01.12.2008

EFD - Pionierin in Potsdam

Die junge Französin Ayar Zandi verbrachte ein Jahr im Projekthaus des Fördervereins innovativer Wohn- und Lebensformen (Inwole e.V.) in Potsdam

Das Fazit war eindeutig: „Jeden Morgen bin ich mit einem Lächeln im Gesicht aufgewacht“, sagte Ayar Zandi wenige Tage vor dem Ende ihres einjährigen Freiwilligendienstes und sorgte im Haus des alternativen Potsdamer Fördervereins für glückliche Gesichter. Schließlich war Ayar die erste Europäische Freiwillige überhaupt bei Inwole e.V.

Viele Lebensbereiche unter einem Dach

Die Voraussetzungen für dieses EFD-Projekt wurden 2005 geschaffen. In diesem Jahr hatten die Verantwortlichen des Fördervereins innovativer Wohn- und Lebensformen e.V. ihr 18jähriges Engagement mit dem Kauf eines Projekthauses in Potsdam gekrönt. Dadurch entstand ein Ort, an dem sich unterschiedliche Lebensbereiche – Wohnen, Arbeiten, Kultur, Bildung und gesellschaftliches Engagement – miteinander verknüpfen ließen. Gleichzeitig waren die Voraussetzungen erfüllt, die Leitlinien des Vereins zu verwirklichen, Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, ihres Alters und ihres sozialen Hintergrunds zusammenzubringen.

Ein wichtiger Eckpfeiler des Gesamtkonzepts wurde das Engagement des Fördervereins als Aufnahme- und Entsendeorganisation innerhalb des Europäischen Freiwilligendienstes. Und so traf ein Jahr nach dem Kauf die damals 23-jährige Ayar Zandi am 9. Mai 2006 als erste Europäische Freiwillige in dem Potsdamer Projekthaus ein. Sie hatte nach dem Abschluss des Studiums keinen Job gefunden und wollte die Zeit nun nutzen, „um die deutsche Sprache und Kultur besser kennen zu lernen, in einer Gemeinschaft zu leben und mehr über sich selber zu erfahren“, wie sie betont.

Gleichzeitig mit Ayar begann ihr Landsmann Florent seinen Freiwilligendienst und etwa zwei Monate später folgten zwei weitere junge Freiwillige aus Serbien. Inzwischen haben insgesamt zwölf Europäische Freiwillige ihren Dienst im Haus des Fördervereins absolviert.

Mauern und organisieren – Verputzen und dokumentieren

„Die Anfangsphase des Projekthauses war für alle sehr anstrengend, aber auch besonders intensiv“, erinnert sich Katja Altenburg, die Ayar während ihrer Zeit in Potsdam betreut hat. Der erste Monat war vornehmlich von praktischen Tätigkeiten geprägt. In dieser Zeit half Ayar vor allem bei der Gestaltung des Außengeländes. Unter anderem wurde ein Kinderspielplatz gebaut und im Werkhaus gearbeitet. Ayar mauerte, verputzte, verlegte Fliesen und erledigte Malerarbeiten.

„Wir haben aber auch von vorneherein darauf geachtet, dass sich die jungen Freiwilligen ganzheitlich engagieren“, bemerkt Katja Altenburg. So war die Französin im Sommer intensiv in die Vorbereitungen eines deutsch-französischen Jugendcamps eingebunden.

Ayar konnte weite Teile des Camps selbständig leiten und entscheidend an der Organisation mitwirken. Sie verwaltete unter anderem das Budget des Camps und war für den inhaltlichen Ablauf mitverantwortlich.

Ein weiterer Höhepunkt war die Teilnahme an einer deutsch-französischen Begegnung zum Thema „Soziale Ausgrenzung von Jugendlichen – Folgen und Alternativen“ im November. Später dokumentierte Ayar die Begegnung und wertete die Ergebnisse aus.

Keine Sprachbarriere

Auch die zweite Hälfte ihres Aufenthalts verknüpfte praktische und theoretische Arbeit. Ihr Deutsch verbesserte sich währenddessen zusehends. „Am Anfang habe ich mich mit der deutschen Sprache schwer getan“, blickt Ayar zurück. Durch die Schule besaß sie zwar Grundkenntnisse in Deutsch, doch in den ersten Monaten verständigte sie sich oft noch in ihrer Muttersprache. Dabei hatte Ayar das Glück, dass eine ihrer Tutorinnen Französisch sprach und sie außerdem eng mit ihrem Landsmann Florent zusammenarbeiten konnte.

Natürlich hat Ayar eine Menge über Deutschland erfahren, was sie letztlich dazu bewogen hat, nach Abschluss ihres Freiwilligendienstes in Deutschland zu bleiben. Sie lebt und arbeitet bis heute in Berlin und war unter anderem in einem deutsch-französischen Kindergarten tätig. Und auch einer ihrer Brüder – Ayar ist in Paris in einer Großfamilie mit neun Geschwistern aufgewachsen – ist in der Zwischenzeit für ein Jahr in Potsdam gewesen.

Doch noch wichtiger als eine andere Kultur zu entdecken, waren die Erkenntnisse, die Ayar für ihr weiteres Leben gewonnen hat: „Ich wusste hinterher viel mehr über mich selber. Und konnte ausdrücken, was ich will und was nicht“, sagt sie.

Freies und selbständiges Arbeiten

Für die Verantwortlichen des Fördervereins ein großes Kompliment. Ganz offensichtlich ist ihr Konzept, die Jugendlichen möglichst selbständig arbeiten zu lassen, aufgegangen. Ayar jedenfalls bestätigt, dass sie dieses Arbeitsprinzip zusätzlich motiviert hat: „Ich war völlig frei, ohne Direktive und Autorität. So habe ich mich wirklich als Freiwillige gefühlt. Auch deshalb hat mir dieses Jahr mehr gebracht, als ich zu hoffen wagte.“

Aus Potsdam verabschiedete sie sich mit den Worten: „Ich habe ganz neue Möglichkeiten entdeckt, zu leben, zu arbeiten und zu wohnen. Jetzt bin ich eine andere Ayar. Danke!“

(Michael Sachse)

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Mehr Informationen zur Arbeit von IWOLE e.V.

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