23.07.2009
EFD - Ich habe die Chance bekommen, mich zu beweisen
Seit ihrem fünften Lebensjahr ist die mittlerweile 21jährige Sheila beinamputiert. Ihr Europäischer Freiwilligendienst an der Valance School in Westerham/Südengland war für sie eine ganz besondere Zeit.
„Die Valance School ist absolut behindertengerecht ausgestattet. Das kam mir zugute und hat bei der Auswahl des Projekts auch eine Rolle gespielt“, berichtet Sheila, die mittlerweile Anglistik und Romanistik in ihrer Heimatstadt Düsseldorf studiert. Körperlich und geistig behinderte Kinder im Alter von fünf bis 19 Jahren besuchen die Schule in der südenglischen Grafschaft Kent. Der Grad der Behinderung ist sehr unterschiedlich: Einige haben Lernschwierigkeiten, andere sind schwer pflegebedürftig.
Gemeinsam mit drei weiteren Freiwilligen zog Sheila im September 2007 nach Westerham. Die vier Frauen teilten sich eine Wohnung und arbeiteten in demselben Freiwilligendienstprojekt.
Den Vormittag verbrachten sie meist in den Klassenräumen. Sheila arbeitete hauptsächlich mit den jüngeren Schülern. Viele von ihnen konnten nicht selbständig schreiben oder reden: „Die Konversation funktionierte vor allem zwischen den Jüngeren oft über so genannte communication books.“
Diese Bilderbücher erleichtern den sprachbehinderten Kindern, sich verständlich zu machen. „Oft gelang die Kommunikation auch über Blicke oder Farben. Die Kinder entwickeln Strategien, mit denen sie den Alltag bewältigen und sich zumindest über elementare Dinge austauschen können. Es war teilweise faszinierend zu erleben, wie sie sich zu helfen wissen.“
Abwechslungsreiche Aufgaben
Neben der Unterstützung im Unterricht bestand ein Teil der Arbeit in der praktischen Pflegetätigkeit. „Einige Kinder wurden gefüttert, anderen haben wir Brote geschmiert oder ihnen beim An- und Ausziehen geholfen. Vor allem mit den Schülern, die im Internat leben, verbrachten wir nachmittags oder abends sehr viel Zeit mit Spielen“, berichtet sie über ihren Tagesablauf.
Verständigungsprobleme waren überhaupt kein Thema: „Ich habe ehedem ein Faible für Fremdsprachen. Natürlich sind der Akzent und das Sprechtempo, das die Engländer vorlegen, in der Anfangszeit gewöhnungsbedürftig, aber da ist man schnell drin.“ Sheila konnte ihr Englisch während des Freiwilligendienstes noch einmal erheblich verbessern. Und schließlich diente der Aufenthalt auch der Vorbereitung auf ihr Studium.
Der Kontakt und die Arbeit mit den Kindern hat Sheila sehr viel Freude bereitet. Aber auch das Drumherum verbindet sie mit zahlreichen positiven Momenten: „In unserer Wohngemeinschaft mit den anderen Freiwilligen haben wir uns super verstanden.“ Die abendlichen Besuche im Pub oder die Ausflüge nach Bromley oder London bleiben ebenso in guter Erinnerung.
Gleiches gilt für die Betreuung sowohl durch ihre Entsendeorganisation, der DRK-Schwesternschaft in Bonn, als auch vor Ort durch das British Red Cross. „Alles war erstklassig organisiert. Die Vorbereitung auf den Aufenthalt in England und die Auswahl des Einsatzortes war vom DRK und seinen Verantwortlichen bestens geplant. Aber auch die Betreuung in England war optimal. Ich habe mich sehr gut aufgehoben gefühlt.“
Kritische Momente nach einem Unfall
Der kritischste Moment ihres Freiwilligendienstes kam zwei Monate vor Ende des Freiwilligenjahres, als sie sich bei einem Sturz eine schwerere Verletzung zuzog. Sheila musste stationär versorgt werden und hat daran ganz schlechte Erinnerungen: „Die Betreuung im Krankenhaus war eine Katastrophe.“
Nachdem sie sich gar eine Blutvergiftung zuzog, reisten die Eltern schließlich nach England, um ihre Tochter nach Hause zu holen. Doch nach ihrer Genesung kehrte Sheila für die letzten beiden Wochen in die Valance School zurück: „Andernfalls wäre die Zeit in England für mich keine runde Sache gewesen. Ich musste unbedingt zurück und mich ordentlich verabschieden.“
Bedenken und Ängste vor Reisen oder längeren Aufenthalten fern der Heimat sind für sie trotzdem kein Thema mehr. Das europäische Ausland übt nach dem Jahr in der Grafschaft Kent einen noch größeren Reiz aus. Ab Oktober ist Sheila für ein Semester an der Universität im italienischen Triest eingeschrieben. Dieser Schritt ist ein Resultat des während der Zeit an der Valance School erworbenen Selbstvertrauens.
„Ich möchte Vorbild sein“
Für Sheila steht fest, dass der Europäische Freiwilligendienst für ihre persönliche Entwicklung von großer Bedeutung war. „Ich kann nur jedem empfehlen, einen längeren Auslandsaufenthalt zu absolvieren. Man lernt viele Menschen kennen, baut sich einen neuen Freundeskreis auf und gewinnt enorm an Selbstbewusstsein. Ich wollte mich in dieser Zeit beweisen und das ist mir gelungen.“
Und eins ist Sheila nach diesem Jahr ganz klar geworden: „Ich werde mich nicht hinter meiner Behinderung verstecken. Und mit dieser Haltung möchte ich auch gerne ein Vorbild für andere junge Menschen mit Behinderung sein.“
(Michael Sachse)
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Das Freiwilligendienstprojekt in der Valance School wird angeboten von der DRK-Schwesternschaft in Bonn in Kooperation mit dem British Red Cross. Weitere Informationen erhalten Sie hier...
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