03.07.2007
Erst Rom, dann Köln, jetzt Brüssel – der Strukturierte Dialog ist noch lange nicht am Ziel
EU-Kommissar Figel’ auf dem zentralen Event zur Europäischen Jugendwoche: „Ihr müsst den Schwung mit nach Hause nehmen“
Es war wie der Empfang eines unumstrittenen Popstars. Als Ján Figel’ am späten Mittwochabend die Bühne des Brüsseler „Residence Palace“ betritt, demonstrieren 200 Jugendliche ihre Europa-Begeisterung mit donnerndem Applaus. Immerhin hat ihnen der für allgemeine und berufliche Bildung, Kultur und Jugend zuständige EU-Kommissar nach 2003 und 2005 die dritte Europäische Jugendwoche in nur vier Jahren beschert. Vergessen die leichten Sprachirrungen wenige Stunden zuvor, als der oberste Jugend-Beauftragte Europas in Gegenwart Dutzender EU-Journalisten die Daten für die vergangenen Jugendwochen komplett durcheinander gewirbelt und den letzten Jugendevent unter deutscher Ratspräsidentschaft einfach mal von Köln nach Stuttgart verlegt hat.
Wer Figel’ zuhört, spürt, dass der EU-Kommissar es ernst meint mit der Zukunft der Jugend. So wie 1998, als er - damals noch slowakischer Chefunterhändler für die Beitrittsgespräche mit der EU - auf einen partnerschaftlichen Dialog gesetzt hat, will er auch jetzt den „vermeintlich Schwächeren“ immer mehr Gehör verschaffen. Mit einer für ihn typischen Mischung aus Bescheiden-, Beharrlich- und Entschlossenheit. „Schauen Sie, die Bildungspolitik wird in den Ländern der Mitgliedsstaaten gemacht. Da habe ich nicht so viel Gestaltungsmacht wie meine Kollegen Kommissare. Aber wir haben eine große Verantwortung und eine große Chance. Wir können Empfehlungen aussprechen - das ist ohnehin besser, als einfach nur Regeln festzuschreiben.“
Anfang September will Figel’ – unterstützt von den Nationalen Jugendräten und dem Europäischen Jugendforum – gemeinsam mit seinem tschechischen Kollegen Vladimir Spidla, EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit, eine neue jugendrelevante Mitteilung verabschieden, die sich an alle EU-Institutionen wendet. Die Botschaft: Von Beschäftigungspolitik bis zur Politik der nachhaltigen Entwicklung – das Thema Jugend muss sich künftig – jenseits von der Diskussion um die Notwendigkeit von Freiwilligendiensten - in allen EU-Arbeitsfeldern widerspiegeln. Zum anderen soll der so genannte strukturierte Dialog auch das werden, was er eigentlich verspricht: ein Dialog, der strukturiert ist.
Martin Drahmann (20) hält diese Initiative für überfällig. Der angehende Lehramtsstudent aus Münster will wissen, ob es sinnvoll sei, dass enthusiastische Jung-Europäer einerseits zwar von Konferenz zu Konferenz jetten, um mit unbändigem Gestaltungswillen die eigenen Zukunftsvorstellungen in Aktionsplänen zu Papier zu bringen, andererseits die Politik aber nicht die leiseste Regung einer Reaktion zeigt. „Ich war beim Kölner Jugendevent dabei. Aber was ist aus unseren Ideen geworden? Ich habe keine Ahnung.“, sagt Martin, der als Teilnehmer der Europäischen Jugendwoche in Brüssel fürchtet, von den Entscheidungsträgern erneut allein gelassen zu werden.
„Wir haben das Problem erkannt, und wir werden reagieren“, verspricht Karel Bartak, bei der EU-Kommission für die Abteilung Jugendpolitik zuständig. „Wir haben uns gefragt, wer den strukturierten Dialog am besten leiten kann. Inzwischen denken wir, die Jugendlichen sollten das Heft selbst in die Hand nehmen – zusammen mit ihren Organisationen. Wir kümmern uns um den passenden Rahmen. Der Dialog sollte zudem nicht nur zwischen EU und Jugendlichen, sondern vor allem auch zwischen den Jugendlichen und ihren Gemeinden vor Ort stattfinden.“ Geht es nach Bartak, sollen die Konferenzen zudem künftig besser vorbereitet und vernetzt werden.
Der EU-Direktor für Jugend, Sport und Bürgerbeziehungen, Pierre Mairesse, wird jedenfalls nicht müde, seine Vision eines jugendfreundlicheren Europas zu erläutern: „Die Initiativen für benachteiligte Jugendlichen sollten einmal so bekannt werden wie das Austauschprogramm Erasmus, der Exportschlager der Europäischen Union. Ich erwarte Eure Vorschläge“, wendet sich ein zuversichtlicher Mairesse an die Jugendlichen, nimmt sie aber gleichzeitig in die Pflicht. „Eure Forderungskataloge sind absolut wichtig und richtig. Aber ihr müsst auch Prioritäten setzen. Die Politik kann nicht alles gleichzeitig umsetzen. Sagt uns, welche Anliegen Euch besonders wichtig sind. Und überlegt vor allem auch, was Ihr davon selbst anpacken könnt.“
„Kohle und Stahl – damit hat im Europa der 50er Jahre alles angefangen“, ruft Kommissar Figel’ den Teilnehmern im „Residence Palace“ noch einmal in Erinnerung, „bedenkt bitte, über welche privilegierten Wünsche wir uns heute schon Gedanken machen können.“. Den Brüsseler Elan mit nach Hause nehmen – alle diejenigen anstecken, die sich anstecken lassen, das wünsche sich der Kommissar von jedem einzelnen der 200 Teilnehmer. (Marco Heuer)
Mehr zu den Ergebnissen des Jugendevents in Brüssel sowie den erarbeiteten Aktionsplan finden Sie auch unter www.jugendpolitikineuropa.de
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