16.03.2009

Wie geht der Youthpass?

Antragsteller wissen es längst: „Jede Person“, so heißt es im Handbuch von JUGEND IN AKTION, „die an einem Projekt der Aktion 1.1 (Jugendbegegnungen), Aktion 2 (Europäischer Freiwilligendienst) oder der Aktion 4.3. (Unterstützungssysteme) teilgenommen hat, ist berechtigt, ein Youthpass-Zertifikat zu erhalten“.

Der Youthpass soll also – mit Brief und Siegel versehen – die positiven Lernwirkungen des Programms sichtbar machen. Neben einer Aufwertung der persönlichen Erfahrungen verspricht man sich einen zusätzlichen Nutzen für Bewerbungen auf dem europäischen und lokalen Arbeitsmarkt.

Dafür bescheinigt der Youthpass allen Teilnehmenden an bewilligten Projekten die Teilnahme, kann dabei ergänzt werden durch genaue Information über die Aktivitäten und bietet, falls gewünscht, die Möglichkeit der Beschreibung von individuellen Lernerfahrungen. Für Youthpass-Zertifikate gibt es ein eigenes Formular. Das europaweit einheitliche Layout signalisiert, dass der Youthpass in allen Programmländern einsetzbar und nutzbar ist.

„Aber der Youthpass ist mehr als ein Zertifikat“, sagt Rita Bergstein. Sie ist Mitarbeiterin von SALTO (Support, Advanced Learning and Training Opportunities) in Deutschland, angesiedelt bei der Nationalagentur JUGEND für Europa. SALTO Deutschland ist federführend für die europaweite Entwicklung des Youthpass zuständig. Der Youthpass soll einen Reflexions- und Qualitätsprozess im gesamten Projekt anregen: „Er kann hilfreich sein, um Lerngelegenheiten zielgerichteter zu planen und Lernprozesse gemeinsam zu reflektieren.“ Letzteres sollte laufend und gemeinsam mit den Teilnehmenden passieren. Damit wird nicht nur das Nachdenken der Teilnehmenden über ihre individuellen Herausforderungen und Lernerfolge gefördert. Auch Teams empfiehlt Rita Bergstein das Instrument als Grundlage gemeinsamer Verständigung über die Gestaltung einer Maßnahme: „Für eine Organisation soll der Youthpass eine Hilfe sein, die Wirkungen von pädagogischen und organisatorischen Entscheidungen planvoll zu bedenken.“ Damit sieht sie den Youthpass auch als Mittel des Qualitätsmanagements.

Was steht drin?

Der Youthpass enthält:

  • persönliche Daten des/der Teilnehmenden,
  • eine allgemeine Beschreibung der jeweiligen Aktion,
  • Kerninformationen über das Projekt und die Aktivitäten des/der Teilnehmenden
  • und die Beschreibung von Lernerfahrungen des/der Teilnehmenden anhand des EU-Schlüsselkompetenz-Modells.

Ausgefüllt werden sollte der Youthpass, vor allem die Beschreibung der Lernerfahrungen, gemeinsam, am besten im Gespräch zwischen einem Projektverantwortlichen und dem Teilnehmenden. Und damit alles noch einfacher geht, kann das Ausfüllen am Computer passieren, denn das Formular gibt es online. So weit die Theorie. Aber was heißt das in der Praxis?

Youthpass vorbereiten

Zunächst einmal: Die Erstellung eines Youthpass liegt in der Verantwortung der Organisation, die das Projekt durchführt, und bei den Projektmitarbeitern, die den Jugendlichen oder Erwachsenen im Projekt oder in der Fortbildung begleiten. Jeder Antragsteller, dessen Projekt bewilligt wird, wird in der Fördervereinbarung darauf aufmerksam gemacht, dass er die Teilnehmenden über den Youthpass informieren muss und verpflichtet ist, ihn bei Nachfrage auszustellen.

Soll der Youthpass eine positive Wirkung auf die Maßnahme und die Reflexionsprozesse der Beteiligten haben, ist es natürlich keine gute Idee, ihn erst am letzten Tag einer Begegnung oder des Freiwilligendienstes quasi aus der Tasche zu ziehen. Die Jugendlichen oder Trainingsteilnehmer sollten von Anfang an darüber informiert werden, dass sie diese Möglichkeit haben, sich auch Gedanken machen können, was drin stehen sollte. Die Frage, was die einzelnen Jugendlichen im Projekt gemacht haben, was sie erfahren und eventuell gelernt haben, lässt sich nicht „auf den letzten Drücker“ beantworten, sondern stellt sich immer wieder während einer Maßnahme. Um diese Selbstbesinnung zu unterstützen ist es hilfreich, besondere Reflexionsphasen und -methoden einzuplanen. 

Textarbeit

Wie kann denn nun eine Formulierung im Youthpass aussehen? Was heißt es, wenn in den offiziellen Unterlagen steht, dass „die Beschreibung von Lernerfahrungen des/der Teilnehmenden anhand des EU-Schlüsselkompetenz-Modells“ erfolgen soll?  Nun, zuerst stehen in jedem Youthpass-Formular – es gibt jeweils ein einiges für jede Aktion – die für diese Aktion spezifischen Lernmöglichkeiten bereits drin. So heißt es für die europäischen Jugendbegegnungen sinngemäß: „Jugendbegegnungen ermöglichen es jungen Menschen, neue Fertigkeiten, Wissen und Haltungen zu erlangen und sie in verschiedenen Kontexten anzuwenden. Sie fördern Kommunikationsfähigkeiten, Fremdsprachengebrauch, Selbstvertrauen, interkulturelles Lernen, die aktive Teilhabe an der Gesellschaft, Problem- und Konfliktlösefähigkeiten, die Umsetzung von Ideen durch die Planung, Organisation und das Management von Aktivitäten sowie die Kooperation in einem Team.“

Mit dieser allgemeinen Beschreibung sind schon eine Menge an Anregungen gegeben, wie individuelle Aktivitäten und Lernerfahrungen beschrieben werden können. Eine zusätzliche Struktur bieten die acht von der Europäischen Union formulierten „Schlüsselkompetenzen“:

  • Muttersprachliche Kompetenz,
  • Fremdsprachliche Kompetenz,
  • Mathematische Kompetenz und grundlegende naturwissenschaftlich-technische Kompetenz,
  • Computerkompetenz,
  • Lernkompetenz („Lernen lernen“),
  • Interpersonelle, interkulturelle und soziale Kompetenz und Bürgerkompetenz,
  • Unternehmerische Kompetenz,
  • Kulturelle Kompetenz

(siehe auch www.jugendpolitikineuropa.de).

Was sich abstrakt anhört, kann in der Praxis ganz handfest aussehen. Nehmen wir als Beispiel ein Austauschprojekt zwischen den Naturfreunden Böblingen mit einer Partnergruppe in Malta zum Thema „Ökologische Entwicklung in Europa“. Die deutsche Gruppe, so wird zuvor beschrieben, bereitete die Begegnung vor, indem sie die ökologische Situation in Deutschland diskutierte und eine Karte ihrer Stadt anfertigte, auf der bestimmte Umweltfaktoren (Müll, Energie etc.) berücksichtigt waren. Das kann sich dann so lesen:

„Volker Schmitz nahm an einem Projekt teil, das das ökologische System in einem lokalen Umfeld untersuchte (z.B. Wie wird der Müll entsorgt? Gibt es Umweltschutzmaßnahmen etc.). In der Begegnung wurden die verschiedenen Ansätze der beiden beteiligten Länder präsentiert und diskutiert. Volker beteiligte sich an der Erstellung einer praktischen Handreichung zu Umwelteinflüssen auf lokaler Ebene. Er zeigte besonderes Engagement bei der Vorbereitung und dem Schreiben der Broschüre.“ Volker könnte man damit beispielsweise „Interpersonelle, interkulturelle und soziale Kompetenz und Bürgerkompetenzen“ bescheinigen, aber auch „Computerkompetenz“, wenn er den vielleicht das Layout der Broschüre am PC gemacht hat.

Zu dröge? Es geht auch anders: „Ich organisierte eine deutsche Musiknacht, weil ich fand, dass die Menschen in Slowenien wirklich wenig über gute deutsche Musikbands wussten. Die Leute waren erstaunt, dass man auf deutsche Pop- und Rockmusik tanzen kann.“ Das ist der O-Ton eines deutschen Freiwilligen, der in Slowenien als Kulturbotschafter (Kulturkompetenz!) auftrat. Oder so: „Marie wurde immer sicherer und selbstständiger während ihres Freiwilligenjahres. Sie organisierte selbstständig Projekte und managte erfolgreich auch schwierige Situationen mit den behinderten Menschen, mit denen sie arbeitete. Die Projekte erforderten eine genaue Planung und Vorbereitung und umfassten eine Berechnung des Kostenrahmens, eine Einschätzung der Bedürfnisse der Klienten und das Organisieren der Aktivitäten mit den behinderten Menschen. Auch ihre Freizeit organisierte sie sehr selbstständig. Sie fand viele Freunde aus ganz Europa. Gemeinsam haben wir mit Marie regelmäßig über ihren Einsatz reflektiert, so dass die Entscheidungen und die Wirkungen auf ihre persönliche Entwicklung transparent wurden.“ So viel zu Marie, die bei einem deutschen Träger ihren Europäischen Freiwilligendienst absolvierte, und ihren „Lernkompetenz“.

Wer hilft?

„Die Grundlage für die Entwicklung von Youthpass liegt in der Überzeugung, dass die aktive Teilnahme an Projekten und Aktivitäten des Programms „JUGEND IN AKTION“ eine positive Wirkung auf die persönliche und berufliche Weiterentwicklung junger Menschen hat“, erklärt Rita Bergstein das Instrument.

Sie hat auch die Testphase des Youthpass geleitet, in der 150 Organisationen aus vielen Ländern Europas erste Erfahrungen mit der Anwendung machten. Sie weiß, dass sich Träger und Teilnehmende erst einmal an den Youthpass „heranarbeiten“ müssen: „Für die Projektträger werden wir entsprechende Trainingsangebote und Handbücher als Hilfe bei der Anwendung bereitstellen“, berichtet sie. Die ersten nationalen und internationalen Fortbildungen stehen bereits auf dem Fortbildungskalender von JUGEND für Europa.

Langfristig soll der Youthpass von ca. 10.000 Projekten mit ca. 150.000 Teilnehmenden genutzt werden. Die flächendeckende Nutzung wird durch das Internet-basierte Verfahren ermöglicht. Auf der Seite www.youthpass.eu stehen Zertifikate und Publikationen in allen offiziellen EU-Sprachen zur Verfügung.

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