28.06.2011

Wenn Antworten ausbleiben: "Von EU-Kommissarin Vassiliou war ich enttäuscht!"

Daniel, Marah und Svea-Kristina waren während der Europäischen Jugendwoche in Brüssel. Mit 100 Teilnehmern aus anderen europäischen Ländern haben sie dort ein Perspektivpapier erarbeitet, das am Ende auch EU-Jugendkommissarin Vassiliou präsentiert wurde.

Wie geht es weiter mit dem Strukturierten Dialog? Wie können die Ergebnisse in die kommende Trio-Präsidentschaft integriert werden? Und wie wird der Strukturierte Dialog insgesamt sichtbarer?

Mit diesen Fragen haben sich Daniel Adler (22) aus Schönebeck / Sachsen-Anhalt, Marah Köberle (25) aus Augsburg und Svea-Kristina Latz (19) aus Steinbergkirche / Schleswig-Holstein während der Europäischen Jugendwoche im Mai beschäftigt. Alle drei waren vom Deutschen Nationalkomitee für internationale Jugendarbeit ausgewählt und nach Brüssel entsandt worden.

Welche inhaltlichen Punkte würdet Ihr in Eurem Abschlussdokument besonders hervorheben?

Svea-Kristina: Wir müssen schauen, wie wir die Jugendlichen in Zukunft besser erreichen können. Das geht nur mit neuen Medien wie facebook oder twitter. Auch leicht verständliche, jugendfreundliche Broschüren zum Strukturieren Dialog können helfen. Wir brauchen jedenfalls mehr Transparenz. Denn einen Dialog zwischen Jugendlichen und Politikern kann es nur geben, wenn junge Menschen auch wissen, wo und wie sie sich beteiligen können.

Marah: Ich würde die Gemeinsamkeiten betonen. Obwohl wir den Strukturierten Dialog in sechs Arbeitsgruppen evaluiert haben, gibt es in den meisten Ländern die gleichen Probleme: Viele junge Menschen halten den Strukturierten Dialog für zu kompliziert. Die Zeit reicht nicht aus, um die ganzen Ergebnisse umzusetzen. Und auch das politische Ergebnis ist meist frustrierend. Die Idee, nur zwei Konsultationen während der drei Ratspräsidentschaften durchzuführen, finde ich gut. Auch wenn dann vielleicht mal eine Jugendkonferenz wegfällt – ich denke, dass dies den Prozess weiter stärkt und den Jugendlichen näher bringt.

Daniel: Wichtig ist ein kontinuierlicher Austausch der Akteure auf allen Ebenen und in allen Mitgliedsländern. Dieser Annäherungsprozess hat gerade erst begonnen und – wie ich finde – hat er auch eine enorme Qualität. Die Konferenz hat dies mehr als bestätigt.

Wie verliefen denn die Debatten in den jeweiligen Arbeitsgruppen?

Marah: Wir haben viel darüber diskutiert, wie der Strukturierte Dialog auf Nicht-EU-Länder übertragen werden kann. Auch die Einbeziehung weiterer Akteure, wie der Migrantenselbstorganisationen, war ein wichtiger Punkt. Neben den EU-Skeptikern waren auch einige EU-Enthusiasten in der Gruppe – da ging es bei Diskussionen wie "Liegt Aserbaidschan noch in Europa oder nicht?" hoch her. Schade war, dass sich viele Teilnehmer im Vorfeld noch nicht sehr intensiv mit dem Strukturierten Dialog beschäftigt hatten.

Svea-Kristina: Das war bei uns in der "Visibility AG" auch so. Vielen Teilnehmern fehlte der Bezug zum Thema. Deshalb kamen am Ende leider viel zu allgemeingehaltene Formulierungen heraus. Da hätte ich mir konkretere Ergebnisse gewünscht. Aber bei so wenig Zeit und auch Sprachbarrieren einiger Teilnehmer – was will man da erwarten?

Daniel: Das war bei uns ganz anders. Viele kannten sich schon sehr gut aus. Es war ein Dialog auf Augenhöhe. Das hat das Arbeiten erleichtert. Wir hatten Experten von den Konsultationen und Projektorganisatoren der Aktion 5.1 in der Gruppe, aber auch Vertreter der EU-Kommission sowie der vergangenen und kommenden Trio-Präsidentschaft waren dabei.

Wie hat EU-Jugendkommissarin Vassiliou auf Eure Vorschläge reagiert?

Marah: Von ihr war ich sehr enttäuscht. Man hat gemerkt, dass sie sich nicht viel mit dem Thema beschäftigt hat. Keine der an sie gestellten Fragen konnte sie beantworten. Ein Dialog ist aber nur möglich, wenn zwei Seiten beteiligt sind. Momentan vermisse ich das. Wenn der Dialog ernst gemeint ist, müssen die Forderungen zum Thema "Jugendarbeitslosigkeit" jetzt umgesetzt werden. Da sind zum einen die Nationalstaaten gefragt, zum anderen die EU selbst. Sollte wieder nichts passieren, sehen sich viele Jugendliche ein weiteres Mal darin bestätigt, dass sie von der Politik nicht ernst genommen werden.

Svea-Kristina: Ich hatte das Gefühl, dass unsere Vorschläge eher als feste Regeln verstanden wurden. Wir mussten uns einige scharfe Fragen gefallen lassen, zum Beispiel, wer für unsere konkreten Ideen denn jetzt die Führung übernehmen sollte, woher die finanziellen Mittel kommen müssten und auch, wie viele Jugendliche wir denn überhaupt erreichen wollten. Ich denke, dass die Nationalen Arbeitsgruppen in den jeweiligen Ländern jetzt über die Vorschläge beraten sollten.

Daniel: Vielleicht bin ich da nicht kritisch genug, aber die Politik hat entsprechend ihrer Möglichkeiten reagiert. Wichtig ist, wie jetzt mit unseren Empfehlungen umgegangen wird. Welche Schlussfolgerungen ziehen Polen, Dänemark und Zypern als künftige Trio-Präsidentschaft? Welche Aktivitäten folgen in den Nationalen Arbeitsgruppen? Ich hoffe sehr auf Nachhaltigkeit. Die Politik hat den Strukturierten Dialog selbst auf den Weg gebracht. Nimmt sie diesen nicht ernst, nimmt sie sich selbst nicht ernst.

Der "Strukturierte Dialog" – das klingt erst mal staubtrocken und wenig sexy. Was hat Euch überhaupt zu diesem Engagement getrieben?

Daniel: Ich habe mir das selbst so ausgesucht. Wenn ich mir überlege, wie spontan und zufällig ich damals zum Strukturierten Dialog gekommen bin und was seitdem passiert ist, muss ich schon schmunzeln. Da hat einfach alles gepasst. Meine eigenen Interessen, das Thema, die Herausforderungen. Das Besondere am Strukturierten Dialog ist, dass er mir viele Möglichkeiten bietet, mich zu beteiligen. Es gibt viele interessante Projekte, Ideen und Personen. Das ist eine Menge Inspiration.

Marah: Die Partizipation junger Menschen in einer überalternden Gesellschaft ist nicht nur eine Möglichkeit, sie ist ein Muss.

Svea-Kristina: Ich stehe voll und ganz hinter der Idee des Projekts. Unsere Forderung, Jugendlichen in allen Lebensbereichen mehr Verantwortung und Mitspracherecht einzuräumen, ist wichtig. Dafür brauchen wir das nachhaltige und organisierte Gespräch zwischen Jugendlichen und Politikern. Der Strukturierte Dialog ist auch ein wichtiges Bindeglied zwischen den Staaten, nach dem Motto: "Jeder lernt von jedem".

Wie geht es jetzt für Euch persönlich mit dem Strukturierten Dialog weiter?

Daniel: Als Projektleiter von "Europa geht weiter" bin ich bei der Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsen-Anhalt e.V. direkt mit der Umsetzung des Strukturierten Dialogs beschäftigt. Nach einer guten Auftaktveranstaltung zu Beginn der Europawoche, gilt es nun den nächsten Schritt zu machen.

Wir haben bis September viele Dialogforen zu den Themen "Partizipation", "Jugendmobilität", "Integration in die Arbeitswelt" und "non-formale Bildung" in Schulen und Jugendeinrichtungen geplant. Danach gibt es eine Regionalkonferenz in Dessau. Dort sollen die Themen dann besprochen und zusammengefasst werden. Es gibt es also noch sehr viel zu tun. Außerdem werde ich mich für die Teilnahme an der nächsten Jugendkonferenz in Polen bewerben.

Marah: Ich war sehr viel unterwegs in Sachen Strukturierter Dialog. Jetzt ist Schluss. Für mich war es das letzte große Event auf EU-Ebene. Mit einigen Freunden aus meiner Jugendorganisation, der Katholischen Jungen Gemeinde (KJG), werde ich im nächsten Jahr aber eine europäische Veranstaltung in München organisieren.

Svea-Kristina: Da ich letztes Jahr erst zur Jugendvertreterin gewählt worden bin, nehme ich regelmäßig an den Regionalkonferenzen der nördlichen Bundesländer teil. Dort planen wir die Fortsetzung des Take-Five-for-Europe-Seminars, das letztes Jahr im Mai stattfand.

(Das Interview führte Marco Heuer)

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