14.08.2023
Freiwilligenteams im ESK: Europa gemeinschaftlich erfahren
Seit 2019 bietet GOEUROPE! regelmäßig Projekte für Freiwilligenteams in der Europäischen Jugendbildungsstätte Magdeburg an. Im Gespräch mit JUGEND für Europa gibt Dr. Christina Langhans Einblicke in die Organisation und Potentiale von Freiwilligenteams im Europäischen Solidaritätskorps. Sie ist Leiterin von GOEUROPE! bei der EJBM, der Fach- und Beratungsstelle für internationale Jugendarbeit in Sachsen-Anhalt.
JUGEND für Europa: Sie veranstalten seit 2019 regelmäßig Freiwilligenteams. Welchen Mehrwert bietet dieses Format aus Ihrer Sicht?
Christina Langhans: Freiwilligenteams bieten niedrigeschwellige Möglichkeiten für junge Menschen, um erste Erfahrungen im Ausland zu sammeln und um sich intensiv mit einem Thema auseinanderzusetzen oder einer Aktivität zu widmen.
Junge Menschen aus Deutschland, die Sorge haben ins Ausland zu gehen, aber trotzdem in Berührung mit jungen Menschen aus anderen Kulturen und Ländern kommen möchten, haben so die Möglichkeit erste europäische und interkulturelle Erfahrungen zu sammeln. Als Eurodesk-Partner weisen wir oft auf diese Möglichkeit hin, eine erste europäische Erfahrung zu sammeln.
Darüber hinaus können Freiwilligenteams auch lokal positive Wirkungen erzielen.
Können Sie Beispiele nennen, wie Freiwilligenteams über die Teilnehmenden hinaus Wirkung entfalten können?
2019 und 2021 sind wir mit einem Freiwilligenteam auf mehreren lokalen Musikfestivals unterwegs gewesen. Die jungen Freiwilligen standen dort als lebendige Bibliothek zur Verfügung: Die Festivalbesucher*innen konnten sich ein Buch, d.h. eine*n Freiwillige*n sozusagen ausleihen, um mehr zu erfahren – über sie, ihre Geschichte, ihre Kultur sowie über europäische und internationale Mobilitätsangebote.
Dank des flexiblen Budgetverfahrens im Europäischen Solidaritätskorps konnten wir 2022 ein Freiwilligenteam innerhalb von zwei Wochen organisieren. Unter dem Projektnamen „Stand with Ukraine“ kamen ukrainisch und russisch sprechende Freiwillige zur Unterstützung von Geflüchteten aus der Ukraine zusammen. Den jungen Geflüchteten konnte so das Ankommen in Magdeburg etwas erleichtert werden.
2022 kamen zwölf Freiwillige nach Magdeburg und nahmen am Projekt “Be part of art” teil. Aus dem Projekt ist u.a. eine Ausstellung entstanden, die auf Tour durch Sachsen-Anhalt ging. So kamen die jungen Freiwilligen in den Dialog mit der örtlichen Bevölkerung. Im Reden versteht man am besten was anders und was gleich ist.
Im Mai 2023 fand in der Europäischen Jugendbildungsstätte Magdeburg eine europäische Jugendbegegnung zu den Themen E-Sports, Gaming, Digitalisierung und Nachhaltigkeit statt. Diese wurde von einem Freiwilligenteam begleitet. Worum ging es im Projekt?
E-Sports ist ein hochaktuelles Thema und bewegt viele junge Menschen, europaweit. Wir haben die Unterstützung durch junge Freiwillige gesucht, um das Thema jugendgerecht aufzubereiten und entsprechend der Bedarfe der Zielgruppe ein E-Sports-Turnier als Jugendbegegnung zu veranstalten.
Anfang Mai reisten zwölf europäische Freiwillige nach Magdeburg. Mit einem Experten aus einem lokalen E-Sports-Verein setzten sie sich in Workshops mit dem Thema „E-Sports“ auseinander – auch dazu wie man als E-Sportler*in trainiert und auf seine*r Gesundheit achtet.
Anschließend haben die Freiwilligen uns bei der Vorbereitung der Jugendbegegnung unterstützt und u.a. die technischen Anforderungen formuliert, darunter die notwendige IT-Ausstattung und die Anforderungen an die Internet-Verbindung. Ein Teil der Technik haben wir dann angemietet. Leider konnten wir nicht durchgehend mit einer stabilen Internetleitung arbeiten und mussten daher teilweise offline spielen. Das hat der Stimmung aber keinen Abbruch getan.
Knapp 50 Teilnehmer*innen aus Frankreich, Polen, Griechenland, Deutschland, Slowenien, Italien, Estland und Spanien nahmen am Turnier teil.
Mit dem Thema E-Sports schaffen wir Zugänge für einen europäischen Austausch – insbesondere für introvertierte junge Menschen. Über dieses Thema kommen wir außerdem auf andere Themen zu sprechen, wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung.
Was sollten aus Ihrer Erfahrung heraus Träger und Organisationen beachten, wenn sie Freiwilligenteams organisieren?
Sich auf alles gefasst machen. Erfahrungsgemäß treten alle möglichen Herausforderungen auf; auch die, die man nicht erwartet. Es hilft, wenn man zu Beginn klare Regeln aufstellt und ausspricht, und auf die örtliche Gesetzgebung und Verhaltensregeln hinweist. Auch sollte man den Freiwilligen die Möglichkeit einräumen, sich am Programm zu beteiligen und die gesamte Projektlaufzeit nicht bis ins kleinste Detail vorplanen.
Um die Sicherheit zu gewährleisten ist es wichtig, dass eine Ansprechperson aus der Organisation immer erreichbar ist – auch nachts.
Wenn die Möglichkeit besteht, ist es für Träger, die über eigene Räumlichkeiten verfügen einfacher Freiwilligenteams zu beherbergen und auf etwaige kurzfristige Änderungen zu reagieren – etwa wenn nicht alle Plätze belegt werden.
Und nicht zuletzt: Wenn die Freiwilligen sich selbst versorgen sollen, ist es hilfreich ihnen Kochbücher oder Rezepte an die Hand zu geben, damit sie u.a. Mengen besser einschätzen können. Wir hatten mal ein Team, das für ein Gericht vier Kilo Feta-Käse besorgte...
Wie gewinnen Sie Freiwillige für die Freiwilligenteams?
Wir veröffentlichen unsere Angebote im PASS-Tool und verbreiten sie in den Social-Media-Kanälen und ESK-Facebook-Gruppen. Wir informieren außerdem unsere europäischen Partner über diese Angebote, damit sie diese weiterleiten können.
Wir führen ausführliche Interviews über Zoom mit den Bewerber*innen, um das Projekt vorzustellen und sicherzustellen, dass die angehenden Freiwilligen bei uns glücklich sein werden. Es kann passieren, dass die Bewerber*innen das Projekt vorab nicht gut einschätzen können bzw. Erwartungen haben, die nicht mit unseren Erwartungen übereinstimmen. Es ist daher besonders wichtig sich vorab im Detail auszutauschen.
Wie reflektieren Sie das Erlernte und die Erfahrungen mit den Freiwilligen?
Regelmäßige Reflexionsrunden in Kleingruppen und, wenn gewünscht, im Einzelgespräch sind stets Bestandteil unserer Maßnahmen. Die ESK-Freiwilligen bekommen – wie all unsere Teilnehmer*innen im Rahmen eines EU-Jugendprogramms – ein Youthpass-Zertifikat. Unserer Erfahrung nach unterstützt Youthpass mit begleitenden Reflexionsmöglichkeiten während der Aktivität, die Lernpfade der Teilnehmenden effektiv.
Frau Dr. Langhans, herzlichen Dank für die Einblicke in Ihre Arbeit und Ihre Zeit!
(JUGEND für Europa)
Weiterführende Informationen
Mehr Informationen zu den Frewilligenteams im Europäischen Solidaritätskorps finden Sie auf unserer Internetseite zum EU-Programm.
Mehr über die Arbeit von GOEUROPE! erfahren Sie hier: www.goeurope-lsa.de/