17.03.2010

Interview: "Wir sprechen zu viel Euroquatsch"

Wenn es um Kommunikationspolitik in der Europäischen Kommission geht, führt kein Weg an ihm vorbei. Seit 2006 ist der Däne Claus Haugaard Sørensen Generaldirektor der EU-Generaldirektion Kommunikation in Brüssel. Wie lässt sich Europa am besten den Bürgern näher bringen? Wie können Jugendliche stärker partizipieren?

Marco Heuer sprach mit dem Generaldirektor am Rande des Fachforums Europa in Bonn und stellte fest, dass trockener Humor – garniert mit dänischer Spitzbübigkeit – helfen kann, das oft als spröde verschriene Beamten-Brüssel lebendig zu machen.

.Herr Sørensen, erzählen Sie uns doch mal bitte, was damals im Jahr 1972 passierte?

(lacht) Die Geschichte ist schnell erzählt. Dänemark bewarb sich um die Aufnahme in die Europäische Gemeinschaft. Es gab ein Referendum. Ich stimmte dagegen, ein Beitritt hatte mich zu diesem Zeitpunkt nicht überzeugt. Damals war ich 18 Jahre alt. Trotzdem: Es ist gut, dass es am Ende anders gekommen ist. Jetzt spreche ich selbst von der sozialen und politischen Vision Europas. Ich habe mich eben überzeugen lassen.

Als Generaldirektor für Kommunikation müssen Sie heute selbst einen Teil der Überzeugungsarbeit leisten. Kommen die Informationen denn gerade bei den Bürgern richtig an?

Da bin ich mir überhaupt nicht sicher. Wir sind eine kleine Bürokratie in Brüssel, vergleichbar mit der der Stadt Köln. Wir müssen uns jedoch um knapp 500 Millionen EU-Bürger kümmern. Das ist nicht einfach. Aber ich will nicht jammern.

Fakt ist: Wir brauchen neue Methoden der Kommunikation, gerade für junge Menschen. Das Internet spielt eine zentrale Rolle. Es reicht aber nicht, nur die Arbeit der Institutionen nach außen sichtbar zu machen. Wir sollten auch auf Portalen wie "You Tube" oder "Greenpeace" präsent sein.

Wie spricht man Jugendliche denn am besten an?

Unsere Kommunikation muss klar, konkret und einfach sein. Wenn wir mit jungen Leuten sprechen wollen, dann funktioniert das nur auf der Ebene der Jugendlichen. Wir müssen ihre Wünsche und Probleme ernst nehmen. Mit Euro-Quatsch erzeugt man bei jungen Menschen kein Interesse.

Haben Sie einen besseren Vorschlag?

Nehmen Sie den litauischen Freund, der mit seiner irischen Freundin ein Wochenende in Barcelona verbringen will. Die Deregulierung der Flugzeugtarife ist ein konkreter Erfolg für sie.

Und was sagen Sie den jungen Leuten auf dem Balkan, deren Länder noch nicht Mitglied der Europäischen Union sind: Seid geduldig, Eure Zeit wird noch kommen?

Um Gottes Willen, bloß nicht zu geduldig sein. Wer mit den Entwicklungen in seinem Land nicht zufrieden ist, muss dabei mithelfen, das politische System mit legalen Mitteln unter Druck zu setzen. Nur so lassen sich Veränderungen herbeiführen.

Wie kann man Europa für Jugendliche attraktiver machen?

Wenn man wissen will, was Jugendliche in Europa in ihrem Leben am wichtigsten finden, schaut man sich am besten die Statistiken des Eurobarometers an. Darin steht: Jugendliche wollen zunächst mal einen Freund oder eine Freundin. Dabei können wir als EU natürlich nicht helfen. Das ist eine Frage der Subsidiarität (lacht).

Aber Jugendliche wollen ebenfalls einen guten Job und sie brauchen auch Wahlmöglichkeiten. Die meisten fürchten zudem einen big-brother-Überwachungsstaat. Da kommen wir dann ins Spiel. Wir müssen den Jugendlichen erklären: Wenn wir mehr Jobs wollen, müssen wir auch Wettbewerb schaffen. Wir müssen das europäische Sozialmodell schützen und sehr sorgsam mit der Haushaltsdisziplin umgehen.

Ihre Botschaft lautet also: Wir müssen den Jugendlichen die Vielfalt Europas besser erklären?

Ganz genau. Und eine weitere Botschaft lautet: Wir brauchen alle zur Verfügung stehenden Multiplikatoren und Europabildner für diese Arbeit – schulisch und außerschulisch. Allein schaffen wir das nicht. Think global, go local. Denkt global, aber setzt die Arbeit dann bei Euch vor der Haustür um.

Mehr Austausch, mehr Foren zwischen Politikern und Bürgern, so wie es der Plan D der Europäischen Kommission seinerzeit vorgesehen hatte – das wäre sicherlich auch heute sehr hilfreich. In jedem Fall reicht es nicht, wenn Politiker immer nur untereinander bleiben.

Und es reicht wahrscheinlich auch nicht, immer weiter nur neue Hochglanzbroschüren über Europa auf den Markt zu bringen?

Da gebe ich Ihnen Recht. Gerade für Jugendliche sind solche Broschüren äußerst altmodisch. Wir Älteren brauchen das Papier, aber die jungen Menschen denken in Video-Clips, die sie übers Internet verbreiten wollen. Wir müssen Ihnen die passenden Möglichkeiten für ihre Kommunikation zur Verfügung stellen.

Was muss in Ihrer eigenen Generaldirektion in Zukunft besser werden?

Es gibt große Herausforderungen. Zum Beispiel, wenn es darum geht, komplexe Sachverhalte anschaulich darzustellen. Wenn ich versuche, meiner Großmutter den Stabilitätspakt zu erklären, schläft sie ein.

Ihr Markenzeichen ist auch der Humor. Sollte sich Europa ein bisschen weniger Ernst verordnen?

Ein wenig Selbstironie hat noch niemandem geschadet. Viele Themen lassen sich auf eine humoristische Art und Weise dem Bürger besser näher bringen. Wir in der Kommission sind ganz einfache Leute. Wir müssen die Wahrheit sagen.

Welche Debatten sollte die EU in nächster Zeit anschieben?

Da gibt es eine Menge Themen. Ich möchte in den nächsten zehn Jahren nur nicht mehr über Institutionen sprechen. Der Vertrag von Lissabon war ein langes Tauziehen. Das müssen wir jetzt erst einmal verdauen. Und wir müssen endlich aus der Finanzkrise herauskommen.

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