13.10.2009

"Ich kann mir gut vorstellen, dass die Planungen bald beginnen"

Interview mit Janis Boguzs, der in Lettland die Jugendorganisation „Social Integration Society“ leitet und bereits erste Erfahrungen im Europäischen Freiwilligendienst mit koordinierenden Aufgaben gesammelt hat.

JUGEND für Europa: Herr Boguzs, stellen Sie uns bitte kurz ihre Einrichtung vor. 

Janis Boguzs: Unsere Organisation „Social Integration Society“ wurde im vergangenen Jahr gegründet und befindet sich noch in der Entwicklungsphase. Wir beschäftigen uns mit verschiedenen Zielgruppen. Im Wesentlichen kümmern wir uns um Menschen mit Behinderung, sozial benachteiligte Jugendliche und um Mitglieder verschiedener ethnischer Minderheiten. Die Mehrzahl sind Angehörige der Roma, die größte Minderheitengruppe in Lettland. Nur fünf Prozent der Roma haben eine Arbeit. Sie leiden unter gesellschaftlicher Ausgrenzung, dies ist allerdings nicht nur in Lettland ein Problem. Auch in den Nachbarstaaten ist die Situation der Roma ähnlich bedrückend. Wir sehen unsere Aufgabe darin, all diesen benachteiligten Menschen zu helfen, eine Perspektive zu finden und sich darüber besser in die Gesellschaft zu integrieren. 

Haben Sie schon erste Erfahrungen im Europäischen Freiwilligendienst gesammelt? 

Wir kooperieren eng mit Schulen und der Diakonie im ganzen Land. Einige diakonische Einrichtungen engagieren sich bereits im Freiwilligendienst. Wir übernehmen dabei koordinierende Aufgaben. 

Wie schätzen Sie generell die Situation des Europäischen Freiwilligendienstes in Lettland ein? 

Da gibt es erheblichen Nachholbedarf. Die Möglichkeiten werden längst noch nicht ausgeschöpft. Nur wenige soziale Einrichtungen kennen sich mit dem Europäischen Freiwilligendienst aus. In dieser Hinsicht müssen wir unbedingt die Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit ankurbeln. 

Was hat Sie motiviert, das Seminar für Newcomer zu besuchen? 

Es gibt mehrere Gründe: Zum einen interessiert mich das Einsteiger-Seminar aus persönlichen Gründen. Die Arbeitslosenquote in Lettland ist extrem hoch. Selbst für gut ausgebildete junge Menschen ist es momentan schwierig, einen Job zu finden. Auch ich selber bin arbeitslos, obwohl ich ein Hochschulstudium abgeschlossen habe. Ich könnte mir daher durchaus vorstellen, künftig nicht mehr nur freiwillig im sozialen Bereich zu arbeiten, sondern daraus auch eine hauptamtliche Tätigkeit zu entwickeln. Der Europäische Freiwilligendienst könnte ein Schritt in diese Richtung sein.

Augenblicklich schreibe ich außerdem an meiner Doktorarbeit. Es geht um die Entwicklung von NGOs in Lettland. Ich möchte von den anderen Teilnehmern mehr darüber erfahren, welche Ziele sie verfolgen und wie sie arbeiten. Diese Informationen sind aber nicht nur für meine Doktorarbeit nützlich, sondern auch – und das ist das entscheidende Motiv für mein Kommen – für das weitere Vorgehen unserer Organisation im Hinblick auf den Freiwilligendienst. 

Wie könnte ein Engagement im Freiwilligendienst für „Social Integration Society“ über die überschaubare koordinierende Tätigkeit hinaus aussehen?

Ich suche ein Projekt, an dem „Social Integration Society“ partizipieren kann. Auf diese Weise kann ich unser Bestreben, selber im Freiwilligendienst aktiv zu werden, besser einschätzen und herausfinden, welche Partner in Europa für eine Kooperation in Frage kommen. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir künftig selber Freiwillige aufnehmen. Sie könnten sich zum Beispiel innerhalb des Projekts „Romanu drom“ einsetzen, das sich der wichtigen Aufgabe annimmt, das kulturelle Erbe der Roma zu bewahren und damit auch einen Beitrag zu ihrer Integration in die lettische Gesellschaft zu leisten. Im Rahmen des Projekts sind zum Beispiel grenzüberschreitende Seminare für jugendliche Roma geplant. Bei der Vorbereitung und Durchführung kann ich mir die Mitarbeit Europäischer Freiwilliger sehr gut vorstellen. 

Welche Programmpunkte des Seminars haben Sie in dieser Hinsicht weiter gebracht? 

Der Besuch in der Jugendakademie Walberberg war beeindruckend. Es war für mich sehr hilfreich, den Freiwilligen zu zuhören und mit den Projektverantwortlichen zu diskutieren. Es ist deutlich geworden, dass beide Seiten vom Freiwilligendienst profitieren. Außerdem konnten wir während des Projektbesuchs erfahren, wie man sich in schwierigen Situationen verhält. Diese Erfahrung nehme ich mit in unser diakonisches Zentrum in Riga. Meine Kollegen dort kann ich nun noch besser ermutigen, als Aufnahmeorganisation aktiv zu werden.

Es gab außerdem weitere wichtige Inhalte: Ich habe erfahren, wie man ganz praktisch mit Freiwilligen zusammenarbeitet und welchen Stellenwert interkulturelles Lernen im Freiwilligendienst besitzt. 

Ganz konkret: Wie sehen nun Ihre nächsten Schritte aus?

Es gibt zwei Organisationen innerhalb unseres Verbands in Riga, die ich mir als Entsende- und Aufnahmeorganisation vorstellen könnte. Beide arbeiten mit verschiedenen Zielgruppen zusammen.Dort werde ich meine neuen Erfahrungen weitergeben. Eine dritte Organisation kommt meiner Meinung nach als Aufnahmeorganisation infrage. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Planungen bald beginnen.

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