29.01.2008
Strukturierter Dialog - Gut gemacht!
Europapolitiker loben Jugendliche für ihre Visionen beim Zukunftskongress „Chance Europa 2020“
Größer hätte das Lob am Ende des Zukunftskongresses gar nicht ausfallen können. Valerio Bonvini, Wirtschaftsfachmann bei der deutschen Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin, zeigte sich von der medialen Abschlusspräsentation der Jugendlichen so angetan, dass er eine DVD der kreativen Bühnenleistung gerne als Anschauungsmaterial mit nach Brüssel nehmen wollte – zur Weiterbildung seiner Kollegen. Nur der Rap sei für unser Haus vielleicht etwas zu gewagt, so Bonvini.
Zuvor schon waren die grüne Europaabgeordnete Elisabeth Schroedter („Grundeinkommen für alle – sehr gut/ Bildungsfonds – Top-Thema“) und der EU-Parlamentarier von der SPD, Norbert Glante („Maßnahmen gegen die Generation Praktika – da sprechen sie mir aus der Seele“), aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen. Und auch Claudius Siebel, Programmreferent bei JUGEND für Europa, zeigte sich erfreut über die Idee der Jung-Europäer, der EU im Jahr 2020 eine erst 30-jährige Außenministerin beiseite stellen zu wollen. Ein demonstrativer Beleg für eine Europäische Union wäre dies, in der die Jugendlichen das Gehör gefunden hätten, für das sie heute noch so manches Mal windmühlenartig kämpfen würden.
Klare Botschaften, keine anonymen Entwicklungen, nicht ins Utopische abgleiten – mit diesen Worten hatte der Leiter des Berliner Instituts für prospektive Analysen (IPA) und Chefplaner des Zukunftskongresses, Sascha Meinert (siehe auch Interview), die 120 Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 22 Jahren aus acht verschiedenen EU-Ländern auf den gemeinsamen Kurs eingestimmt: eine Vision für das Europa im Jahre 2020 zu entwickeln. Unter der Anleitung von erfahrenen IPA-Teamern wurden erstrebenswerte und erreichbare Szenarios erarbeitet. Professionelle Medienmacher halfen den Jugendlichen, die erdachten Geschichten in Beiträgen für Film und Radio umzusetzen, Karikaturen und Comics zu erstellen oder eigene Rap-Songs aufzunehmen. Ob Themen wie berufliche Qualifizierung und Beschäftigung, Mitbestimmung Jugendlicher auf lokaler Ebene oder neue Formen des Lernens – immer ging es um die persönlichen Chancen der Jugendlichen. Und die Möglichkeit, der eigenen Geschichte den passenden Ausdruck zu verleihen.
So wie bei Jana Slavkova. Die 17-jährige Bulgarin aus Blagoevgrad zeigte sich begeistert von ihren Erfahrungen im Workshop Soziale Sicherheit und Eigenverantwortung: „Wir haben uns überlegt, mit welchen Texten eine europäische Superband die Massen im Jahr 2020 mobilisieren kann, wie Jugendliche zu mehr Engagement gebracht werden können. So ist unser Lied entstanden: Care 2007.“ Ein Rap-Song – mit Ohrwurm-Garantie.
Über das Internet war Jana auf den Zukunftskongress aufmerksam geworden und schrieb im Rahmen eines vorgelagerten Online-Kreativwettbewerbs einen Essay über ihre Vorstellungen eines jugendgerechteren Europas – Voraussetzung für die Teilnahme am internationalen Gedankenaustausch in Berlin. „Ich fühle mich als Europäerin“, sagt Jana, und seufzt: „In meiner Heimat sehen das leider noch nicht viele so. Es fehlt an Informationskampagnen. Stattdessen wissen wir alles über Korruption.“
Endlich einmal mit Gleichaltrigen intensiv über die Chancen und Herausforderungen eines modernen Europas zu diskutieren und eigene Visionen zu entwickeln – diese Aussicht hatte auch Jana Holz überzeugt, am Berliner Zukunftskongress teilzunehmen. Die 17-Jährige Gymnasiastin aus Bielefeld genoss es sichtlich, mit ihrem tschechischen Kurspartner Roman Uhlír („viel zu konservative Ansichten“) in aller Heftigkeit über Mindestlöhne zu zanken. Und nicht nur das: Das politische streitbare Paar überzeugte bei der Abschlussdiskussion als charmantes Moderatoren-Team.
Dass auch der spannendsten Diskussion irgendwann einmal Taten folgen müssen, daran erinnerte die Schirmherrin des Zukunftskongresses, die ehemalige Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Sylvia-Yvonne Kaufmann (Die Linke). Sie forderte die Jugendlichen auf, bei ihren Wünschen für die Zukunft nicht nur auf die Politik zu setzen. „Mit dem Europäischen Bürgerbegehren haben wir ab 2009 mehr direkte Demokratie in Europa“, so Kaufmann, „Mischen Sie sich also ein. Das würde ich mir wünschen.“ Und auch die Europa-Abgeordnete Elisabeth Schroedter (Bündnis 90/ Die Grünen) formulierte am Ende der Veranstaltung noch einmal einen Wunsch. „Wir sollten keine Ihrer Ideen fallen lassen, es wäre zu schade drum.“
(Marco Heuer)
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Sämtliche Beiträge des Zukunftskongresses sowie weitere Hintergründe finden Sie unter www.europa-2020.eu. Nähere Informationen zum Berliner Institut für prospektive Analysen gibt es unter www.ipa-netzwerk.de. Die Veranstaltung wurde unter anderem finanziert über das EU-Programm JUGEND IN AKTION.
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