08.08.2008
Eine Jugendbegegnung, die Mut machte
Auf der ersten Jugendbegegnung der Bremer Hans-Wendt-Stiftung lernten Jugendliche sich auf Fremdes einzulassen.
Angst vor dem Unbekannten ist ein starker Feind. Im Sommer 2007 sagte die Hans-Wendt-Stiftung ihr den Kampf an. Sie lud Jugendliche, die noch keine Erfahrung mit europäischen Begegnungen gemacht hatten, dazu ein, in den Sommerferien Gleichaltrige aus Spanien zu treffen. Zwei Wochen lang sollten die Jugendlichen lernen, mit einer fremden Sprache umzugehen, sich auf unbekannte Situationen einzustellen und dabei erfahren, wie es ist, neue Herausforderungen erfolgreich zu meistern. Stattfinden sollte die Begegnung im Kinder- und Jugendgästehaus in Bremen. Auch wenn es sozusagen ein Heimspiel war, überwog doch die Angst: Viele Jugendliche ließen sich nicht zu der Begegnung überreden, und keiner traute sich, an dem Vorbereitungstreffen mit den spanischen Betreuern teilzunehmen. Noch kurz vor Beginn der Begegnung sagte ein Mädchen ihre Teilnahme ab.
„Gerade bei benachteiligten Jugendlichen können die Ängste vor neuen Situationen und Menschen groß sein“, sagt Projektleiter Wolfgang Keppler. „Allein, dass wir neun Jugendliche zu einer Teilnahme an dieser Begegnung motivieren konnten, war schon ein Erfolg.“
Profis halfen bei der Partnersuche
Die Verbindung nach Spanien vermittelte das Bremer ServiceBureau Internationale Kontakte, und zwar zur Organisation „Associacio Juvenil Gugu Esplai“ nach Manresa, einem Städtchen nord-westlich von Barcelona. Per E-Mail stellten die Bremer ihre Idee vor - und stießen dort auf Zustimmung. Die Projektplanung konnte beginnen.
Einige Monate später hatten auch die beiden Nationalagenturen den Antrag bewilligt, und so reisten im Juni 2007 ein Betreuer und ein Jugendlicher der spanischen Organisation zum Kennenlernen an. Gemeinsam stimmten die Delegationen die Regeln der geplanten Begegnung ab und schmiedeten Projektideen. „Beide Seiten waren begeistert, da schnell deutlich wurde, dass wir ähnliche pädagogische Vorstellungen hatten“, erinnert sich Wolfgang Keppler.
Spät fand sich die deutsche Gruppe zusammen
Während die spanische Gruppe sich schon länger kannte, formte sich die deutsche erst kurz vor der Begegnung und lernte sich nur bei zwei Vorbereitungstreffen kennen – ein großer Nachteil, findet Wolfgang Keppler heute. „Ein Teil der Jugendlichen hatte überhaupt keine Vorstellung davon, was sie erwartete, geschweige denn, was sie selbst von der Gruppe erwarteten. Sie waren auch nicht bereit, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Das führte anfänglich zu Konflikten und Missverständnissen.“
Am 22. Juli begann das Abenteuer für die Jugendlichen – die spanische Gruppe traf ein. Drei Projekte sollten die Jugendlichen in den Sommerferien gemeinsam umsetzen: Einen Film über Armut in Bremen drehen, ein großes Mosaikbild und ein deutsch-spanisches Wörterbuch erstellen. Jedem Teilnehmer mussten alle Planungs- und Arbeitsschritte der Workshops nachvollziehbar sein. Und um die Kommunikation zu erleichtern, standen jedem Team jeweils ein deutscher und ein spanischer Betreuer zur Seite.
Spielerisch Kontakt aufgenommen
Doch bevor es an die Arbeit ging, sah das Programm eine mehrtägige Kennenlernphase vor mit Kommunikationsspielen und Spielen zur Sprachanimation. Die Übungen waren jeweils so aufgebaut, dass die Jugendlichen in gemischten Teams arbeiten mussten. Kommuniziert wurde auf Spanisch, Deutsch, mit Stift und Papier und mit allem, was die Körpersprache hergab. Geläufige Wörter und Redewendungen wurden auf dem Flipchart übersetzt.
„Diese Phase war sehr intensiv“, berichtet Wolfgang Keppler. „Einigen Jugendlichen waren die Übungen zu anstrengend.“ Sechs der neun deutschen Teilnehmer hatten einen erhöhten Förderbedarf, der sich entweder aus Lern- und Sprachschwächen ergab oder aus sozialen Verhaltensauffälligkeiten und ADS. Trotzdem gab es in den Teams keine Außenseiter.
Mit Kamera, Stift und Fliesenkleber
In der zweiten Woche starteten dann die Workshops. Vier spanische und drei deutsche Jugendliche zogen mit einer Kamera aus und interviewten Passanten zum Thema „Armut in Bremen“. Sie befragten auch Bettler, Drogensüchtige und Obdachlose. Nach der Materialsichtung ging es ans Schnittpult. Und während die Filmgruppe mit der Technik hantierte, beschäftigte sich eine zweite Gruppe mit der Sprache: Sie schrieb ein deutsch-spanisches Wörterbuch. Eine dritte Gruppe schuf derweil ein großes Mosaik, auf dem die Tiere der stiftungseigenen Kinder- und Jugendfarm und die Jugendbegegnung symbolisch wiedergegeben wurden.
In allen Phasen der Begegnung wurden die Jugendlichen mit einbezogen: Bei der Zuordnung zu den Projektgruppen, beim Kochen und Einkaufen und beim Entwurf des Freizeitprogramms. Wenn Konflikte aufbrandeten, führten die Betreuer Einzel- oder Gruppengespräche. „Natürlich haben einige Jugendliche versucht, Konflikte über die Schiene ‚Die Spanier hören nicht auf, uns zu ärgern’ zu regeln“, sagt Wolfgang Keppler. „Es stellte sich aber heraus, dass es eigentlich nur um zwei spezielle Jugendliche ging.“ Das Thema wurde in der Gruppe angesprochen, und der Streit war beendet.
Den meisten Anklang fanden die Freizeitaktivitäten und Exkursionen. Dazu gehörten ein Karaoke-Abend, eine Wattwanderung, ein Ausflug ins Spaßbad und eine Radtour zu einem Badesee. „Für viele der spanischen Jugendlichen war es etwas Neues, mit dem Fahrrad unterwegs zu sein, aber sie genossen es“, sagt Wolfgang Keppler. „Die spanischen Jugendlichen waren überrascht von der üppigen Vegetation im Bremer Umland.“
Den Jugendlichen eine Tür geöffnet
Für die Hans-Wendt-Stiftung ist ihre erste internationale Jugendbegegnung ein großer Erfolg gewesen. Das Format könnte in Zukunft regelmäßig ins Programm gelangen. Vor allem die positive Entwicklung der Jugendlichen während der zwei Wochen hat es Wolfgang Keppler angetan: „Diesen jungen Menschen wurde eine Tür geöffnet, durch die sie sonst nie gegangen wären. Sie mussten sich mit einer für sie fremden Kultur und Sprache auseinandersetzen, was für viele vorher undenkbar gewesen wäre. Sie haben Erfahrungen gemacht, die ihr Denken über Europa und Spanien verändert haben.“
(Andreas Menn)
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Mehr Informationen zur Hans-Wendt-Stiftung Bremen finden sie im Internet.
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