Teilnehmende an Projekten des EU-Jugenddialogs (64 %) geben als Grund für ihre Mitwirkung im Projekt an, sich mit sozialen oder politischen Themen befassen zu wollen. Die qualitativen Begleitstudien von RAY verdeutlichen zudem das Lernpotential, welches in den Projekten liegt, und welche zentrale Rolle eine inhaltliche Fokussierung auf Partizipation spielt.
Reflexion von aktuellen Entwicklungen in Gesellschaft und Politik
Etwa ein Drittel der befragten Teilnehmenden gibt nach dem Projekt an, etwas Neues über aktive Bürgerschaft, Partizipation in der Zivilgesellschaft und am politischen Leben erfahren zu haben (33 %). Ein Viertel hat in den Projekten etwas zu Demokratie gelernt (26 %). In besonderem Maße profitieren die Teilnehmenden des EU-Jugenddialogs. Die Hälfte von ihnen hat spezielle Kenntnisse zu Partizipation und aktiver Bürgerschaft erworben (53 %) und Neues über Demokratie erfahren (49%). Überdurchschnittlich zustimmend antworten auch 41 % der Teilnehmenden von Fortbildungsmaßnahmen (TCA). Von den Projektverantwortlichen geben 34 % an, dass Partizipation und aktive Bürgerschaft explizit Gegenstand ihrer Projekte war, und bei 22 % war Demokratie ein Thema im Projekt.
Engagement braucht Fertigkeiten und Fähigkeiten
Die positive Einschätzung des Lern- und Erfahrungszugewinns spiegelt sich auch bei der Verbesserung von Fähigkeiten und Fertigkeiten wider. 90 % der Befragten sind der Auffassung, dass sie infolge ihrer Teilnahme am Projekt etwas im Interesse der Gemeinschaft oder Gesellschaft erreichen können. 88 % sehen sich darin bestärkt, eine Idee zu entwickeln und in der Praxis umzusetzen. Auch stimmt ein Großteil der Teilnehmenden der Aussage zu, dass sie mit Hilfe des Projektes nunmehr politische Themen tiefgreifender diskutieren können (63 %). Dies trifft besonders auf die Teilnehmenden von Projekten des EU-Jugenddialogs (86 %) zu.
Follow-Up-Aktivitäten
Als Ergebnis ihrer Projektteilnahme haben 76 % der Teilnehmenden Kontakte geknüpft, die sie für ihr soziales und politisches Engagement als nützlich einstufen. Besonders wichtig ist dies für die Teilnehmenden von Fortbildungsmaßnahmen im Bereich der Jugendarbeit (84 %). Über die Hälfte der Befragten (60 %) beabsichtigt sogar, Mitglied in einer politischen oder sozialen Bewegung, Vereinigung oder Organisation zu werden. Bei den Teilnehmenden des Strukturierten Dialogs sind dies sogar 67 %.
Nach ihrer Teilnahme am Projekt ist für 51 % der Befragten das Thema Demokratie wichtiger geworden. Ein Viertel nimmt verstärkt am demokratischen und politischen Leben teil (25 %). Diese Wirkung beschreiben erneut besonders die Teilnehmenden des EU-Jugenddialogs. Ein größeres Engagement im Freiwilligenbereich nennen 41 % der Befragten sowie 37 % in der Zivilgesellschaft.
Zudem sehen viele Teilnehmende einen Zusammenhang zwischen der Projektteilnahme und dem eigenen Engagement im Umweltschutz. Nach Einschätzung von 43 % der befragten Jugendlichen bewirkte ihre Teilnahme am Projekt, aktiver zum Umweltschutz beizutragen als zuvor. Die größte Zustimmung findet sich hier unter den Teilnehmenden des Europäischen Freiwilligendienstes (52 %).
Aktive Bürgerschaft stärkt den Zusammenhalt in Europa
Die von RAY erhobenen Daten zeigen deutlich, dass die Teilnehmenden Partizipationskompetenz entwickeln. In den Projekten wird ihr Interesse an gesellschaftspolitischen Inhalten geweckt. Sie erhalten die Möglichkeit und adäquate Unterstützung, eigene Vorhaben zu entwerfen und umzusetzen. Die Projekte bieten einen Raum, alternative und inklusive Formen der demokratischen Teilhabe auszuprobieren und sich darüber auszutauschen.
Partizipation und aktive Bürgerschaft entstehen in den Projekten jedoch nicht von selbst. Sie müssen zielgerichtet geplant und umgesetzt werden. Dies erfordert eine entsprechend qualifizierte Jugendarbeit, deren Standards ebenfalls durch die EU-Jugendprogramme nachhaltig gefördert und weiterentwickelt werden. Insbesondere durch die Leitaktion 2 sowie Maßnahmen zur Youth Worker Mobility (YWM) und Transnational Cooperation Activities (TCA) werden Weiterbildungsangebote, länderübergreifender Austausch und die Erarbeitung neuer Formate, Methoden und Materialien ermöglicht.
In der Neuausrichtung der EU-Jugendprogramme (2021-2027) ist die Förderung der aktiven Bürgerschaft junger Menschen in Europa nochmals deutlich gestärkt worden. Partizipation ist eine der vier Programmprioritäten von Erasmus+ und Europäischem Solidaritätskorps und steht somit im Fokus aller Projekte und Aktivitäten. Die aktuellen Entwicklungen in Gesellschaft und Politik bestätigen die Schwerpunktsetzung und zeigen die Notwendigkeit, Jugendliche auf ihrem Weg stärker als bisher dabei zu unterstützen, eine aktive Rolle in der Gesellschaft zu übernehmen. Nur so kann die Demokratie angesichts der zahlreichen Krisen in Europa wehrhaft bleiben.
Der nächste Beitrag zu den Ergebnissen des Programms Erasmus+ JUGEND IN AKTION beschäftigt sich mit dem Schwerpunktthema "Lernwirkungen".
Zum zweiten Beitrag: Erasmus+ 2014-2020: wirkt auch auf der lokalen Ebene
Zum ersten Beitrag: Erasmus+ 2014-2020: großes Bewusstsein und Engagement für Inklusion und Vielfalt
Zum vollständigen RAY-MON Comparative Research Report 2014-2020 auf der RAY-Seite
Mehr zum RAY-MON Comparative Data Report 2014-2020
(im Auftrag von JUGEND für Europa)