03.03.2009

Jugendbegegnung - Heißer Draht zwischen Pori und Bremerhaven

Kinderarmut ist gar nicht so weit weg. Soziale Missstände begegnen uns auch vor der eigenen Haustür. Wie äußert sich Kinder- und Jugendarmut im Alltag und was kann man dagegen unternehmen? Nach Antworten suchten finnische und deutsche Schüler während einer Begegnung in der Jugendherberge Wüstewohlde.

Finnische Schülerinnen und Schüler belegen bei den Pisa-Studien regelmäßig einen Spitzenplatz. Das hat sich natürlich auch bis nach Bremerhaven herumgesprochen. Kein Wunder, dass die deutschen Schüler vor der Begegnung mit ihren finnischen Besuchern vom Jugendparlament in Pori glaubten, in punkto Bildung und Fremdsprachen hoffnungslos unterlegen zu sein. Doch wie so oft wurden die Vorurteile rasch widerlegt.

„Die Kommunikation funktionierte von Beginn an sehr gut“, erinnert sich Teamerin Carmen Teichert, die die Jungen und Mädchen im Alter zwischen 14 und 16 Jahren während der Jugendbegegnung betreut hat. „Die Wirklichkeit sieht meist anders aus als erwartet. Alle sprachen in etwa gleich gutes Englisch.“ Die scheinbar überlegenen Englischkenntnisse der Finnen sollten nicht das einzige Vorurteil bleiben, das im Verlauf des zehntägigen Kooperationsprojekts ausgeräumt werden konnte.

„Poor or rich – not a hitch“

Der Stadtjugendring Bremerhaven e.V., die Falken und die Evangelische Jugend organisierten das Treffen unter dem Motto „Poor or rich – not a hitch“ (deutsch: Arm oder reich – spielt keine Rolle“). „In Bremerhaven und Umgebung sind Armut und Arbeitslosigkeit leider ein wichtiges Thema, das wir daher im Rahmen unserer Projekte bevorzugt behandeln“, sagt Nicole Siemers vom Stadtjugendring Bremerhaven. „Unsere finnischen Partner waren mit der Wahl sofort einverstanden, schließlich gibt es auch in Pori soziale Probleme.“

Die Schüler besuchten unter anderem ein Projekt für benachteiligte Kinder und Jugendliche im Bremer Stadtteil Tenever. Sie lernten den Verein „Rückenwind“ kennen, der sich mit seinem Angebot ebenfalls an benachteiligte Kinder und Jugendliche wendet, und erfuhren im Bremerhavener Auswandererhaus, dass Armut Auswanderungsgrund Nummer eins ist. Dabei konnten sich die Heranwachsenden rasch ein Bild darüber machen, wie belastet der Alltag vieler Kinder und Jugendlicher in Bremen und Bremerhaven ist.

Fünf Euro am Tag

„Für einige von uns war es ziemlich hart, soziale Not so hautnah zu erleben“, erinnert sich Rebecca Herzog. Rebecca nahm wie die meisten anderen Jugendlichen sowohl an der Auftaktveranstaltung in Bremerhaven als auch an der ein Jahr später folgenden zweiten Begegnung in Pori teil. „Wir wussten zwar aus der Schule, dass es Armut und Elend auch bei uns gibt, aber erst während des Treffens haben wir das zum ersten Mal richtig wahrgenommen.“

Im Laufe eines Planspiels erfuhren die Jugendlichen, was es bedeutet, mit fünf Euro täglich über die Runden kommen zu müssen. Jeder erhielt knapp bemessenes Spielgeld, das er sich für 24 Stunden einteilen sollte. In diesem Zeitraum gab es sämtliche Leistungen zu einem vorher festgelegten Preis. Dazu zählten auch elementare Bedürfnisse wie das Essen oder eine Dusche.

Mit jedem Tag entwickelte sich ein stärkeres Bewusstsein für das Thema Armut. Die Rollenspiele und die darauf folgenden Diskussionsrunden führten dazu, dass die Jugendlichen sich immer mehr in die Problematik vertieften.

Parallelen und Unterschiede

So entdeckten die Teenager manche Parallelen aber auch einige Unterschiede zwischen ihren Heimatländern. Die Bremerhavener Jugendlichen kritisierten neben der hohen Arbeitslosigkeit vor allem, dass der Staat zu wenig für die Belange von Kindern und Jugendlichen investiere und dass es in Schulen an Betreuung und Essen mangele. Die finnischen Jugendlichen klagten über zu viel Gewalt und Drogen in ihrer Heimatstadt und forderten bessere Ausbildungschancen und mehr Freizeitangebote in Pori.

Gemeinsam diskutierten sie darüber, wie Armut bei ihnen vor Ort am besten zu bekämpfen sei. Die Finnen schmiedeten den Plan, mit ihrem Jugendparlament dem Roten Kreuz beizutreten, dessen Arbeit zu unterstützen und sich in der Entwicklungshilfe zu engagieren. Die Deutschen entschieden sich dafür, verschiedene lokale Projekte gegen Armut ins Leben zu rufen. Sie gestalteten Buttons, die sie gegen eine Spende in der Bremerhavener Innenstadt verteilten. Der Erlös dieser Aktion kam später der Organisation „Rückenwind für Leher Kinder“ zugute.

Gegenbesuch in Pori

Inzwischen waren die Jungen und Mädchen aus Bremerhaven zum Gegenbesuch in Pori. In Finnland setzte sich die Gruppe inhaltlich mit der Macht der Medien auseinander. Auch dieses Thema konnte die Jugendlichen beider Länder fesseln und erneut für ein gesellschaftlich relevantes Phänomen begeistern.

Die bereits in Bremerhaven geknüpften Verbindungen wurden in Pori weiter vertieft. Es entwickelten sich einige Freundschaften und man versprach, den Kontakt weiter aufrecht zu halten. Und tatsächlich glüht der Draht zwischen Bremerhaven und Pori: per Skyp und E-Mails. Eine Finnin besuchte ihre deutsche Freundin sogar während der Weihnachtszeit. Weitere Reiseaktivitäten zwischen Bremerhaven und Pori sind fest geplant.

(Michael Sachse)

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Weiterführende Informationen

Mehr Informationen zum Stadtjugendring Bremerhaven e.V.

Mehr Informationen zum Bremer Projekt "Rückenwind .e.V."

Ein ARD-Bericht über das Projekt "Rückenwind e.V."

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