01.10.2007
"Unser Integrationskonzept: Gar nicht bewusst auf Integration achten!"
Praktische Erfahrungen statt abstrakte Begriffe – Stefan Rosche, Vorsitzender von TuneUp e.V., über sein künstlerisches Ostsee-Camp.
Benachteiligte Jugendliche – war das bei eurem Camp an der Ostsee ein Thema?
Es war für uns eine Selbstverständlichkeit, dass verschiedene junge Leute teilnehmen würden, auch aus sozial schwächerer Herkunft. Wir hatten Studenten dabei, Kinder, Behinderte, sozial Benachteiligte – aber das wurde gar nicht thematisiert. Von Anfang an hatten wir eine solche Energie auf dem Camp, dass es absurd gewesen wäre, abstrakte Fragen wie Integration, Chancengleichhheit oder Rassismusprävention explizit zu diskutieren. Unser Integrationskonzept lautete: Gar nicht bewusst auf Integration achten. Strand, Sternenhimmel, Horizont – das allein bedeutete schon Offenheit.
Und das hat funktioniert?
Es war großartig! Das Prinzip lautete: Jeder bringt jedem etwas bei, each one teach one. Alle waren offen und neugierig aufeinander. Jeder durfte völlig seiner Lust folgen, keinem strengen Programm. Trotzdem gab es auf dem Camp keinen Abhänge-Modus, sondern eine unglaubliche Aktivität. Wir haben den Rahmen für Kreativität gesetzt, indem wir Malmaterialien bereitgestellt haben, Instrumente, Verstärker, sogar ein eigenes Tonstudio. Es gab keinen, der diese Chancen auf Neues nicht nutzen wollte. Die meisten Teilnehmer hatten noch nie einen eigenen Song komponiert oder Impro-Theater gespielt. Ich habe selbst noch nie indischen Gesang ausprobiert. Das alles konnten wir machen in den zwei Wochen.
Wie seid Ihr auf die Idee eurer Aktion gekommen?
Wir haben vorher nicht explizit nach einer Aktion gegen Rassismus gesucht, sondern aus uns heraus geschöpft. Die Idee kam uns zugeflogen. Der Schmelztiegel war schon immer unsere Philosophie – sich auszutauschen, sich von anderen Kulturen inspirieren lassen. Wir sind alle Mitte 20, Musiker, Künstler, Musiktherapeuten, haben viele Kontakte unter Freunden, die weit in andere Länder reichen. Ich selbst organisiere schon seit mehreren Jahren unkommerzielle offene Jam-Sessions mit Künstlern aus allen Bereichen. Mit 18 hatte ich eine EU-geförderte Jugendbegegnung mitgemacht, später noch eine mit 20. Die Erfahrungen, die ich dabei gemacht habe, haben mein Leben und Denken sehr geprägt. Das Programm JUGEND IN AKTION hilft uns sehr, denn wir möchten nicht auf Fonds aus der privaten Wirtschaft angewiesen sein. Wir möchten keine Kompromisse machen, keine fremden Logos drucken.
Was möchtet ihr auf dem Forum mitnehmen?
Auf dem Forum geht es uns darum, Parallelen zu unserer Idee zu finden, lernen, wie andere logistisch mit solchen Projekten umgehen, und Kontakte knüpfen. Thematisch interessieren uns die Integration von benachteiligten Jugendlichen und die Philosophie der europäischen Identität. Wir möchten wissen: Sind die Dinge, die wir umgesetzt haben, deckungsgleich mit der formalen Ebene? Wurden unsere Erfahrungen von der Politik schon mit Begriffen versehen? Manchmal frage ich mich allerdings: Wie viele von den Begriffen sind wirklich gelebt? Bei manchen Eröffnungsrednern hatte nicht das Gefühl, dass sie irgendwie konkret mit diesen Sachen zu tun haben.
Wie geht es mit eurem Projekt weiter?
Während der zwei Wochen sind unglaublich viele Songs entstanden, vom Swing über Reggae bis zur Mittelalter-Musik. Wie bereiten gerade eine CD daraus auf und schneiden einen Film aus den Videoaufnahmen der zwei Wochen. Beides möchten wir bald auf einer Party präsentieren. Dann erzählt jeder fünf Leuten, was auf dem Camp los war – schon hat das Ganze eine unglaubliche Strahlung. Wenn man eine klare Vorstellung von dem hat, was man machen möchte, finden sich immer interessierte Leute. Und im nächsten Jahr organisieren wir das zweite Camp!
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TuneUp e.V. ist ein Verein zur Förderung von Kunst und Kultur, der internationale Jugendbegegnungen durchführt und offene Jam-Sessions in Clubs und Cafés organisiert. Im Sommer errichtete der Verein für zwei Wochen ein internationales Künstlerdorf an der Ostsee, bei dem Workshops zu Malerei, Musik, Siebdruck, Holzarbeiten, Theater, Band-Coaching und mehr abgehalten wurden. 60 Teilnehmer, Amateure und professionelle Künstler, wurden zwei Wochen lang kreativ.
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(Andreas Menn)
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