30.10.2024
Beyond Borders: EU-Programme auf die nächste Programmgeneration vorbereiten
Welche Veränderungen braucht es in der neuen Programmgeneration von Erasmus+ Jugend und dem Europäischen Solidaritätskorps, um auf die sozio-politischen Herausforderungen in der EU und weltweit zu reagieren? Wie können die Programme für junge Menschen und Organisationen attraktiv gestaltet werden, die aus benachbarten Partnerregionen der EU kommen? Die Konferenz Beyond Borders widmete sich diesen Fragen.
Fast 100 Expert*innen, Mitarbeitende von Nationalen Agenturen, SALTOs und aus der Jugendarbeit kamen aus EU-Programmländern und den Assoziierten Drittländern (im Folgenden als Partnerländer bezeichnet) nach Bonn zur Beyond Borders Stakeholder Conference (16. bis 20.09.2024) zusammen.
Als Mitglied des Strategisches Kooperationsprojekts Beyond Borders hat JUGEND für Europa mit Unterstützung der anderen Partneragenturen die Konferenz organisiert. Für den reibungslosen Ablauf der Konferenz war vor allem Guido Kaesbach von JfE zuständig.
Was für ihn die Highlights und die wichtigsten Ergebnisse der Konferenz waren, hat er uns im Interview erzählt.
JUGEND für Europa: Die Beyond Borders Stakeholder Conference ist jetzt einen Monat her. Was ist dir besonders positiv in Erinnerung geblieben?
Guido Kaesbach: Besonders beeindruckend fand ich die Gespräche mit den Teilnehmenden, weil sich in den Gesprächen gezeigt hat, in welchen Lebenssituationen sie sich befinden.
Ich habe zum Beispiel am letzten Abend neben einer Dame aus Jordanien gesessen, gegenüber saß ein Teilnehmer aus Moldawien und daneben ein Georgier. Und das ist wahnsinnig spannend, wie anders deren Lebensrealitäten, aber auch die politischen Realitäten in diesen Ländern sind.
Jordanien ist nah dran am Nahost-Krieg, in Moldawien geht es um Fragen wie: "Bleiben wir Europa-orientiert?". Das sind grundlegende Ereignisse und Entscheidungen für die Menschen gerade dann, wenn sie sich in einem europäischen Programm bewegen und damit arbeiten.
Wir hatten auch Teilnehmende aus Israel zu Gast. Die israelischen Teilnehmer*innen haben am meisten mit den Gästen aus Jordanien zusammengearbeitet. Etwas, das man zunächst gar nicht erwartet. Das fand ich schön. Und letztendlich ist das ja ein Abbild des EU-Programms Erasmus+ Jugend, welches Menschen zusammenbringt.
Beyond Borders ist eine SNAC, ein Strategisches Kooperationsprojekt von mehreren Nationalen Agenturen. Ihr möchtet die Arbeit zwischen den Programm- und Partnerländern verbessern. Gab es für die Beyond Borders Stakeholder Konferenz einen besonderen Anlass?
Ja genau, es ging um die kommende Programmgeneration (Anm. d. Red.: 2028-2034). Wie können wir das neue Programm gestalten? Was muss neu justiert werden? Wo muss etwas komplett neu gedacht werden?
Denn wenn wir zurückschauen: Als die aktuelle Programmgeneration geplant wurde, war die Lebensrealität in vielen Ländern eine ganz andere. Es gab noch keinen Ukraine-Krieg. Russland war ein Teil des Programms. Es gab keinen Krieg in Nahost. Es gab noch keine Corona-Pandemie, die sich stark auf junge Menschen ausgewirkt hat. Mental Health ist seitdem ein großes Thema im Programm geworden.
An diesen Punkten müssen wir anpacken. Das ist in der Eröffnungsrede von Manfred (Anm. d. Red. von Hebel, stellvertretende Leitung JUGEND für Europa) angesprochen worden und wird ebenfalls von der Kommission so gesehen.
Es besteht also Anpassungsbedarf bei der kommenden Programmgeneration. Was waren die Ergebnisse der Konferenz?
Wir haben festgehalten – und das haben viele zum Ausdruck gebracht – dass die Organisationen in und aus den Partnerländern keine eigenen Anträge stellen können.
Sie sind abhängig von ihren Partnerorganisationen, obwohl sie eigene Projekte entwickeln möchten und auf Augenhöhe mit den Organisationen aus Programmländern kooperieren wollen. Für sie wäre es ein Riesenschritt, wenn sie selbst Anträge stellen könnten, mit denen sie ihre eigenen Bedarfe für die Jugendarbeit, zum Beispiel zu Fachkräftemobilitäten, thematisieren könnten.
Was wir aber auch gesehen haben: Viele Teilnehmer*innen der Konferenz sind gerade mit grundsätzlicheren Lebensproblemen beschäftigt als mit der Programmzukunft. Wenn Jordanier, Moldawier und Georgier – oder Israeli – an einem Tisch sitzen, dann haben sie fundamentalere Probleme. Wie sieht unsere Zukunft aus? Haben wir überhaupt eine? Das sind drängendere Fragen.
Ging es auf der Konferenz eher um strukturelle als um inhaltliche Themen?
Ja, aber nicht nur: In den Arbeitsgruppen haben die Teilnehmenden zum Beispiel über die Probleme der internationalen Jugendarbeit gesprochen.
Und Andrea Horta hat uns die vorläufigen Ergebnisse der RAY-Studie zur Kooperation von Programm- und Benachbarten Partnerländern vorgestellt, die voraussichtlich im November veröffentlicht wird. Da ergeben sich spannende Fragestellungen. So deckt sich die Motivation der jungen Menschen, sich am Programm zu beteiligen, durchaus mit den Themenschwerpunkten des Programms, nur teilweise mit anderen Konnotationen in den Partnerländern.
Nehmen wir zum Beispiel das Thema Europäische Werte. Was ist denn das, Europäische Werte? Gerade die Menschen in den Balkanländern sagen: "Wir sind auch europäisch, aber wir sind nicht die EU. Sind das also unsere Werte? Sind wir gemeint?"
Was bedeutet das für die EU-Jugendprogramme?
Das muss bedeuten, dass die Partnerländer auf jeden Fall eine stärkere Rolle bekommen müssen, sich aktiv zu beteiligen.
Wir sehen es wieder bei den Wahlen in Moldawien: Die Jugendlichen setzen eine riesige Hoffnung auf Europa. Und viele sind frustriert, weil es nicht vorwärts geht. Wir laufen Gefahr, sie zu verlieren.
Es gibt einen starken Willen bzw. ein starkes Bedürfnis, Partnerländern zukünftig eine stärkere Rolle zu geben. Wie viel Wirkung haben die Ergebnisse dieser Konferenz?
Das bleibt abzuwarten. Sie werden an die Europäische Kommission weitergegeben, die uns darum gebeten hat. Und an die Programmkommissionen. Was dann passiert, das liegt nicht mehr in unseren Händen.
Wir können sammeln, formulieren und weitergeben. Wir haben sehr erfahrene Leute in Bonn zu Gast gehabt, die seit vielen Jahren mit den Partnerländern zusammenarbeiten und viele Leute von den Nationalen Agenturen. Wir hoffen, dass das gesehen wird.
Eine letzte Frage: Kannst du uns einen Ausblick geben? Was ist für die nächste Zeit in der SNAC geplant?
Im nächsten Jahr werden wir verstärkt Kontaktseminare anbieten: Wir wollen mehr akkreditierte Organisationen aus Programmländern mit Organisationen aus Partnerländern zusammenbringen.
Viele beklagen, dass sie ohne feste Partner oft nicht sichersein können, ob ihr geplantes und gefördertes Projekt überhaupt stattfinden kann. Deshalb wollen wir feste Partnerschaften herstellen, damit eine zuverlässige Zusammenarbeit erfolgen kann und alle ein bisschen langfristiger planen können.
Wir werden auch wieder ein NA-Staff-Meeting organisieren, um gemeinsam auf Veränderungen und die entsprechenden Anforderungen reagieren zu können.
Lieber Guido, danke dir für den spannenden Einblick!
(JUGEND für Europa / Foto: Ahmad Mohsen)