28.09.2006

"Du kannst das selbst machen!"

Fortbildung in Peseckendorf – wie freiwillige Jugendarbeiter zu Projektplanern werden.

Spots leuchten auf, der Sound fährt hoch: Showtime auf der Theaterbühne in Schloss Peseckendorf. Tanja Biscarlet aus Martinique und ihr Team aus Malta, Deutschland und Litauen betreten die Bühne, um ihr Konzept für ein internationales Jugendprojekt vorzustellen. "Island Dreams" soll es heißen, und es soll Jugendlichen aus entlegenen Regionen die ersten Auslandserfahrungen ermöglichen. Alle nötigen Pläne stehen schon und werden nacheinander per Beamer an die Wand geworfen: Das Konzept, der Zeitplan, das Budget. Die Vorführung läuft professionell, Pressemappen werden verteilt.

"Da könnte wirklich was draus werden", freut sich Wolfgang Meyer, Referent der Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt e.V. (AGSA) und auch die vier Teamleiter von der internationalen Arbeitsgruppe EXCHANgE, die bei der Organisation LKJ Sachsen-Anhalt e.V. angesiedelt ist, sind mit ihrem Seminar sehr zufrieden. 20 junge freiwillige Jugendarbeiter im Alter zwischen 18 und 25 Jahren sind zusammengekommen, um gemeinsam Projektideen zu entwickeln. Die Manuskripte werden nichts so rasch in der Schublade verschwinden.

"Was wir hier machen, ist keine bloße Show", betont Wolfgang Meyer. Die Teilnehmer gehören alle zu den Partnerorganisationen von EXCHANgE. Das Ziel ist es, ein internationales Netzwerk der Jugendarbeit aufzubauen und aufrecht zu erhalten. "Das funktioniert nur, wenn wir hier nicht reden, sondern Projekte machen", sagt Meyer.

Mit Auftragsliste durch die fremde Stadt

Neun Länder sind diesmal vertreten, von Malta im Mittelmeer bis zur karibischen Insel Martinique, die zu Frankreich gehört. Manche unter den Teilnehmern haben schon Auslandserfahrungen gesammelt und wissen, wie interkulturelle Zusammenarbeit sich anfühlt. Was sie vor der Anreise nicht wussten: Wie man sie professionell organisiert. Innerhalb der nächsten zehn Tagen lernten sie die Möglichkeiten des Programms JUGEND kennen und erfuhren, welche Schritte von der Idee bis zur Umsetzung eines Jugendprojektes zu gehen sind.

Dazu haben sich Palmira Repsyte-Scharf und die anderen Teamleiter auch ein paar ungewöhnliche Methoden einfallen lassen. Zunächst drückten sie den Teilnehmern etwas Geld in die Hand, schickten sie in Gruppen in die umliegenden Städte und gaben ihnen eine Aufgabenliste mit auf den Weg. Erster Auftrag: Eine soziale Organisation finden und Kontakt aufnehmen. Die Erfahrungen waren sehr unterschiedlich. Eine Gruppe erhielt nur eine Audienz von fünf Minuten, eine andere kam gleich zwei Stunden lang ins Gespräch. Das Resümee: Partner finden ist nicht immer eine leichte Angelegenheit.

Da das Seminar im Rahmen der Europarats-Kampagne "All different, all equal" stattfand, kam auch das Thema Diskriminierung aufs Tapet. Ein Simulationsspiel mit einer "korrupten“ Jury, die die "Wettbewerber“ ungerecht behandelt, machte Deklassierung persönlich erlebbar; ein "Dark Diner“ im Keller machte fühlbar, wie es ist, blind zu sein. Und als die Teilnehmer versuchten, eine Suppe aus der Stadt mitzubringen, deren Verzehr auch am Ramadan erlaubt ist, stellten sie fest, dass die verschiedene Kulturen noch wenig voneinander wissen.

In der Konzeptschmiede

Mit der Stadt-Ralley hat das Team eine neue Methode ausprobiert, und Teamerin Palmira Repsyte-Scharf ist sehr zufrieden mit dem Ergebnis: "Als die Teilnehmer zurückkamen, kamen sie als Gruppe.“ Den erwachten Teamgeist lenkten die Seminarleiter gleich in die zweite Phase des Seminars, in der es um die Projektentwicklung ging.

Zwei Tage und eine halbe Nacht lang arbeiteten die Gruppen eifrig Projekte aus mit dem Anspruch, sie tatsächlich umzusetzen. Dabei standen sie mit den Teamern und auch mit ihren Heimatorganisationen in Kontakt, um offene Fragen zu klären. Auch die Finanzen sollten bis ins Detail geplant werden, um realistische Bedingungen zu schaffen. Am Ende gab es die Präsentation vor geladenen Gästen.

Für Wolfgang Meyer ist das genau die richtige Arbeitsweise: "Das läuft viel besser, als wenn sich immer nur die Funktionäre treffen.“ EXCHANgE setzt auf Eigeninitiative: Die jungen Teilnehmer können auf dem Seminar Kontakte knüpfen, Fähigkeiten ausbilden, Ideen entwickeln und Ratschläge austauschen – zurück in ihrer Heimatorganisationen liegt es dann an ihrem Einsatz, was davon umgesetzt wird. "Du kannst das selbst machen“ ist einer der Lieblingssätze von Wolfgang Meyer.

Träume wahr machen

Für Nina Bandurska (21), Psychologie-Studientin aus Warschau, ist es das erste Fortbildungsseminar. "Diese Ferien wollte ich etwas ganz anderes machen“, erzählt sie. So fand sie sich plötzlich in einem internationalen Team wieder und stellte fest, dass Gruppenarbeit sehr emotional werden kann und dass Kompromisse nötig sind. "Ich habe viel über gute Zusammenarbeit gelernt“, sagt sie. Und über Kreativität: Die Abschlusspräsentation hielt ihre Gruppe keck in den Muttersprachen rumänisch, litauisch und polnisch – und erntete Lacher und brandenden Applaus. "Wir sind entschlossen, unser Projekt nun auch in die Gänge zu bringen“, versichert Nina.

Auch Tanja Biscarlet aus Martinique ist fest entschlossen, ihre "Island Dreams“ Wirklichkeit werden zu lassen. "Ich kenne das Gefühl der Isolation sehr gut“, sagt sie. "Von Martinique kommst du ohne Geld einfach nicht weg, und man gibt dir kaum Informationen. Die meisten Jugendlichen dort wissen nicht einmal, dass es den Europäischen Freiwilligendienst gibt.“
Das Seminar habe die Augen für Austauschmöglichkeiten geöffnet und ihren Tatendrang geweckt. "Island Dreams“ soll schon bald Europa für Jugendliche aus abgeschiedenen Gegenden der Insel erfahrbar machen. "Ich werde versuchen, Kooperationspartner in Martinique zu finden." Wie man das macht, hat sie ja jetzt raus. (Andreas Menn)

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