01.10.2007
Jugendliche bei der Stange halten
Isabelle Weykmans, Ministerin für Kultur und Medien, Denkmalschutz, Jugend und Sport in der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, im Interview über das 7. Forum und die europäische Zusammenarbeit im Bereich Jugend.
Sie haben einen Workshop zum Thema Partizipation geleitet. Wie war Ihr Eindruck von der Diskussion?
Der Workshop lief gut, der offene Erfahrungsaustausch war wichtig und sehr interessant. Zum Thema Partizipation gibt es keine einfachen Wahrheiten und ich habe den Teilnehmern nicht viel erzählen können, was sie nicht auch schon vorher wussten. Die Teilnehmerschaft war sehr unterschiedlich: Einer arbeitet mit Lehrlingen und versucht, sie ins Ausland zu bringen, ein anderer ist Jugendheimarbeiter, ein Dritter macht ein Zirkusprojekt in Berlin. Die Probleme in der praktischen Arbeit sind aber oft dieselben. Darum war es bereichernd, die Erfahrungen aus verschiedenen Projekten zu artikulieren und Lösungsansätze auszutauschen.
Wie lässt sich Partizipation organisieren?
Die Rahmenbedingungen müssen stimmen, damit Jugendliche mitarbeiten können und dabei genau wissen, an welchem Projekt sie da beteiligt sind. Jugendliche sollten selbst aktiv werden, zum Beispiel auf der Suche nach einer Empfängerorganisation für den Freiwilligendienst. Und wir müssen es schaffen, dass Jugendliche auch nach ihrer Beteiligung an einem Projekt aktiv bleiben.
Wie sieht die Situation in Ihrer Region aus?
Wir haben in unserem föderalen System das Glück, dass wir vollständig für die Jugend zuständig sind, für die Bildung und die Beschäftigung. So bündeln wir jugendrelevante Kompetenz auf einer Ebene. Partizipative Prozesse sind bei uns generell einfacher gestaltbar als anderswo, und das nehmen wir auch bewusst war. Wir haben seit ein paar Jahren einen ständigen strukturierten Dialog mit Jugendorganisationen, aus dem heraus die politischen Schwerpunkte gesetzt werden. Wir stehen auch im ständigen Austausch mit den Gemeinden und agieren auch gemeinsam. Die lokale und regionale Ebene geht also Hand in Hand.
Nach welchen Prinzipien richtet sich die Jugendarbeit in der Deutschsprachigen Gemeinschaft?
Lange Zeit fehlte uns ein Instrument um nachhaltige, relevante Entscheidungen im Interesse der Jugendlichen zu treffen. In Zusammenarbeit mit Jugendlichen und Verantwortlichen im Jugendsektor haben wir im vergangenen Jahr Wissen zusammengetragen und unter dem Kürzel P.R.I.M.A. veröffentlicht – das steht für Partizipation, Raum, Information, Miteinander und Ausbildung. Hinter diesen Begriffen verbergen sich konkrete Empfehlungen für eine bedürfnisorientierte Jugendpolitik, die die Jugendlichen in den Mittelpunkt stellt.
Welche Rolle spielen internationale Kooperationen?
Das Internationale ist bei uns stets gegenwärtig: Wir grenzen an drei verschiedene Länder und sprechen drei verschiedene Sprachen. Schon seit längerem ermöglichen wir es unseren Jugendlichen, immer wieder Ländergrenzen zu überschreiten. Wir haben enge Kontakte ins Ausland, zum Beispiel nach Luxemburg, an das wir räumlich grenzen. Mit Liechtenstein pflegen wir schon seit über 20 Jahren sehr intensive Beziehungen, weil Liechtenstein ähnliche strukturelle Voraussetzungen hat wie wir. Wir können voneinander lernen und miteinander arbeiten. Als die Nationalagentur in Liechtenstein entstand, halfen unsere Nationalagentur und das Jugendbüro in der Deutschsprachigen Gemeinschaft beim Aufbau.
Haben kleine Regionen besondere Herausforderungen, JUGEND IN AKTION umzusetzen?
Für uns ist es schwierig, Empfangsorganisationen für den Freiwilligendienst zu finden, weil die Nachfrage nach diesen Plätzen sehr groß ist. In bestimmten Ländern wie England bekommen wir für unsere Jugendliche kaum noch Plätze.
Das Thema „benachteiligte Jugendliche“ wird auf dem 7. Forum besonders rege diskutiert. Auch bei Ihnen in Belgien?
Ja, es ist immer wieder die gleiche Frage: Wie kontaktiert man Jugendliche, die sozial schwächer sind? Wir haben ein Kommunikationsnetz aufgebaut, über das unsere Informationen alle Schüler zwischen 12 und 18 Jahren und auch darüber hinaus erreichen. Grundsätzlich erreichen wir alle Jugendlichen, sei es über Streetwork, über die Schulen oder über Ausländerorganisationen. Wir müssen die Jugendlichen nur besser mit ins Boot nehmen, keinen außen vor lassen, dann werden sie auch den europäischen Gedanken verstehen.
(Andreas Menn)
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