09.01.2013

Cui bono? Der Youthpass hat viele Facetten

Ein Zertifikat als Lernanstoß, Belohnung oder Bewerbungs-Plus? Mit dem Youthpass ist vieles möglich. Wie Jugendliche aber auch Arbeitgeber in der Praxis vom Youthpass profitieren.

Wenn man Karoline Kluger vom Jugendamt Hamm zuhört, hat man sofort ein Bild vor Augen: Fünf Jungen und fünf Mädchen aus Hamm, ebenso viele Jugendliche aus der Partnerstadt Afyon in der Türkei, wie sie voller Stolz im Beisein des türkischen Bürgermeister und des Gouverneurs der Region den Youthpass überreicht bekommen.

„Das war schon imposant“, sagt sie, denn nicht alle Tage trifft man auf so viele hohe Tiere, auch nicht als Teilnehmende einer europäischen Jugendbegegnung. Der feierliche Rahmen – es gab ein Bankett, eine Projektvorstellung und verschiedene Beiträge der Jugendlichen – hat den Erhalt des Youthpasses noch einmal aufgewertet. Vor allem aber ist unterstrichen worden: „Ihr habt bei diesem Projekt etwas ganz Tolles geleistet, herzlichen Glückwünsch!“

Frau Kluger erzählt auch, wie sie die Zertifikate gleich danach wieder eingesammelt hat - damit nichts drankommt und um sie im Rahmen des Nachbereitungstreffens mit Eltern und Freunden in Hamm noch einmal auszugeben, „so dass es dann auch mit den wichtigsten Bewerbungsunterlagen zu Hause im Büroschrank aufbewahrt werden kann.“

Stärken bescheinigen

Selbstbestätigung, Stolz, Freude, das sind auch Begriffe, mit denen Trainer Michael Kimmig schildert, wie der Youthpass wirkt, „wenn manchen Jugendlichen vielleicht das erste Mal bescheinigt wird, wo ihre Stärken liegen“. Der Youthpass führe dazu, mehr über sich selbst zu erfahren und über seine eigenen Möglichkeiten nachzudenken, auch ohne Zweckgedanken: „Ich hatte mal einen Teilnehmer, der hat seine Erfahrungen sehr poetisch, sehr philosophisch ausgedrückt, fast schon in Reimform. Auf den Einwand, dass man das doch keinem Arbeitgeber so zeigen könne, meinte er ganz ruhig, er wolle das auch niemandem zeigen. Es sei nur für ihn, vielleicht für seine Freunde.“

Kimmig schult Verantwortliche aus der Jugendarbeit im Umgang mit dem Youthpass. Er sieht für ihn einen mehrfachen Nutzen, allen voran aber dessen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung: „Das wirklich Wichtige ist, dass die Jugendlichen lernen, ihre Erfahrungen anders wahrzunehmen“, sagt er. Der Youthpass mache es möglich, bestimmte Erfahrungen bewusster zu thematisieren. Vieles, was man in Jugendbegegnungen, Freiwilligendiensten und interkulturellen Projekten lernen könne, fiele in den Bereich Persönlichkeitsentwicklung, man lerne, sich seiner eigenen Identität und seiner eigenen Kultur besser bewusst zu sein, den eigenen Lernprozess in die eigene Hand nehmen.

Er ist daher auch skeptisch, wenn es um die Beschreibung von Schlüsselkompetenzen geht: „Das sind alles Sachen, die man nicht so einfach in den Kompetenzkategorien unterbringen kann.“ Andererseits sieht er vor allem für Bewerbungen die Notwendigkeit zu lernen, die eigenen Stärken auch für andere zu kommunizieren: „Ich muss ausdrücken können, welche Ziele ich mir gesetzt habe, welche Lernschritte ich gegangen bin, was dabei rausgekommen ist und wo meine Stärken und Schwächen liegen. In der Sprache von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Und das lerne ich im Prozess des Youthpasses.“

Eine gute Geschichte erzählen

Mit dieser Einschätzung liegt Michael Kimmig ganz auf der Linie von Robert M. Strohmaier. Der qualifiziert Unternehmen in Sachen Personalentwicklung und weiß, worauf „Personaler“, wie er sagt, bei Bewerbern achten. Eigentlich alle, meint er, stellten fest, „dass die Kenntnisse, die die jungen Menschen aus den institutionellen Bildungsanstalten mitbringen, einfach nicht ausreichen“. Auch das persönliche Verhalten der Auszubildenden sei für ältere Führungskräfte oft schwer zu ertragen, zum Beispiel wenn die Jüngeren häufig unausgeschlafen und körperlich schlapp seien oder ständig mit dem Kopfhörer im Ohr herumliefen. So etwas zeuge von sicher unbeabsichtigter Ignoranz gegenüber den Arbeitsanforderungen.

Deshalb schaue man bei Bewerbungen vermehrt auf Grundkompetenzen, Haltung und Engagement: „Man will wissen, was die jungen Leute in ihrer Freizeit machen. Kann jemand etwas zusätzlich aufweisen? War jemand Schulsprecher, Lehrlingsvertreter, hat er sich in einer Organisation oder einer Gruppe betätigt oder für eine Sache engagiert, ist er vielleicht gereist? Da geht es nicht um eine Bewertung, sondern darum, herauszufinden, wie organisiert dieser Mensch sein Leben? Wer sich engagiert, der ist in der Lage, Strukturen zu schaffen oder sich in Strukturen zu bewegen. Darauf wird geachtet.“ Er hält eine offizielle Bescheinigung für „eher sekundär“. „Es geht primär darum, bei den Bewerbern Kompetenzen zu identifizieren, die für das Unternehmen interessant sind.“

Den eigentlichen Sinn von Zertifikaten sieht er darin, dass sie für Personalverantwortliche Anlass seien, nachzufragen. Und dann sei es das A und O, dass die Bewerber sich darstellen könnten: „Oft sagen junge Menschen: ‚Ich habe ja noch nichts gemacht‘.“ Meist sei das eine Fehleinschätzung. Andere kämen mit einem „Weltmeister-Syndrom“ und behaupteten, schon alles zu können. Es ginge aber um eine realistische Reflektion der eigenen Stärken und darum, etwas zu sagen zu haben: „Bei einer Bewerbung oder auch bei Karrieregesprächen geht es darum, eine gute Geschichte erzählen zu können. Das ermöglicht den Personalern dann weitere Fragen.“

Und „Eigeninitiative, Umgang mit veränderten Bedingungen, Umgang mit Menschen aus verschiedenen Kulturen, das sind Dinge, die wirklich interessant sind. Auf das schauen Personaler immer mehr.“

Chancenverbesserer

Karoline Kluger hat also die Zeichen der Zeit erkannt. Sie hat schon in der Vorbereitung der Jugendbegegnung bei den teilnehmenden 12- bis 15-Jährigen damit geworben, dass das Projekt besondere Lerngelegenheiten bietet und der Youthpass ein sinnvolles Dokument für die Bewerbungsmappe sein kann: „Es waren Jugendliche“, erzählt sie, „die sich momentan in der Berufsfindung befinden. Wir schreiben mit ihnen Bewerbungen, vermitteln sie in Stellen. Dadurch wurde der Youthpass in der Vorbereitung wie in den nachbereitenden Einzelgesprächen thematisiert.“

Sie ist sicher, dass die Erfahrungen der Jugendbegegnung und die Thematisierung der individuellen Stärken dazu beigetragen haben, dass einer ihrer Schützlinge, ein junger Mann, der sonst auf dem Ausbildungsmarkt schwer Fuß gefasst hätte, einen Ausbildungsplatz ergattert hat. Der Youthpass dokumentiere diese persönlichkeitsstärkenden Erfahrungen: „Das Zertifikat ist eine Wertschätzung für das Projekt und für die Arbeit der Jugendlichen. Es ist ein Abschluss, den man in der Hand halten kann und drauf blicken kann und sagen kann: So, das habe ich jetzt erreicht!“

(Text: Helle Becker, Bild: JfE)

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Logo des YouthpassAlle Informationen zum Youthpass finden Sie auch auf www.youthpass.eu.

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