08.07.2010
Nachhaltigkeit – aber wie? - Seminar zur Situation junger Menschen im ländlichen Raum
Gängige Klischees lauten so: Die junge Generation engagiert sich nicht mehr. Die Jugendlichen interessieren sich nicht mehr für Politik. Und wenn das Thema auf Europa kommt, fragt jeder häufig: Was haben wir damit zu tun? Ein dreitägiges, von der Katholischen Landjugendbewegung (KLJB) organisiertes Seminar zeigt, dass solche Vorurteile nicht der Realität entsprechen.
Die Seminarteilnehmer, die vom 17. bis 20. Juni im kleinen Nittendorf bei Regensburg zusammenkamen, verkörpern das Gegenteil: Fast vierzig junge Menschen aus über zehn Ländern diskutierten gemeinsam über nachhaltige Entwicklung auf dem Land, erneuerbare Energien und Ökologie, aber auch darüber, wie Jugendpartizipation in diesem Zusammenhang aussehen kann.
"Think globally, act locally!", so lautet das Motto. Die Teilnehmer verband vor allen Dingen die Vision, zusammen die Zukunft zu gestalten. Und das war zu spüren – beim gemeinsamen Erstellen eines Aktionsplans, in den Diskussionsrunden, während der Pausengespräche.
Austausch bieten, Impulse geben
Für den 25jährigen Zlati aus Bulgarien ist es die erste Veranstaltung dieser Art. Er reiste mit der Erwartung an, andere junge Europäer und deren Arbeit in Landjugendorganisationen kennen zu lernen, Ideen auszutauschen und gemeinsam Projekte zu planen. Und genau das ist auch Ziel des Seminars.
Der Austausch steht im Vordergrund. Es geht darum, Kontakte zu knüpfen, das Engagement der Teilnehmer zu verstärken und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Denn Impulse zum Handeln, die sind wichtig, um die Frage zu beantworten: In was für einer Welt wollen wir leben?
Beim Abendessen am Anreisetag fängt der Austausch schon an: "In Bulgarien wird das Thema Landwirtschaft oft vernachlässigt", klagt Zlati, "da heucheln die Politiker nur kurz vor den Wahlen Interesse. Plötzlich fahren sie in die Dörfer und tun so, als ob sie etwas verändern würden, aber nach den Wahlen sind die Versprechungen dann schnell wieder vergessen."
Die Anderen am Tisch nicken zustimmend. "Das Problem ist auch die mangelnde Infrastruktur", wirft Oksana aus der Ukraine ein. Sie unterrichtet Deutsch als Lehrerin und gründete 2007 den Verein "Vielfalt" in ihrem Heimatland. "Kein Wunder, dass alle jungen Leute in die Städte ziehen – auf dem Land wird ja nichts geboten!"
Chancen erkennen
Claire aus Frankreich, die eine der fünf Hauptorganisatoren des international zusammengesetzten Teams ist, betont, dass es wichtig sei, ländliche Gebiete auch tatsächlich als Wohngebiete anzusehen, die ein attraktives Zuhause darstellen. Infrastruktur als Schlüsselwort, darin sind sich die Teilnehmer einig. Und einig sind sie sich auch in dem Punkt, dass sich zu wenig junge Leute engagieren.
Veränderung hat Europa nötig – und das nicht nur im Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft. Die Forderung nach der Anerkennung non-formaler Bildung kommt auf. Andere Wünsche sind, dass der ländliche Raum in stärkerem Maße geschätzt werden sollte. Und die Politik sollte die Chance erkennen, die in der Lebensqualität des ländlichen Raumes liegt, und dementsprechend handeln.
"In den meisten Fällen entscheiden aber leider Politiker hinter ihren Schreibtischen, die sich überhaupt nicht mit der ländlichen Situation auskennen", meint Claire und fügt hinzu: "Deshalb bin ich hier, deshalb sind wir hier. Es ist so wichtig, aktiv zu bleiben! Zusammen träumen ist immer eine schöne Sache, aber es ist nicht genug. Nur wenige Menschen handeln dann auch – und es ist schön, hier bei diesem Seminar auf so viele motivierte Leute zu stoßen, die genau das tun: Handeln."
Aktionsplan für zwei Jahre
Manchmal braucht es nur einen kleinen, ersten Schritt, um wirklich aktiv zu werden – eine gute Idee zum Beispiel. An guten Ideen mangelt es während des Seminars nicht und der auf zwei Jahre angelegte Aktionsplan, der als Ergebnis entstanden ist, zeugt von ihnen.
Die wichtigsten Aspekte sind zwei für 2011 geplante Seminare: "Eins zum Thema Menschenrechte, das in Belgien stattfinden wird, und eins zum Thema Arbeit in ländlichen Räumen, wahrscheinlich in Finnland", erklärt Yordanka aus Bulgarien. Monica Kleiser, Bundesvorsitzende der KLJB, ergänzt: "Auch Besuche untereinander zu verschiedenen Projekten sind geplant, und natürlich unsere Workcamps, zum Beispiel dieses Jahr in Polen und nächstes Jahr in Portugal."
Und Klaus wirft ein: "Außerdem wollen wir ein Projekt rund um das Thema Ernährungssouveränität entwickeln und dabei vielleicht einen Film drehen. Ein Podcast-Projekt, das auch anderen Organisationen zugänglich gemacht wird."
Und wie lauten nun die genauen Ziele? Worauf möchten die jungen Teilnehmer hinaus? Monica Kleiser fasst einige Forderungen zusammen: "Wir wollen keine Agrarfabriken, sondern weiterhin eine klein strukturierte Landwirtschaft. Wir wollen fremde Märkte nicht kaputt machen, sondern als starkes Europa anderen Ländern den Aufbau eigener Strukturen ermöglichen. Wir brauchen faire Preise für die Produzenten, sodass sie in ihrer Existenz gesichert sind. Wir finden den Aufbau regionaler Märkte wichtig, um lange Transportwege zu vermeiden, aber auch, um Wertschöpfung in der Region zu halten. Und wir wollen keine gentechnisch veränderten Produkte auf den Feldern!"
Gesichter und persönliche Erinnerungen
Dass die Mitglieder der verschiedenen Organisationen, die in Nittendorf zusammengekommen sind, auch zukünftig kooperieren werden, davon ist Veronika überzeugt: "Dadurch, dass man durch solche Seminare nicht nur anonym per E-Mail oder Telefon zusammenarbeitet, sondern im Nachhinein ein Gesicht und persönliche Erinnerungen mit den Personen verknüpft, wird die Zusammenarbeit einfacher."
Auch Donjeta aus dem Kosovo ist begeistert: "Diese Chance, die wir hier haben – interkulturelle Kommunikation in der Praxis, wow! Das ist nicht wie im Fernsehen, plötzlich hat man jemanden zum Anfassen, kann sich direkt austauschen."
"Europa lebt von engagierten Menschen, die Visionen haben und sich dafür nach ihren Möglichkeiten einsetzen. Ich glaube das haben wir mit diesem Seminar erreicht", so Monica Kleiser, die gemeinsam mit ihren Teammitgliedern ein knappes Jahr mit der Organisation des Seminars beschäftigt war.
Schneeballeffekt erwünscht
Über die durch und durch positive Rückmeldung der Teilnehmer kann sie sich nur freuen. "Für mich ist der wichtigste Aspekt, den ich mit nach Hause nehme, dass man im kleinen, persönlichen Rahmen viel verändern kann, man sich aber auch vernetzen muss. Mit einer starken gemeinsamen Stimme kann man auch global etwas verändern", lautet Veronikas Fazit.
Und nach einem Moment fügt sie noch hinzu: "Veränderungen fangen doch meistens im Kopf an. Je mehr Menschen versuchen, fair und nachhaltig zu handeln, umso stärker werden diese Ziele in der Gesellschaft präsent. Im Sinne des Schneeballeffekts: Wenn jeder zwei Leute überzeugt und die beiden jeweils wieder zwei Leute überzeugen, können sich Ideen verbreiten."
(Elisa Rheinheimer)
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Weitere Informationen zur Katholischen Landjugendbewegung finden Sie hier.
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