02.10.2024

Treffpunkt.2024: "Demokratieförderung sichtbarer in den Vordergrund stellen"

Zitat: In vielen europäischen Jugendprojekten wird zum Thema “Demokratieförderung” gearbeitet. Die Träger wünschen sich mehr Sichtbarkeit und mehr fachlichen Austausch, um von erfolgreichen Ansätzen profitieren zu können.

In bewährter digitaler Form lud JUGEND für Europa alle Projektträger in Erasmus+ Jugend und dem Europäischen Solidaritätskorps (ESK) zur gemeinsamen Jahrestagung ein. Auf dem Treffpunkt.2024 diskutierten bis zu 140 Teilnehmende über die Umsetzung der beiden EU-Jugendprogramme. Ingrid Müller (Programmleiterin Erasmus+ Jugend) und Heike Zimmermann (Programmleiterin ESK) blicken zurück auf die Veranstaltung. Welches Feedback gab es? Wie werden sich die Programme weiterentwickeln?

Liebe Heike, liebe Ingrid, der Treffpunkt von JUGEND für Europa ist immer der Ort, an dem ihr auf die Programmumsetzung in den letzten Monaten zurückblickt. Seid ihr zufrieden, wie sich die europäischen Jugendprogramme 2024 entwickelt haben?

Heike: Ja, insgesamt sind wir auf jeden Fall sehr zufrieden mit den Entwicklungen in diesem Jahr, wobei es natürlich aktionsspezifisch einige Unterschiede gibt. Während die Freiwilligenprojekte gut nachgefragt werden und uns eher Mittel fehlen, um alle Projekte in vollem Umfang fördern zu können, ist bei den Solidaritätsprojekten noch Luft nach oben.

Besonders erfreulich ist bei den Freiwilligenprojekten der hohe Anteil an jungen Menschen mit geringeren Chancen von über 40% und an der Nutzung von Green Travel mit über 60%.

Ingrid: Auch mit den Entwicklungen bei Erasmus+ Jugend sind wir sehr zufrieden. Die Antragszahlen haben sich auf hohem Niveau stabilisiert. Wir sehen viele Projekte von guter und sehr guter Qualität und freuen uns sehr über den Anstieg akkreditierter Träger.

Eine zweischneidige Entwicklung ist dagegen die hohe Anhebung der Fördersätze für individuelle Unterstützung in den meisten Formaten. Damit sind zwar die Maßnahmen der Träger endlich besser finanziert, auf der anderen Seite sinken dadurch die Förderquoten und voraussichtlich auch die Teilnehmendenzahlen.

Sorgen bereitet uns das Format DiscoverEU Inklusion, bei dem wir die zur Verfügung stehenden Fördermittel nicht einmal zur Hälfte ausschöpfen können, wobei diejenigen, die gefördert werden, von sehr positiven Erfahrungen berichten.

Welches Feedback haben euch die Projektträger gegeben? Was hat sich bewährt in den Programmen?

Ingrid: Insgesamt gab es deutlich weniger Feedback als bei den vorangegangenen Veranstaltungen, was sicher daran liegt, dass gerade die Zwischenevaluierung abgeschlossen wurde. Auch nehmen wir es als Zeichen wahr, dass die Programme inzwischen gut bekannt und etabliert sind und den Bedarfen aus dem Feld weitgehend entsprechen.

Heike: Erfreulicherweise gab es einiges an positiven Rückmeldungen, wonach Träger die Formate Solidaritätsprojekte, Jugendpartizipationsprojekte und Small scale Partnerships gut und gerne nutzen.

Wo sehen sie Verbesserungsbedarf?

Heike: Kritische Rückmeldungen gab es hauptsächlich zu verfahrenstechnischen Fragen wie z.B. zur Versicherung im Freiwilligendienst, zur Vertragsgestaltung oder zu Antragsformularen.

Erneut gab es relativ viele Kommentare, die sich auf die unterschiedlichen Tools bezogen haben, sei es OLS, PASS-Tool oder Youthpass, zu denen Verbesserungsbedarfe geäußert wurden. Auch das Thema Vereinfachung und Verschlankung der Verfahren ist und bleibt ein Dauerthema, das immer noch nicht zufriedenstellend gelöst ist.

Ingrid: Das gleiche gilt für Erasmus+. Hier gibt es außerdem den Wunsch, die Teilnehmendenberichte sprachlich und inhaltlich jugendgerechter zu gestalten, damit gerade junge Menschen mit geringeren Chancen ihre Sichtweisen einbringen können.

Das Thema "Demokratie(&)Förderung – Impulse aus der Praxis" stand im Fokus des Treffpunkts. Hierzu habt ihr Projekte eingeladen, die sich mit Demokratieförderung beschäftigt haben. Welche Impulse gehen von diesen Projekten aus?

Heike: Auf unseren Aufruf zur Einreichung von good practice-Projekten zum Thema Demokratie sind erfreulich viele Rückmeldungen eingegangen. Letztlich wurden drei Projekte aus den unterschiedlichen Programmbereichen ausgewählt, um zu demonstrieren, dass ganz unterschiedliche Formate die Thematik aufgreifen können.

In den Diskussionen im Nachgang zu den Projektvorstellungen wurde deutlich, dass bereits in vielen Projekten zu diesen Themen gearbeitet wird. Die Träger äußerten den Wunsch nach mehr Sichtbarkeit wie auch nach Räumen für einen fachlichen Austausch, um von erfolgreichen Ansätzen profitieren und voneinander lernen zu können.

Diese Impulse greifen wir gerne auf. Wir wollen geeignete Angebote entwickeln, um genau diesen fachlichen Austausch zu unterstützen.

Die Zwischenevaluation hat Erasmus+ und das ESK als Flagship-Programme der EU bezeichnet, weil sie in schwierigen Zeiten das demokratische Engagement stärken. Was denkt ihr: Wird auf die Programme eine noch stärkere Verantwortung zukommen, die Demokratie in Europa zu schützen?

Ingrid: In dieser Formulierung ist es vielleicht eine etwas überhöhte Erwartung an die Programme, aber in der Tat zeigen Forschungsergebnisse bereits jetzt, dass sich mit über 50% ein deutlich höherer Anteil der Programmteilnehmenden im Anschluss an ihre Projekte stärker zivilgesellschaftlich engagiert als in vorangegangenen Befragungen. Auch ist das Interesse an demokratischen Prozessen mit über 40% aller Teilnehmenden erfreulich hoch.

Wir wünschen uns angesichts der politischen Entwicklungen in Europa, dass das Thema Demokratie nicht nur mit Blick auf die nächste Programmgeneration, sondern bereits in der laufenden Programmumsetzung sichtbarer in den Vordergrund gestellt wird. Ein konkreter Schritt dahin ist beispielsweise die Einführung einer entsprechenden zusätzlichen nationalen Priorität in der Leitaktion 2 von Erasmus+ Jugend.

Gibt es weitere Entwicklungen, die sich bei der Ausgestaltung der kommenden Programmgeneration abzeichnen?

Heike: Vieles deutet darauf hin, dass die Themen Demokratie und Partizipation eine tatsächlich nochmals größere Rolle spielen werden als in der jetzigen Programmgeneration. Auch der Stellenwert des Themas Mental Health wird intensiv diskutiert. Ansonsten zeichnet sich ab, dass die vier horizontalen Programmprioritäten sehr gut den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen entsprechen und daher voraussichtlich fortgeführt werden.

Sehr wahrscheinlich erscheint uns zudem, dass Microgrants, nachdem sie während des Europäischen Jahrs der Jugend erfolgreich erprobt wurden, im Rahmen der kommenden Programmgeneration verstetigt werden.

Ingrid, in diesem Jahr wird es zum ersten Mal auch einen Treffpunkt zu Erasmus+ Sport geben. Was ist dort geplant?

Ingrid: Da Erasmus+ Sport noch ganz neu ist und die Zahl der Organisationen eher klein, halten wir dieses erste Monitoring-Treffen recht kurz. Ansonsten enthält es aber im Kern die gleichen Elemente wie der "große" Treffpunkt im Jugendbereich: einen Austausch zu inhaltlichen Schwerpunkten und zu projektmanagementbezogenen Fragen der geförderten Projekte, Vernetzungsmöglichkeiten sowie die Möglichkeit, JUGEND für Europa Feedback zu geben.

Da Zielsetzungen und Grundstruktur der Veranstaltungen sehr ähnlich sind, werden wir 2025 eine Zusammenlegung erproben, um vielleicht auch Synergieeffekte zwischen Jugend und Sport zu ermöglichen.

Liebe Heike, liebe Ingrid, wir bedanken uns herzlich für das Interview!

(JUGEND für Europa)