12.12.2024
Gesellschaft lokal stärken mit Solidaritätsprojekten
Wir sind mit großen Herausforderungen konfrontiert. Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist in diesen Zeiten besonders wichtig. Die Solidaritätsprojekte im Europäischen Solidaritätskorps (ESK) bieten finanzielle Unterstützung für gemeinnützige Projekte, die auf lokaler Ebene gesellschaftlich etwas bewegen wollen. Heike Zimmermann, Leiterin des ESK, und Rita Stadtfeld, Programmreferentin im ESK, erzählen von den Möglichkeiten und Potenzialen des Förderformats. Bis zum 20. Februar können die nächsten Anträge eingereicht werden.
JfE: Was macht den Kern des Formats Solidaritätsprojekte aus?
Heike: Es geht darum, durch eigene Initiative und Beteiligung eine positive gesellschaftliche Entwicklung mitzugestalten. Wer eine Idee hat, wie man gemeinsam mit Freunden oder Gleichgesinnten etwas vor Ort positiv verändern kann und für die Umsetzung eine finanzielle Förderung sucht, ist beim Förderformat Solidaritätsprojekte genau richtig.
Rita: Zusätzlich ist es eine super Lernmöglichkeit für junge Menschen, sich als Projektmacher*in auszuprobieren und erste Erfahrungen in der Projektarbeit zu sammeln. Projektgruppen müssen mindestens fünf Mitglieder haben und im Alter zwischen 18 - 30 Jahren alt sein. Ob sie noch in der Schule sind oder schon in Ausbildung, Studium oder Arbeit, spielt keine Rolle.
Das Format bietet ausschließlich Fördermittel für nationale bzw. lokale Projekte. Inwiefern ist die Idee des Formats dennoch mit Europa verbunden?
Heike: Das bürgerschaftliche Engagement, das die Kernidee hinter dem Format darstellt, ist ein wichtiger Schwerpunkt in der europäischen Jugendstrategie. Und Engagement fängt in der Regel vor Ort an. Hier können Bedarfe am besten ermittelt werden und Projekte ganz gezielt wirken.
Die Themen, die mit dem Format aufgegriffen werden, sind zugleich von europäischer Relevanz, u.a. Umwelt- und Klimaschutz, Inklusion und Vielfalt oder Bürgerbeteiligung. Es geht auch darum, sich für Schwächere in der Gesellschaft einzusetzen und alle mitzunehmen, zum Beispiel beim digitalen Wandel.
Welche Aktionen haben Projektgruppen bisher in Solidaritätsprojekten umgesetzt?
Rita: Die Bandbreite ist riesig! Es geht ja darum, etwas für die lokale Gemeinschaft zu bewirken und der Weg dahin bzw. die genutzte Methode kann ganz unterschiedlich aussehen. Es gibt viele Projekte zum Thema Urban Gardening, weil vielen der Einsatz für‘s Klima am Herzen liegt und sie etwas für die Begrünung von Städten tun möchten.
Es gibt Gruppen, die Podcasts zu gesellschaftlich wichtigen Themen produzieren. Andere setzen Tanzprojekte zur sozialen Inklusion um. Es gibt auch Projekte, die handwerklich-kreative Methoden wie z. B. Keramikarbeiten oder Stricken nutzen, um in einem Stadtteil Räume für Austausch und Begegnung zu schaffen. Menschen aus einem Viertel mit ganz unterschiedlichen Hintergründen und aus unterschiedlichen Generationen kommen hier zusammen.
Diese Solidaritätsprojekte leisten oft einen wichtigen Beitrag zur mentalen Gesundheit und gegen Einsamkeit.
Das klingt nach einer großen methodischen Vielfalt und Freiheit, die das Format den Projektgruppen bietet. Gilt das auch für die Zielgruppen, die mit den Projekten angesprochen werden.
Rita: Ja, unbedingt. Die Projekte können ganz unterschiedliche Zielgruppen haben. Es gibt Projekte, die sich an Menschen unterschiedlicher Generationen richten, aber auch solche, die spezielle Gruppen im Fokus haben: Kinder, Gleichaltrige, Senioren, neu zugewanderte Menschen, Randgruppen usw.
Wie profitieren die Projektgruppen persönlich davon?
Rita: Wir stellen fest, dass die Umsetzung eines eigenen Projektes mit vielen Lernerfahrungen, einer persönlichen Weiterentwicklung und dem Erleben von Selbstwirksamkeit verbunden ist.
Einige finden über das Engagement und ihre Rolle im Projektteam vieles über sich selbst heraus und entdecken eigene Talente und Interessen, die sie nach Projektende weiterverfolgen. Bei einigen Teammitgliedern geht es dann sogar in eine professionelle Richtung. Wir kennen Projekte, in denen jemand die Social Media Begleitung übernommen hat und danach seinen Weg in ein Studium mit Medien findet.
Außerdem kann es in verschiedener Hinsicht eine tolle Referenz sein, bei der Umsetzung eines EU-Projektes mitgewirkt zu haben, z. B. bei einer Bewerbung oder bei der Antragstellung in weiteren Förderprogrammen.
Welche Vorteile bietet das Format Solidaritätsprojekte gegenüber anderen Förderprogrammen, die soziales Engagement auf lokaler Ebene fördern?
Heike: Projektgruppen können hier wirklich etwas aufbauen. Aus einer Veranstaltung, z. B. einem Kochkurs mit Geflüchteten, kann eine Veranstaltungsreihe mit einjähriger Perspektive entstehen. Nach Ablauf der Projektlaufzeit kann die Projektidee weiterentwickelt werden.
Die Antragstellung ist bewusst einfach gehalten, so dass sie von jungen Menschen zu bewältigen ist. Bei Bedarf kann auch eine Organisation die Gruppe unterstützen und die administrative Antragstellung übernehmen. Für Organisationen, die bereits anderweitig aktiv sind in den EU-Jugendprogrammen, dürfte sich der Aufwand in Grenzen halten. Und es lohnt sich, diesen Schritt zu gehen: Bei einer Laufzeit von einem Jahr ist eine Fördersumme von 7.500,- Euro möglich, mit zusätzlichen Coachingkosten sogar rund 10.000,- Euro. Weitere Kosten im Rahmen einer Inklusionsförderung können noch hinzukommen.
Rita: Ein Projekt kann zwischen zwei und zwölf Monaten dauern, inklusive Vor- und Nachbereitung. Man kann das Projektbudget sehr flexibel einsetzen. Für dessen Berechnung werden bei der Antragstellung 630,- Euro für jeden Monat der Projektlaufzeit kalkuliert. Von diesem Gesamtbudget bekommt die Projektgruppe zu Beginn bereits 80% ausgezahlt. Das Geld kann stückweise jeden Monat verbraucht werden oder die Projektgruppe spart es für größere Ausgaben an, zum Beispiel für eine Veranstaltung.
Wichtig ist, dass in jedem Monat der Projektlaufzeit auch etwas passiert, das schließt auch so etwas ein wie Planung, Vorbereitung oder Auswertung. Projektgruppen sollten die Dauer des Projektes gut planen und an ihre Lebensumstände anpassen.
Es muss sichergestellt sein, dass das fünfköpfige Team die ganze Laufzeit des Projektes gemeinsam am Ball ist.
Kann man das Format auch mit anderen Förderformaten der EU-Jugendprogramme verbinden?
Heike: Ja, das ist möglich. Ich sehe hier vor allem zwei sehr gute Optionen. Zum einen beim Format Freiwilligenteams im ESK, bei dem sich junge Menschen in einer Gruppe in Europa gemeinnützig engagieren, und zum anderen bei den internationalen Jugendbegegnungen in Erasmus+ Jugend.
In beiden Formaten beschäftigen sich Gruppen junger Menschen mit einem gesellschaftlich relevanten Thema und kehren nach der Aktivität als Gruppe in ihren Heimatort zurück. Wenn sie sich in ihren lokalen Communities weiterhin zu dem Thema engagieren und etwas für die Gemeinschaft bewegen wollen, können Solidaritätsprojekte die Umsetzung gezielt fördern.
Wie sieht es mit Initiativen und Projekten aus, die bereits ehrenamtliches Engagement leisten? Kann das Förderformat hier anknüpfen?
Heike: Unter bestimmten Voraussetzungen ja. Solidaritätsprojekte sollten immer auf den Ideen und der Initiative von jungen Menschen fußen. Mit dem Format kann kein "Regel-Engagement" gefördert werden, also z. B. keine laufenden oder regelmäßigen Tätigkeiten eines gemeinnützigen Vereins.
Das Format kann aber dann ins Spiel kommen, wenn außerhalb des Regelgeschäfts eine neue Idee entsteht und auf Initiative einer Projektgruppe umgesetzt werden soll, z. B. eine Kampagne, eine Veranstaltung, ein Festival etc. Wir beraten hierzu gerne vor der Antragstellung.
Was könnt ihr Projektgruppen raten, die zwar eine tolle Idee für ein Projekt haben, sich die Umsetzung aber nicht alleine zutrauen?
Rita: Projektgruppen können sich Unterstützung bei Organisationen suchen, z. B. für Hilfestellung bei der Antragstellung, bei der Eröffnung eines separaten Bankkontos oder bei der Abrechnung.
Zusätzlich fördern wir Coaches, die die Projektgruppen bei der Umsetzung u.a. fachlich und methodisch unterstützen. Ziel der Coaches sollte es sein, für ein Empowerment der Gruppen zu sorgen. Sie sollten die Gruppenmitglieder befähigen, das Projekt möglichst eigenständig umzusetzen. Bei Fragen zum Projektmanagement oder Teamdynamiken können sie unterstützen oder aber fachlich zu Rate gezogen werden.
Je nach Projektthema kann ein Coach also z. B. ein Tänzer, eine Biologin oder jemand aus der Medienbranche sein.
Wie unterstützt JUGEND für Europa junge Menschen und Organisationen bei der Umsetzung?
Heike: Unser ESK-Team bietet eine Reihe von Services an, damit neue Antragsteller*innen den Weg ins Programm finden und geförderte Projekte Begleitung, Beratung, Vernetzung und Weiterbildung erfahren. Wir haben für jedes Bundesland eine zuständige Kontaktperson, die gerne bei Fragen zur Projektentwicklung, Antragstellung und Projektbegleitung unterstützt.
Rita: Wir bieten regelmäßig offene digitale Informationsveranstaltungen an. Alle Interessierten sind herzlich willkommen! Wir freuen uns über junge Menschen und Organisationen, die Projektmacher*innen bei der Umsetzung unterstützen. Die nächste Gelegenheit ist am 07.01.2025 von 11 bis 12 Uhr.
Wer direkt mit seiner Projektidee starten möchte, dem empfehle ich unsere Broschüre Von der Idee zum geförderten Solidaritätsprojekt. Das ist eine Schritt-für-Schritt Anleitung zur Projektentwicklung und Antragstellung.
Liebe Heike, liebe Rita, vielen Dank für das Gespräch. Wir legen allen Interessierten für weitere Informationen die kommende Info-Veranstaltung im Januar ans Herz. Gerne hören wir weiterhin nach, was für Aktionen und Initiativen mit finanzieller Unterstützung der Solidaritätsprojekte auf lokaler Ebene möglich werden.
(JUGEND für Europa)
Nützliche Hinweise und Links
Die nächste Möglichkeit Solidaritätsprojekte zu beantragen, endet am 20. Februar 2025.