30.04.2024

Mit Erasmus+ Sport auf der richtigen Welle reiten

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Ehrenamtliche stärken und ein europäisches Netzwerk im Sport aufbauen – das sind Vorhaben und Ziele, die sich mit dem EU-Programm Erasmus+ Sport erreichen lassen. Dem Deutschen Wellenreitverband (DWV) ist das durch mehrere Entsendungen von ehrenamtlich Engagierten nach Dänemark und Portugal gelungen. Jannik Dörr ist Projektleiter und berichtet im Interview mit JUGEND für Europa von den Erlebnissen und Lernwirkungen für seine Organisation.

JUGEND für Europa: Sie haben in Ihrem Projekt im vergangenen Jahr mehrere Ehrenamtliche in unterschiedliche Länder entsendet. Was waren die Bedarfe des DWV? 

Jannik Dörr: Wir brauchen kontinuierlich gut geschulte Punktrichter*innen und möchten unser Engagement im inklusiven Surfen, dem sog. “adaptive Surfing” verstärken. Für unsere Weiterbildung und -entwicklung lohnt sich die internationale Zusammenarbeit und Netzwerkarbeit.

Das klingt so, als käme die neue Leitaktion 1 in Erasmus+ Sport für den DWV wie gerufen. Warum genau sind Auslandsaufenthalte für die Fortbildung von Mitarbeitenden Ihres Verbandes besonders wichtig?  

Ja, definitiv. Zwar haben wir mit dem Rapid Surfing, also dem Surfen auf stehenden Wellen, oder dem Stand Up Paddling auch Disziplinen in unserem Verband, die in Deutschland ausgeübt werden. Aber im klassischen Wellenreiten – also beim Surfen ohne Segel – finden nur wenige Wettkämpfe im eigenen Land statt. Die Bedingungen an deutschen Küsten sind einfach nicht stabil genug für eine angemessene Veranstaltungsplanung.

An anderen Küsten im europäischen Ausland sieht das anders aus. Dort finden deutlich mehr Wettkämpfe, Trainingslager und Surfcamps statt, von denen wir fachlich lernen können. Auch die Deutsche Meisterschaft im Wellenreiten findet an der französischen Atlantikküste statt, weil wir sicher sein können, für die gesamte Wettkampfzeit optimale Bedingungen zu haben. Wir reisen daher ständig für unsere Sportart und können so wertvolle Erfahrungen im Weiterbildungskontext sammeln.

Was zeichnet ihren Verband noch aus?  

Wir sind ein Dachverband für Trendsportarten und keine klassisch organisierte Sportart. Das bedeutet, die Szene an Wassersportler*innen in Deutschland ist zwar groß, aber nur wenige Menschen sind in (Surf-)Vereinen organisiert oder möchten welche gründen.

Der DWV übernimmt zugleich Aufgaben eines Verbandes und eines Vereins. Wir selbst haben nur neun Mitgliedsvereine und es gibt keine Landesebene im Surfsport. Diese überschaubare Größe wirkt sich natürlich auf die Ressourcenzugänge im Breitensport aus. Dennoch ist der DWV dort insgesamt in einem kontinuierlichen Professionalisierungsprozess und im Leistungssport, dank Spitzensportförderung, in diesem Jahr erneut mit Athlet*innen bei den Olympischen Spielen vertreten.

Also ein kleiner Verband mit großen Aufgaben. In welchem Bereich sind die Teilnehmenden Ihres Projektes tätig?   

Die ehrenamtlichen Punktrichter*innen, sog. „Judges“, sind bei der Wettkampfdurchführung der von uns ausgerichteten Deutschen Meisterschaft im Wellenreiten aktiv. Diese richtet sich nicht nur an Leistungssportler*innen, sondern ist offen für alle. Sie bietet Surfer*innen vieler Altersklasse die Chance, sich auch mal in einem Wettkampf zu messen.

Es ist, abgesehen von unseren Kaderathlet*innen, Wettkampf-Surfen auf Breitensportniveau. Jede*r kann teilnehmen, ohne eine Vorqualifikation über Wettkämpfe. Ein bisschen so wie bei einem Volkslauf (lacht). Als Verband müssen wir dafür sorgen, dass wir genug Judges haben und sie gut qualifiziert sind.

Welche Personen haben Sie nach Dänemark und Portugal entsendet?  

Mehrheitlich Ehrenamtliche, die schon länger bei uns sind und von denen wir wissen, dass sie schon an anderer Stelle engagiert waren, z. B. bei der Ausrichtung von Wettkämpfen. Es ist uns wichtig, Leute gezielt zu fördern, die sich kontinuierlich im Ehrenamt beteiligen. Die meisten unserer neun Teilnehmenden sind ehrenamtliche Punktrichter*innen, eine Person leitet intern den Fachausschuss für “Judging”, eine weitere ist nun im Fachausschuss für Adaptive Surfing aktiv.

Bevor Sie Engagierte Ihres Verbandes mit Erasmus+ Sport für Job-Shadowings entsenden konnten, brauchten Sie Partnerorganisationen. Wie haben Sie Ihre Partner gefunden? 

Wir haben unser bestehendes Netzwerk genutzt. Beispielsweise waren deutsche Punktrichter*innen bereits in der Vergangenheit an dänischen Wettkämpfen beteiligt. Bei einem portugiesischen Partner (Surf Club Viana) fand vor einigen Jahren ein Trainingslager der Nationalmannschaft statt.

Zusätzlich habe ich frühere Kontakte aus dem Leistungssportbereich aktiviert, in dem ich mehrere Jahre hauptberuflich tätig war. Grundsätzlich kann ich empfehlen, offen auf andere Organisationen zuzugehen. Damit haben wir immer gute Erfahrungen gemacht.

Welche Einsatzorte haben Sie besucht?  

Die Einsatzorte für die kurzen Job-Shadowings zwischen zwei und acht Tagen waren ganz unterschiedlich. Einige Teilnehmende waren bei Surfwettkämpfen, andere waren bei einer Veranstaltung bzw. Surfcamp rund um das Thema inklusives Surfen. Ich selbst war mit einem Kollegen beim Dänischen Nationalen Wellenreitverband.

Sie haben demnach die Chance ergriffen, innerhalb eines Projektes mehrere Menschen an verschiedene Orte in unterschiedlichen Ländern zu entsenden. Was haben die Teilnehmenden vor Ort gelernt und wieder mit nach Hause genommen?  

Durch die Auslandserfahrung konnten die Teilnehmenden ihr Selbstbild als Judging-Team positiv stärken. Sie haben verstanden, dass wir uns in Deutschland gegenüber anderen Ländern mit dem Niveau unserer Surfwettkämpfe nicht verstecken müssen.

Insgesamt haben wir viele Impulse bekommen. In Portugal konnten unsere Judges das sog. „priority judging“, quasi besondere „Vorfahrtsregeln“ im Wasser, miterleben. Diese Erfahrung hilft dann möglicherweise bei der Entscheidung, ob diese Regeln auch bei einer Deutschen Meisterschaft angewendet werden sollen. Viele der Teilnehmenden haben wir nach dem Job-Shadowing als Punktrichter*innen bei der Deutschen Meisterschaft eingesetzt.

Rund um den Einsatz zum “adaptive surfing” lernte die Teilnehmerin unter anderem, welche Ausrüstung und welches Material für inklusives Surfen benötigt wird und welche verschiedenen Gründe für Behinderungen und Beeinträchtigungen es gibt. Sie konnte sich ein Bild davon machen, wie Surfkurse für Senior*innen und Kinder aussehen können. Der interne Austausch dazu schafft Grundlagen, mit deren Hilfe wir in Deutschland Dinge weiterdenken und -entwickeln können. Und vor allem lernte sie die richtigen Leute kennen, um den DWV langfristig im Themenfeld zu vernetzen.

Ich selbst wurde beim Dänischen Nationalverband sehr freundlich empfangen und bekam unter anderem eine Einführung in ihre Organisationsführung und erfuhr mehr über ihre Prioritäten. Das war sehr interessant und inspirierend. Darüber hinaus entstehen hoffentlich aus dem direkten persönlichen Kontakt leichter neue Wege der Zusammenarbeit.

Die Lernerfahrungen waren also ziemlich vielseitig. Gibt es weitere Planungen, wie Sie mit Hilfe von Erasmus+ Sport Ihren Verband und Ihre Sportart weiterentwickeln möchten?  

Ja, wir möchten das Förderprogramm gerne langfristig nutzen. Bei einem weiteren Projekt wollen wir nochmal den Fokus auf das Thema Judging und die Zielgruppe Punktrichter*innen legen. Perspektivisch soll es danach einen Schwerpunkt auf die Etablierung eines Trainerpools geben. Dafür sollen zehn Personen für einen ganzen Monat entsendet werden. Wir planen also auch das Format Coaching-/Praxis-Einsätze zu erproben und für uns nutzbar zu machen.

Lieber Herr Dörr, dann wünschen wir weiterhin viel Erfolg und Freude bei Ihren Vorhaben und bedanken uns herzlich für das Gespräch.  

(JUGEND für Europa / Fotos: @surfclubeviana)

Weitere Informationen zum Deutschen Wellenreitverband: www.wellenreitverband.de  

Gruppenbild der Teilnehmenden des Projekts