21.11.2006
Jugendbegegnung - Freundschaftsspiel
Gerade im Fußballsport kann interkulturelle Verständigung gelingen, wie eine Jugendbegegnung beim FC St. Pauli beweist.
Alle reden über Gewalt und Rassismus im Fußballstadium – beim FC St. Pauli tun sie etwas dagegen. Junge Fußballbegeisterte aus Spanien, Polen, England und Deutschland trafen sich im Sommer in Hamburg, um eine Woche lang gemeinsam über Ausländerfeindlichkeit zu diskutieren und Flagge zu zeigen. Titel des Projekts: „Viva antirassistische Fußballfans!“
„Die Idee entstand bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit unseren ausländischen Projektpartnern“, berichtet Sozialpädagogin Daniela Wurbs, die das Seminar für den „Verein Jugend und Sport e.V.“ konzipierte und leitete. Der Verein betreibt nicht nur einen eigenen Fan-Laden, sondern setzt sich auch seit langem für Gewaltprävention im Fußball ein. Grund genug, eine internationale Jugendbegegnung zu diesem Thema zu organisieren, gefördert von JUGEND für Europa.
„Die St. Pauli-Fans knüpfen gerne und fleißig Kontakte ins Ausland“, erzählt Daniela Wurbs, „aber die Jugendbegegnung war bisher unser größtes Projekt dieser Art.“ Das Programm war reich gespickt, darunter Vorträge zu Symbolen der Neonazi-Szene, Zeitzeugengespräche zum Dritten Reich und ein Besuch im ehemaligen Konzentrationslager Neuengamme. Ernste Themen für eine Begegnung von Jugendlichen zwischen 16 und 25 Jahren. Ob das funktionieren würde, musste sich erst erweisen.
Anfang Mai saßen sie dann mit einem Mal beisammen im Fanladen St. Pauli – 40 Jugendliche, von denen einige perfekt, andere so gut wie gar kein Englisch sprachen. Also schossen sie zu zunächst ein paar Polaroids voneinander, um die „Europawand“ mit Portraits und ein paar persönlichen Hinweisen zu spicken. „Die Teilnehmer mussten sich erst langsam an die anderen Gruppen herantasten“, erinnert sich Daniela Wurbs.
Um es ihnen einfacher zu machen, hatte die Seminarleiterin Kennenlernspiele vorbereitet und einige Kniffe angewandt, die die Gespräche ins Laufen brachten. Alle bekamen kleine Vokabelheftchen der anderen Sprachen. Dann sollte jede Gruppe drei Vorurteile über die anderen Nationen an die Wand pinnen. „Das gab die größten Lacher“, erinnert sich Daniela Wurbs. „Die Spanier waren angeblich alle Latinlover, die Engländer schlechte Köche und die Deutschen Schreihälse.“ Schnell stellte sich in den Diskussionen heraus, dass daran wenig Wahres war.
Der Besuch in Neuengamme erwies sich als einer der eindrucksvollsten Programmpunkte, bei dem vor allem die ausländischen Teilnehmer viele Wissenslücken schließen konnten. Besonders gegenwärtig wurde das Thema beim Gespräch mit einer Zeitzeugin den Nationalsozialismus, die auch im amerikanischen Exil von Rassismus nicht verschont geblieben war. Das brachte die Gruppe dazu, über Ausländerfeindlichkeit in ihren Ländern zu reden und gemeinsam nach den Ursachen zu suchen.
Auch während der informellen Phasen ließen die Jugendlichen die Gespräche nicht versiegen und diskutierten trotz Sprachbarrieren lebhaft über kulturelle Unterschiede und, natürlich, über Fußball. „In den Pausen wurde ständig gekickt, und jeder konnte seine Tricks und Stärken beweisen“, erzählt Daniela Wurbs. „Der Fußball hat die Gruppe zusammengeschweißt.“
Um den vielen Worten auch Taten folgen zu lassen, entwarfen die Jugendlichen Kampagnen-Material gegen Rassismus, für das sie am Freitagabend im Millerntor-Stadium gleich ein Einsatzfeld fanden: Während des Heimspiels gegen den 1. FC Köln warben sie mit selbst gefertigten Bannern, Buttons und Flyern für mehr Toleranz. Mit Erfolg: Die Plakate wurden gleich demonstrativ durch die Fankurve gereicht. „Ein Riesen-Highlight für alle Teilnehmer“, freut sich Daniela Wurbs.
Nach acht ereignisreichen Tagen war der Abschied angesagt, und er fiel herzlich und wehmütig aus. Freundschaften waren entstanden, die bis heute halten. Und wie die neueste Post aus England verrät, hat das Seminar auch inhaltlich Früchte getragen: Zwei Jungs treten jetzt mit antirassistischen HipHop-Songs auf, und zwei andere kicken in einem Fußball-Team, das sich die Werbung für mehr Toleranz auf die Fahnen geschrieben hat. (Andreas Menn)
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