16.03.2011

Europäischer Freiwilligendienst: "Das hat meinen Horizont ungemein erweitert"

JUGEND IN AKTION wirkt. Das Programm fördert junge Menschen: ihre Kompetenzen, ihren Start ins Berufsleben, ihr Engagement für Europa und für die Gesellschaft.
Juliane Stein berichtet über ihren Europäischen Freiwilligendienst in Budapest.

Juliane SteinWenn Juliane Stein ungarisch spricht, tut sie das so fließend, als sei es ihre Muttersprache. Ist es aber nicht – Juliane ist Deutsche und hat die ungarische Sprache während eines Europäischen Freiwilligendienstes in Budapest erlernt.

Die heute 22-jährige arbeitete und lebte von September 2007 bis August 2008 in der ungarischen Hauptstadt – in einem Wohnheim für geistig und körperlich behinderte Menschen. Die Erfahrungen dieses Jahres fasst sie in einem Satz zusammenfassen: "Es war sehr schwierig, aber wunderbar, und sicherlich eine meiner größten Herausforderungen."

Für ein mehrmonatiges Praktikum ist die Studentin der "European Studies" in die ungarische Hauptstadt zurückgekehrt.

JfE: Wie kamst du auf die Idee eines Freiwilligendienstes -  und warum gerade in Ungarn?

Juliane Stein: Für mich stand schon lange fest, dass ich nicht direkt vom Klassenraum in den Hörsaal wollte. Ich war sehr neugierig auf andere Lebenswelten, die sich von meiner unterschieden. Natürlich hätte ich eine Weltreise unternehmen oder an einem Sprachkurs in einem fremden Land teilnehmen können.

Was mich aber am Freiwilligendienst besonders reizte, war der Gedanke, etwas zu tun, wovon nicht nur ich, sondern auch andere Menschen profitieren würden. Mir lag es daran, meinen eigenen Blick von mir selbst weg und hin auf andere Menschen zu lenken. Ungarn hat mich schon fasziniert, als ich mit 15 Jahren zum ersten Mal meine Brieffreundin in Budapest besuchte. Da es mich sowieso "gen Osten" zog, wurde Ungarn schnell mein Wunschland.

Haben sich die Erwartungen, die du vor deiner Abreise hattest, erfüllt?  

Mein einziger Wunsch, den ich allerdings für mich behielt, war, voll und ganz in Budapest anzukommen. Ich wollte mir  eine neue Welt aufbauen, von der es mir am Ende schwer fallen würde, mich zu verabschieden. Dieser Wunsch hat sich sogar über meine Erwartungen hinaus erfüllt: Ich fühlte mich nach dem Freiwilligendienst in Budapest so wohl, dass ich noch ein halbes Jahr länger blieb.

Hast du durch den EFD nun ein anderes Bild von Europa?

Ich habe während des Jahres nicht nur Ungarn, sondern auch viele Länder in der Nachbarschaft bereist: Rumänien, Kroatien, Slowakei, die Ukraine, Slowenien. Alles Länder, die vorher für mich – so wie für die meisten Westeuropäer – einen grauen Fleck auf der Europa-Landkarte darstellten.

Viele Flächen haben sich mit Farben, mit Erlebnissen gefüllt – der graue Fleck auf meiner Landkarte hat sich verkleinert. Doch noch immer gibt es viel europäisches Terrain, das ich nicht kenne, aber kennen lernen möchte. Meine nächste Reise soll deswegen auf den Balkan gehen.

Welchen Rat würdest du zukünftigen Freiwilligen mit auf den Weg geben?

Ich würde allen empfehlen: Bemüht euch auf jeden Fall die Sprache des Gastlandes zu lernen! Am Anfang kannst du damit etwas überfordert sein, doch du kannst sehr viel über die Körpersprache vermitteln.

Für mich war die Tatsache, dass ich mich in meinem Projekt mit vielen nur auf Ungarisch verständigen konnte, eine große Motivation. Und meine Bemühungen haben sich gelohnt! Viele Ungarn waren ganz erstaunt und erfreut, dass ich mich nach einem Jahr mit ihnen in dieser angeblich nicht erlernbaren Sprache unterhalten konnte.

Außerdem ist es ganz wichtig, nicht aufzugeben, Kontakt zu den Einheimischen zu suchen. Natürlich ist es bequem, sich nur im Dunstkreis von anderen EFDlern aufzuhalten – aber so verpasst man die Chance, ein anderes Land näher kennen zu lernen und vielleicht ansatzweise zu verstehen.

Noch immer sprechen viele von einem "verlorenen Jahr" nach dem Abitur, wenn man nicht sofort anfängt zu studieren. Inwiefern hat dir das EFD-Jahr etwas "gebracht"?

Studientechnisch hat mir das Jahr insofern geholfen, dass ich danach genau wusste, was ich nicht studieren will, nämlich Medizin.

Hauptsächlich hat mich das Jahr aber persönlich weitergebracht. Ich habe die unterschiedlichsten Menschen aus den verschiedensten sozialen Schichten kennen gelernt mit ihren Problemen. Und das hat meinen Horizont ungemein erweitert. Auch bin ich der Antwort auf die Frage näher gekommen, was mir wichtig ist. Mir ist bewusst geworden, dass wir unseren hohen Lebensstandard in Deutschland kaum zu schätzen wissen. Das Allerschönste aber ist: Ich habe in Budapest ein zweites Zuhause gefunden.

Das Interview führte Elisa Rheinheimer.

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Aktuelle Studien zeigen, welche Wirkungen Projekte mit JUGEND IN AKTION haben. Mehr hierzu finden Sie auf der Seite www.jugend-in-aktion.de.

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