08.08.2008
Jugendbegegnung - Graffitis, Videos und Musik
Die Jugendbegegnung refl:ACTION des dock europe e.V. brachte Jugendliche aus vier Ländern einander näher – mit kreativen Methoden.
Chancengleichheit, Partizipation und Toleranz – das waren die Themen der internationalen Jugendbegegnung refl:ACTION, die der Hamburger dock europe e.V. zusammen mit drei Partnerorganisationen im Mai 2007 organisierte. 34 Jugendliche aus Frankreich, Holland, Portugal und Deutschland kamen neun Tage lang in Hamburg-Altona und Hamburg-Mitte zusammen, um zu musizieren, zu malen, Videos zu drehen und vor allem, um junge Leute aus anderen Ländern kennen zu lernen.
Die Mehrzahl der Teilnehmer lebte in ihren Heimatländern in schwierigen sozialen Verhältnissen: Die portugiesischen Jugendlichen waren Angehörige einer schwarzen Minderheit im Lissabonner Problemviertel Lumiar. Die Holländer wohnten als Kinder marokkanischer Einwanderer in einem der stigmatisierten Stadtteile Amsterdams. Die deutschen Mädchen und Jungen stammten zum Teil aus ehemaligen Hamburger Arbeitervierteln mit Rekord-Arbeitslosigkeit und hohem Migrationsanteil. Und die französischen Jugendlichen kamen aus den nördlichen Vorstädten von Paris, über die in den Medien bereits alles gesagt worden ist.
Kunst als Methode
„Mobil zu sein und Grenzen zu überwinden, ist für diese Jugendlichen eine ganz besondere Herausforderung“, sagt Projektleiterin Petra Barz von dock europe. „Die Jugendbegegnung bot ihnen eine Möglichkeit, aufeinander zuzugehen.“ In drei Workshops entstanden in gemeinsamer Arbeit Graffitis, Videos und Musik, die auf einem öffentlichen Abschlussevent vorgestellt wurden. Die Kunst war nicht Zweck an sich, sondern Methode. Die Idee lautete: Wer gemeinsam etwas herstellt, kommt sich näher.
„In der Vorphase einer Jugendbegegnung müssen sich alle Gruppen intensiv mit ihrer Motivation auseinander setzen und ihre Interessen und Kompetenzen für die Projektarbeit identifizieren“, sagt Petra Barz. „Unverzichtbar ist auch ein Vorbereitungstreffen, bei dem sich die Teamer kennen lernen und auf eine gemeinsame pädagogische Linie einigen können. Zu Beginn der Begegnung gilt es dann, die gemeinsamen Regeln der Zusammenarbeit ganz deutlich herauszuarbeiten und ihre Verbindlichkeit immer wieder gemeinsam zu thematisieren.“
Geplantes und Spontanes
Um die Gruppendynamik zu fördern, sah das Programm der Begegnung für jeden Tag mindestens einen Programmpunkt vor, an dem alle Jugendlichen gemeinsam teilnahmen. Die Jugendlichen besuchten die Feier zum Geburtstag des Hamburger Hafens, unternahmen eine Kanutour, grillten zusammen, veranstalteten ein Fußball-Länder-Turnier, führten sich gegenseitig ihre Filme vor und organisierten ein Abschlusskonzert.
In allen Phasen der Begegnung wurden die Jugendlichen an den Entscheidungen und der Umsetzung beteiligt. Sie konnten spontane Vorschläge einbringen, zum Beispiel zum Freizeitprogramm oder zur Änderung des Tagesrhythmus. Für Eigeninitiative blieb genug Raum, zum Beispiel gründeten Teilnehmer des Video-Workshops spontan eine Tanzgruppe, die ein Tanzvideo produzierte.
Probleme gelassen lösen
Nach ein paar Tagen merkten die Teamer an der Reaktion der Teilnehmer, dass sie die inhaltlichen Ziele der Workshops sehr hoch gesteckt hatten und organisierten mehr Entspannungsphasen, bildeten Untergruppen in den Workshops und gaben mehr Unterstützung in organisatorischen und technischen Fragen. Der Prozess, das gemeinsame kreative Arbeiten, war den Teamern wichtiger als das Niveau des Endprodukts.
„Jugendliche aus schwierigem sozialen Umfeld haben oft eine geringe Frustrationstoleranz, weniger Geduld und Selbstvertrauen als Jugendliche aus behütetem Elternhaus“, sagt Petra Barz. „Auf der anderen Seite gehen sie lässiger um mit manchen Situationen, die andere Jugendliche nicht so leicht schlucken würden.“
Gelassen zeigte sich zum Beispiel der 17-jährige Hassane aus Hamburg. Natürlich habe es während der Begegnung auch Probleme gegeben, berichtet er, aber Probleme seien schließlich dazu da, gelöst zu werden. „Manche in der Gruppe waren ruhig, andere laut, und andere verrückt. Es hat echt Spaß gemacht, mit so vielen unterschiedlichen Menschen umzugehen!“
Vielfalt gab es nicht nur in den Persönlichkeiten, sondern auch in den Sprachen: Deutsch, Englisch, Portugiesisch, Französisch und Holländisch wurden durcheinander benutzt. Und in den Arbeitsgruppen halfen sich die Jugendlichen mit Spanisch und Arabisch weiter, das die meisten aus ihren Elternhäusern mitbrachten. Sprachanimationsübungen förderten die Kommunikation untereinander.
Ziel erreicht: mehr Selbstbewusstsein
Nach einigen Tagen sprachen die Jugendlichen spürbar freier und selbstbewusster als zu Beginn. „Viele Teilnehmer wandten Englisch erstmals außerhalb des Unterrichts an und entdeckten es als kommunikativen Schlüssel zu anderen, fern vom schulischen Leistungsdruck“, sagt Petra Barz. „Bedeutsam war für viele auch, dass die eigene Mehrsprachigkeit eine ganz neue Aufwertung und Anerkennung erfuhr.“
Die Begegnung beeinflusste auch ursprünglich unbeteiligte Jugendliche im Hamburger Stadtteil Altona. Indem sie beim Grillen, beim Fußballspielen und beim Abschlussevent teilnehmen konnten, fanden sie Zugang zu Neuem und Ungewohntem. „Viele Jugendliche in Hamburg und in anderen Metropolen sind erstaunlich immobil“, sagt Petra Barz. „Für sie ist es schon ein großer Schritt, das andere Jugendzentrum auf der Straßenseite gegenüber zu besuchen. Sie haben sogar Hemmungen, sich auf einen Ausbildungsplatz in einem anderen Stadtteil zu bewerben. Vielleicht konnten wir mit der Jugendbegegnung hier das ein oder andere Rädchen drehen.“
(Karoline Becker/Andreas Menn)
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