29.10.2024
"Mit Projekten aus Erasmus+ Sport können wir Ehrenamtlichen etwas zurückgeben"
"DTV goes Europe!" – Der Projekttitel ist für den Kölner Verein Programm. Der Deutzer Turnverein (DTV) war 2024 gleich in zwei Ländern unterwegs, um neue Impulse im Basketball zu bekommen. Kim Chiara Lebowski ist Projektleiterin im Nachwuchsbasketball, Trainerin, Camp-Leiterin und selbst Spielerin. Sie war mit Trainerkolleg*innen zu Gast bei einem Basketballverein in Mailand. Wir haben mit ihr über Jugendarbeit im Basketball gesprochen und konnten zusätzlich erfahren, was ihr Verein von serbischen Kolleg*innen im 3x3 - Basketball gelernt hat.
JUGEND für Europa: Liebe Kim Chaira Lebowski, im Deutzer Turnverein wird offensichtlich nicht nur geturnt, sondern vor allem auch Basketball gespielt?
Kim Chiara Lebowski: Oh ja, Basketball ist mittlerweile mit Abstand unsere größte Sparte. Seit 2020 wird das Interesse an unserer Sportart immer größer, wir haben einen großen Zulauf. Unsere Mitglieder haben sich in den letzten Jahren verdoppelt. Wir haben mittlerweile 20 Jugendteams und zehn Seniorenteams.
Das klingt nach einem großen Erfolg. Aber vermutlich bringt das große Wachstum auch verschiedene Herausforderungen mit sich. Was sind aktuell wichtige Themen im DTV?
Genau, wir freuen uns sehr über das große Interesse an unserer Sportart. Gleichzeitig müssen wir auch schauen, wie wir mit dem schnellen Wachstum umgehen und wie wir der großen Nachfrage gerecht werden können. Wichtige Themen sind aktuell u.a. mangelnde Trainer*innenkapazitäten und der große Sanierungsbedarf unserer Hallen.
Außerdem ist uns die Weiterentwicklung und Qualifizierung unserer ehrenamtlich Engagierten sehr wichtig, da wir aktuell mit mir nur zwei hauptamtliche Mitarbeitende haben und rund 60 Ehrenamtliche. Darüber hinaus versuchen wir die Trendsportart 3x3 – also eine Art Basketball im Streetstyle-Format – stärker an den Verein anzubinden. Hier muss vieles neu entwickelt werden. Wir stehen hier am Anfang.
Wie konnte das Programm Erasmus+ Sport den DTV dabei unterstützen, die Themen und Herausforderungen anzugehen?
Bei unserem diesjährigen Projekt haben wir Vereine in Mailand und Belgrad besucht.
In Mailand waren wir mit sieben ehrenamtlichen Trainer*innen vor Ort und haben uns zur Jugendarbeit im Basketball ausgetauscht und beim Training zugeschaut. Wir waren viel im Kontakt mit dem sportlichen Leiter und der Nachwuchskoordination.
In Belgrad hat sich eine Projektgruppe aus unserem Verein auf 3x3 fokussiert. Die Serben sind uns bei der Entwicklung im 3x3 - Basketball um einiges voraus. Wir können uns von ihnen Anregungen holen, wie man eine Turnierkultur in der Sportart entwickelt.
Beim Job-Shadowing geht es ja viel darum, ausländischen Kolleg*innen über die Schulter zu schauen. Was konntest du in Mailand beim Training beobachten?
Mir ist aufgefallen, dass es eine hohe Variabilität in den Übungen gab und viele Jugendliche gleichzeitig in Bewegung sind. Außerdem fand ich das Spiel sehr physisch und handlungsschnell. Es war klasse, solche Einblicke in die Trainingsgestaltung und -abläufe zu bekommen. Die Übungen haben mich echt inspiriert. Ich habe konkrete Ideen für neue Übungen mit nach Köln genommen. Sie sind jetzt Bestandteil unseres Trainings.
Ich fand es auch inspirierend, gezielt auf das Verhalten von Trainer*innen zu achten, z.B. auf den Einsatz von Körpersprache, Mimik und Lautstärke im Umgang mit Kindern und Jugendlichen, deren Muttersprache nicht Italienisch ist. Auch unser Verein wird immer diverser. Es war bereichernd zu sehen, wie andere Vereine mit Sprachbarrieren umgehen.
Welche weiteren Unterschiede hast du mit Blick auf den italienischen Verein wahrgenommen?
Der Verein, den wir in Mailand besucht haben, war viel leistungsorientierter als der DTV. Es wird häufiger trainiert und es gibt mehr Trainer*innen auf die gleiche Anzahl von Spieler*innen. Insgesamt werden Kinder dort früher und spezifischer ausgebildet. Für die Sichtung und Betreuung von Talenten, konnten wir einige gute Anregungen mitnehmen.
Eine weitere Gruppe eures Vereins ist im Rahmen von "DTV goes Europe" nach Belgrad gereist und hat u.a. den serbischen Basketballverband und eine Eventmanagement-Agentur besucht. Welche Ziele habt ihr damit verfolgt und was hat es deinen Kolleg*innen gebracht?
Serbien ist so etwas wie ein Vorreiter im 3x3 - Basketball und Belgrad eine Art inoffizielle Hauptstadt der Sportart. Deshalb hat es uns dort hingezogen. Wir möchten 3x3 in unserem Verein stärker etablieren. Es ist freizeitorientierter und kann für Jugendliche, für die wöchentliches Training und regelmäßige Turniere am Wochenende zu viel sind, eine attraktive Alternative sein.
Das Spiel, bei dem 3 gegen 3 auf einen Korb spielen, hat nicht nur eine andere und vor allem eine hohe Dynamik, sondern es gibt auch eine andere Turnierkultur, die eine wichtige Rolle spielt. Spiele werden draußen im urbanen Raum umgesetzt und es gibt andere Korbanlagen und andere Spielregeln.
Die Serben sind uns bei der Umsetzung von Turnieren weit voraus. Wir haben in Serbien Strukturen kennengelernt, die es für die Umsetzung solcher Turniere braucht. Ebenso konnten wir Einblicke in Konzepte bekommen. Insgesamt haben wir von den Serben viele Impulse bekommen, wie wir selbst 3x3-Turniere umsetzen können.
Nach Mailand seid ihr als reine Trainergruppe gereist. Wie war die 3x3 - Projektgruppe des DTV in Belgrad aufgestellt?
Tatsächlich waren hier ehrenamtliche Kolleg*innen mit ganz unterschiedlichen Rollen im Verein mit dabei. Neben einem Trainer ist noch eine Person mitgereist, die bei uns im Bereich Eventorganisation engagiert ist und zwei Kolleg*innen, die im Bereich Medien und Web aktiv sind.
Auch die Bewerbung von 3x3 und den Turnieren spielt für uns eine große Rolle. Wir sind bewusst breit aufgestellt nach Belgrad gefahren und freuen uns, dass Personal mit ganz unterschiedlichen Aufgaben im Verein über Erasmus+ Sport gefördert werden kann.
Du hast nun schon an zwei Projekten von Erasmus+ Sport teilgenommen und warst in Valencia und in Mailand. Lohnt es sich, auch mehrfach teilzunehmen?
Auf jeden Fall! Beide Vereine in Spanien und Italien waren total unterschiedlich und die Besuche sehr bereichernd.
Als Verein haben wir das Ziel, regelmäßig Anträge in Erasmus+ Sport zu stellen, um den europäischen Austausch kontinuierlich anbieten zu können. Es ist nicht nur eine großartige Weiterbildungsmöglichkeit für unsere Ehrenamtlichen, sondern eine ganz große Wertschätzung für die tolle und wichtige Arbeit. Mit den Erasmus+ Projekten können wir ihnen etwas zurückgeben – das freut uns sehr!
Du hast das wichtige Thema Wertschätzung für ehrenamtliches Engagement angesprochen. Gibt es aus deiner Sicht noch weitere Gründe, warum es sich aus Vereinssicht lohnt, ehren- oder hauptamtliche Mitarbeitende ins Ausland zu entsenden?
Der Austausch ist einfach sehr spannend und lehrreich. Ich finde, dass der Tapetenwechsel eine richtig gute Wirkung hat. Man ist in der Gruppe gemeinsam an einem anderen Arbeitsplatz. Überhaupt ist es für uns eine starke Gruppenerfahrungen gewesen, die uns zusammengeschweißt hat.
Ich glaube, dass mit einem solchen Austausch auch die Eigenmotivation gestärkt wird und es bei einigen vielleicht sogar eine Professionalisierung über das Ehrenamt hinaus bewirkt.
Wie geht es bei euch weiter?
Nachdem wir als Breitensportverein in Valencia und Mailand zwei recht leistungsorientierte Vereine besucht haben und ein Schwerpunkt auf Jugendbasketball lag, möchten wir nun einen Schritt zurückgehen und einen Fokus auf Kinder im Breitensport legen.
Uns interessieren die Fragen, wie Kinder zum Sport kommen und wie der Einstieg in den Basketball gelingen kann. Darüber möchten wir uns gerne mit einem Verein in Paris austauschen. Der Antrag bei Erasmus+ Sport ist schon gestellt (lacht).
Vielen Dank liebe Kim Chaira Lebowski für die Einblicke in die Erfahrungen eures Vereins in Serbien und Italien. Wir wünschen dem DTV alles Gute für die weitere Vereinsentwicklung, erfolgreiche 3x3-Turniere und dir persönlich viel Glück für den Aufstieg in die Zweite Bundesliga.
(JUGEND für Europa)